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25 LYRIK DES EXPRESSIONISMUS Nr. 4 2002 Leitfragen/Arbeitsaufträge (zu M 3.10) A Welche Gefühle teilen sich Ihnen in diesem Bild mit? B Wählen Sie unter den bisher besprochenen Gedichten das aus, das für Sie am besten durch dieses Bild illustriert wird. M 3.10 Otto Mueller: Selbstbildnis mit Modell und Maske Leitfragen/Arbeitsaufträge (zu M 3.11) A Erschließen Sie den Inhalt des Gedichtes mithilfe von W- Fragen. B Betrachten Sie die Funktion der Farbadjektive. C Welche weiteren formalen Elemente scheinen Ihnen von Bedeutung für die Interpretation? D Am 6. Juli 1910 schreibt Georg Heym in sein Tagebuch: „Geschähe doch einmal etwas. [...] Oder sei es auch nur, daß man einen Krieg begänne, er kann ungerecht sein. Dieser Frieden ist so faul ölig und schmierig wie eine Leim- politur auf alten Möbeln.“ Lesen Sie vor dem Hintergrund dieser Aussage das Gedicht noch einmal. E Dieses Gedicht wurde nicht nur gesellschaftlich-politisch interpretiert, sondern immer wieder auch psychoanalytisch. Suchen Sie nach Hinweisen im Text, die eine Deutung des Krieges als Unterbewusstsein des Menschen nahe legen. F Welches Druckbild eignet sich, um die Aussage des Ge- dichtes zu unterstreichen? M 3.11 Georg Heym: Der Krieg Der Krieg Aufgestanden ist er, welcher lange schlief, Aufgestanden unten aus Gewölben tief. In der Dämmrung steht er, groß und unbekannt, Und den Mond zerdrückt er in der schwarzen Hand. In den Abendlärm der Städte fällt es weit, Frost und Schatten einer fremden Dunkelheit. Und der Märkte runder Wirbel stockt zu Eis. Es wird still. Sie sehn sich um. Und keiner weiß. In den Gassen faßt es ihre Schulter leicht. Eine Frage. Keine Antwort. Ein Gesicht erbleicht. In der Ferne zittert ein Geläute dünn, Und die Bärte zittern um ihr spitzes Kinn. Auf den Bergen hebt er schon zu tanzen an, Und er schreit: Ihr Krieger alle, auf und an! Und es schallet, wenn das schwarze Haupt er schwenkt, Drum von tausend Schädeln laute Kette hängt. Einem Turm gleich tritt er aus die letzte Glut, Wo der Tag flieht, sind die Ströme schon voll Blut. Zahllos sind die Leichen schon im Schilf gestreckt, Von des Todes starken Vögeln weiß bedeckt. In die Nacht er jagt das Feuer querfeldein, Einen roten Hund mit wilder Mäuler Schrein. Aus dem Dunkel springt der Nächte schwarze Welt, Von Vulkanen furchtbar ist ihr Rand erhellt. Und mit tausend hohen Zipfelmützen weit Sind die finstren Ebnen flackend überstreut. Und was unten auf den Straßen wimmelnd flieht, Stößt er in die Feuerwälder, wo die Flamme brausend zieht. Und die Flammen fressen brennend Wald um Wald, Gelbe Fledermäuse, zackig in das Laub gekrallt, Seine Stange haut er wie ein Köhlerknecht In die Bäume, daß das Feuer brause recht. Eine große Stadt versank in gelbem Rauch, Warf sich lautlos in des Abgrunds Bauch. Aber riesig über glühnden Trümmern steht, Der in wilde Himmel dreimal seine Fackel dreht Über sturmzerfetzter Wolken Widerschein, In des toten Dunkels kalten Wüstenein, Daß er mit dem Brande weit die Nacht verdorr, Pech und Feuer träufet unten auf Gomorrh. Aus: Menschheitsdämmerung, hrsg. von Kurt Pinthus, Ernst Rowohlt Verlag, Hamburg 1959, S. 79f. 37 33 29 25 21 17 13 9 5

DBU-0204-Inhalt 02.08.2002 15:47 Uhr Seite 25 · Title - Lyrik des Expressionismus Author: Bergmoser + Höller Verlag AG Keywords: Lyrik des Expressionismus Created Date: 8/2/2019

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LYRIK DES EXPRESSIONISMUSNr. 4 2002

Leitfragen/Arbeitsaufträge (zu M 3.10)A Welche Gefühle teilen sich Ihnen in diesem Bild mit?B Wählen Sie unter den bisher besprochenen Gedichtendas aus, das für Sie am besten durch dieses Bild illustriertwird.

M 3.10Otto Mueller: Selbstbildnis mit Modell und Maske

Leitfragen/Arbeitsaufträge (zu M 3.11)A Erschließen Sie den Inhalt des Gedichtes mithilfe von W-Fragen.B Betrachten Sie die Funktion der Farbadjektive.C Welche weiteren formalen Elemente scheinen Ihnen vonBedeutung für die Interpretation?D Am 6. Juli 1910 schreibt Georg Heym in sein Tagebuch:„Geschähe doch einmal etwas. [...] Oder sei es auch nur,daß man einen Krieg begänne, er kann ungerecht sein.Dieser Frieden ist so faul ölig und schmierig wie eine Leim-politur auf alten Möbeln.“ Lesen Sie vor dem Hintergrunddieser Aussage das Gedicht noch einmal.E Dieses Gedicht wurde nicht nur gesellschaftlich-politischinterpretiert, sondern immer wieder auch psychoanalytisch.Suchen Sie nach Hinweisen im Text, die eine Deutung desKrieges als Unterbewusstsein des Menschen nahe legen.F Welches Druckbild eignet sich, um die Aussage des Ge-dichtes zu unterstreichen?

M 3.11 Georg Heym: Der Krieg

Der Krieg

Aufgestanden ist er, welcher lange schlief,Aufgestanden unten aus Gewölben tief.In der Dämmrung steht er, groß und unbekannt,Und den Mond zerdrückt er in der schwarzen Hand.

In den Abendlärm der Städte fällt es weit,Frost und Schatten einer fremden Dunkelheit.Und der Märkte runder Wirbel stockt zu Eis.Es wird still. Sie sehn sich um. Und keiner weiß.

In den Gassen faßt es ihre Schulter leicht.Eine Frage. Keine Antwort. Ein Gesicht erbleicht.In der Ferne zittert ein Geläute dünn,Und die Bärte zittern um ihr spitzes Kinn.

Auf den Bergen hebt er schon zu tanzen an,Und er schreit: Ihr Krieger alle, auf und an!Und es schallet, wenn das schwarze Haupt er schwenkt,Drum von tausend Schädeln laute Kette hängt.

Einem Turm gleich tritt er aus die letzte Glut,Wo der Tag flieht, sind die Ströme schon voll Blut.Zahllos sind die Leichen schon im Schilf gestreckt,Von des Todes starken Vögeln weiß bedeckt.

In die Nacht er jagt das Feuer querfeldein,Einen roten Hund mit wilder Mäuler Schrein.Aus dem Dunkel springt der Nächte schwarze Welt,Von Vulkanen furchtbar ist ihr Rand erhellt.

Und mit tausend hohen Zipfelmützen weitSind die finstren Ebnen flackend überstreut.Und was unten auf den Straßen wimmelnd flieht,Stößt er in die Feuerwälder, wo die Flamme brausend zieht.

Und die Flammen fressen brennend Wald um Wald,Gelbe Fledermäuse, zackig in das Laub gekrallt,Seine Stange haut er wie ein KöhlerknechtIn die Bäume, daß das Feuer brause recht.

Eine große Stadt versank in gelbem Rauch,Warf sich lautlos in des Abgrunds Bauch.Aber riesig über glühnden Trümmern steht,Der in wilde Himmel dreimal seine Fackel dreht

Über sturmzerfetzter Wolken Widerschein,In des toten Dunkels kalten Wüstenein,Daß er mit dem Brande weit die Nacht verdorr,Pech und Feuer träufet unten auf Gomorrh.Aus: Menschheitsdämmerung, hrsg. von Kurt Pinthus, Ernst Rowohlt Verlag, Hamburg 1959, S. 79f.

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