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87 Sonderheft 1› 2006 | Controlling & Management | ZfCM Grenzplankostenrechnung und Einzelkostenrechnung aus Sicht der Praxis 2006 PLAUT/BONIN/VIKAS (1988) 1. Würdigung des Artikels „Grenzplankostenrechnung und Einzelkostenrechnung“ aus heutiger Sicht Im Artikel „Grenzplankostenrechnung und Einzelkostenrechnung“, veröffent- licht in Krp 1/1988, stellen Plaut, Bonin und Vikas die wesentlichen Inhalte dieser beiden Kostenrechnungsverfahren vor. Schon allein aufgrund der Planungskom- ponente favorisieren die drei Autoren die Grenzplankostenrechnung vor der Einzel- kostenrechnung. Dies unterstreichen sie durch Beispielrechnungen zu unterneh- merischen Entscheidungsfindungen. Trotz der Bevorzugung der Grenzplankosten- rechnung weisen die Autoren darauf hin, in der Zukunft daneben ebenso das Kon- zept der Einzelkostenrechnung weiter zu verfolgen, „um den immer komplexer werdenden Fragestellungen der Praxis gerecht zu werden.“ 1 Im folgenden Kapitel begründen wir, warum von den beiden genannten Kostenrechnungssystemen ausschließ- lich die Grenzplankostenrechnung in der Praxis von Großunternehmen verbreitet ist. Danach prüfen wir, ob die von Plaut, Bonin und Vikas postulierten Vorteile der Grenzplankostenrechnung heute noch zutreffen und inwieweit dieses System die Zwecke der Kostenrechnung erfüllt. Ab- schließend geben wir einen Ausblick auf die Relevanz der Kostenrechnung für die Unternehmenssteuerung in der Zukunft. 2. Bevorzugung der Grenz- plankostenrechnung vor der Einzelkostenrechnung 2.1. Keine Praxisrelevanz der Einzelkostenrechnung Die Einzelkostenrechnung hat sich seit Entwicklung und Vorstellung der Kon- zeption durch Riebel im Jahr 1959 2 trotz (oder gerade wegen) der korrekten Abbil- dung der Kostentheorie nicht durchge- setzt. In der Einzelkostenrechnung nach Riebel sind sämtliche anfallenden Kosten soweit zu differenzieren, dass entschei- dungsspezifisch unterschiedliche Werte auf unterschiedliche Bezugsobjekte zuge- rechnet werden können. Riebel setzt da- mit die Relevanz unterschiedlicher Kosten für verschiedene Zwecke oder Entschei- dungen konsequent um. Relevant sind jeweils die Kosten, die durch eine Ent- scheidung geändert werden. Aufgrund dieser Entscheidungsorientierung werden in einer „Grundrechnung“ 3 lediglich die Grenzplankostenrechnung und Einzelkostenrechnung aus Sicht der Praxis 2006 Petra Cordes/Jochen Holzwarth eindeutig, entscheidungsunabhängig zu- ordenbaren Kosten auf die Kostenträger zugerechnet. Riebel lehnt jede Schlüsse- lung von echten Gemeinkosten als öko- nomisch nicht begründbar und deshalb stets willkürlich ab. 4 Als Folge werden in der Grundrechnung neben den auf Kos- tenträger zuordenbaren Kosten alle kos- tenrechnerischen Daten unverdichtet abgespeichert. Es „handelt sich dabei um den Aufbau einer relationalen Daten- bank, …, die den Zugriff auf die unter- schiedlichen Attribute der abgespeicher- ten Datensätze zulässt.“ 5 Je nach zu tref- fender Entscheidung können die Daten hieraus fallweise ausgewertet werden. Für Experten der Kostenrechnung sind die Riebel’schen Kosteninformationen (leicht) verständlich und auswertbar; die fallweise Unterschiedlichkeit relevanter Daten ist selbstverständlich und vermit- telt die Sicherheit, Entscheidungen kor- rekt zu fundieren. Für Führungskräfte hingegen, die mit der Kostentheorie nicht vertraut sind, erzeugt die fallweise Unter- schiedlichkeit relevanter Daten Unsicher- heit und reduziert deren Vertrauen in ein Kostenrechnungssystem. Sie erleben die- ses als „black box“, welche je nach Frage ganz andere Antworten erzeugt. Füh- rungskräfte haben durch den Wieder- erkennungswert ein höheres Vertrauen in Dipl.-Math. Petra Cordes ist Projektleiterin bei der Managementberatung CTcon in Düsseldorf ([email protected]) Dr. Jochen Holzwarth ist Gründungspartner und Geschäftsführer der Management- beratung CTcon in Düsseldorf ([email protected])

Grenzplankostenrechnung und Einzelkostenrechnung aus Sicht der Praxis 2006

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87Sonderheft 1›2006 | Controlling & Management | ZfCMGrenzplankostenrechnung und Einzelkostenrechnung aus Sicht der Praxis 2006

PLAUT/BONIN/VIKAS (1988)

1. Würdigung des Artikels „Grenzplankostenrechnung und Einzelkostenrechnung“ aus heutiger Sicht

Im Artikel „Grenzplankostenrechnungund Einzelkostenrechnung“, veröffent-licht in Krp 1/1988, stellen Plaut, Boninund Vikas die wesentlichen Inhalte dieserbeiden Kostenrechnungsverfahren vor.Schon allein aufgrund der Planungskom-ponente favorisieren die drei Autoren dieGrenzplankostenrechnung vor der Einzel-kostenrechnung. Dies unterstreichen siedurch Beispielrechnungen zu unterneh-merischen Entscheidungsfindungen. Trotzder Bevorzugung der Grenzplankosten-rechnung weisen die Autoren darauf hin,in der Zukunft daneben ebenso das Kon-zept der Einzelkostenrechnung weiter zuverfolgen, „um den immer komplexerwerdenden Fragestellungen der Praxisgerecht zu werden.“1

Im folgenden Kapitel begründenwir, warum von den beiden genanntenKostenrechnungssystemen ausschließ-lich die Grenzplankostenrechnung in derPraxis von Großunternehmen verbreitetist. Danach prüfen wir, ob die von Plaut,Bonin und Vikas postulierten Vorteile derGrenzplankostenrechnung heute noch

zutreffen und inwieweit dieses System dieZwecke der Kostenrechnung erfüllt. Ab-schließend geben wir einen Ausblick aufdie Relevanz der Kostenrechnung für dieUnternehmenssteuerung in der Zukunft.

2. Bevorzugung der Grenz- plankostenrechnung vor derEinzelkostenrechnung

2.1. Keine Praxisrelevanz der Einzelkostenrechnung

Die Einzelkostenrechnung hat sich seitEntwicklung und Vorstellung der Kon-zeption durch Riebel im Jahr 19592 trotz(oder gerade wegen) der korrekten Abbil-dung der Kostentheorie nicht durchge-setzt.

In der Einzelkostenrechnung nachRiebel sind sämtliche anfallenden Kostensoweit zu differenzieren, dass entschei-dungsspezifisch unterschiedliche Werteauf unterschiedliche Bezugsobjekte zuge-rechnet werden können. Riebel setzt da-mit die Relevanz unterschiedlicher Kostenfür verschiedene Zwecke oder Entschei-dungen konsequent um. Relevant sindjeweils die Kosten, die durch eine Ent-scheidung geändert werden. Aufgrunddieser Entscheidungsorientierung werdenin einer „Grundrechnung“3 lediglich die

Grenzplankostenrechnung und Einzelkostenrechnung aus Sicht der Praxis 2006Petra Cordes/Jochen Holzwarth

eindeutig, entscheidungsunabhängig zu-ordenbaren Kosten auf die Kostenträgerzugerechnet. Riebel lehnt jede Schlüsse-lung von echten Gemeinkosten als öko-nomisch nicht begründbar und deshalbstets willkürlich ab.4 Als Folge werden inder Grundrechnung neben den auf Kos-tenträger zuordenbaren Kosten alle kos-tenrechnerischen Daten unverdichtetabgespeichert. Es „handelt sich dabei umden Aufbau einer relationalen Daten-bank, …, die den Zugriff auf die unter-schiedlichen Attribute der abgespeicher-ten Datensätze zulässt.“5 Je nach zu tref-fender Entscheidung können die Datenhieraus fallweise ausgewertet werden.

Für Experten der Kostenrechnung sinddie Riebel’schen Kosteninformationen(leicht) verständlich und auswertbar; diefallweise Unterschiedlichkeit relevanterDaten ist selbstverständlich und vermit-telt die Sicherheit, Entscheidungen kor-rekt zu fundieren. Für Führungskräftehingegen, die mit der Kostentheorie nichtvertraut sind, erzeugt die fallweise Unter-schiedlichkeit relevanter Daten Unsicher-heit und reduziert deren Vertrauen in einKostenrechnungssystem. Sie erleben die-ses als „black box“, welche je nach Frageganz andere Antworten erzeugt. Füh-rungskräfte haben durch den Wieder-erkennungswert ein höheres Vertrauen in

Dipl.-Math. Petra Cordes ist Projektleiterin bei derManagementberatung CTcon inDüsseldorf ([email protected])

Dr. Jochen Holzwarth ist Gründungspartner und Geschäftsführer der Management-beratung CTcon inDüsseldorf ([email protected])

Praktiker-Kommentierung

ZfCM | Controlling & Management | Sonderheft 1›200688 Cordes/Holzwarth

bung und -auswertung werden die Beson-derheiten und die wichtigen Abweichun-gen in den Daten (schnell) erkannt undsind beurteilbar.

Viele Großunternehmen implementier-ten in den 1980er- und 1990er-Jahren inihrem Rechnungswesen die Standardsoft-ware von SAP. In dieser Software wurdedas Konzept der Grenzplankostenrech-nung systemtechnisch umgesetzt; SAPtrug damit erheblich zur Verbreitungdieses Kostenrechnungsverfahrens in derPraxis bei.

Als weit verbreiteter Standard stehtdie Grenzplankostenrechnung im allei-nigen Fokus des folgenden Kapitels, inwelchem wir analysieren, inwieweit die-ser die Zwecke der Kostenrechnung inder Praxis erfüllt.

3. Etablierung der Grenzplan- kostenrechnung mit einer Vollkostenrechnung als Praxis-Standard

3.1. Hauptaussagen des Artikels von Plaut, Bonin und Vikas zur Grenzplankostenrechnung

Für Plaut, Bonin und Vikas ist die Pla-nung und Wirtschaftlichkeitskontrolleauf der Kostenstelle der wichtigste Zweckeiner Kostenrechnung. Ein entscheidungs-orientiertes Kostenrechnungssystem kannsich nicht auf eine Istkostenerfassungbeschränken.7 Zur Planung der Kostenwerden diese in proportionale und fixeKosten gespalten. Als einzig sinnvollenAnsatz erachten die Autoren eine analy-tische Kostenplanung, die durch so ge-nannte „Kosteningenieure“ vorgenommenwerden soll. Außerdem soll die Kosten-planung auf Ebene der Kostenstellen unddifferenziert nach Kostenarten durch-geführt werden.Ein zweiter wichtiger Zweck der Kosten-rechnung ist die Ergebnisrechnung fürKostenträger. Nach Meinung der dreiAutoren ist allein die beschriebene diffe-renzierte Kostenplanung sinnvoll für eineGrenzkosten-Kalkulation. D.h. nur dieso ermittelten proportionalen (sprich dieleistungsabhängigen), nicht jedoch diefixen Kosten sind auf die Kostenträger

zuzurechnen. Nur die leistungsabhän-gigen Kosten lassen Deckungsbeiträgeberechnen, welche die richtige Basis fürProdukt- und Preisentscheidungen sind.Sobald fixe Kosten auf die Kostenträgerzugeschlüsselt und damit proportiona-lisiert werden, „führt dies zu falschenSchlüssen in der Erfolgsanalyse und da-mit zu Fehlentscheidungen der Verkaufs-steuerung“.8

Das vorangehende Zitat weist auchauf den dritten Zweck der Kostenrech-nung hin, die Fundierung von Entschei-dungen. Durch Zurechnung lediglich derleistungsabhängigen Kosten auf die Kos-tenträger ist laut Plaut, Bonin und Vikasdie Grenzplankostenrechnung bei Ver-fahrens- oder Bezugsgrößenwahlen zurEntscheidungsfundierung besser geeignetals eine Vollkostenrechnung. Dies machendie Autoren durch konkrete Beispielrech-nungen in ihrem Artikel deutlich, derenRandbedingungen geeignet gesetzt sind.

In den nun folgenden Abschnitten3.2., 3.3. und 3.4. legen wir anhand dergenannten drei Zwecke der Kostenrech-nung dar, wie diese heute in Großunter-nehmen erfüllt werden und welche Rolledie Grenzplankostenrechnung dabei spielt.

3.2. Planung und Wirtschaftlichkeits-kontrolle auf der Kostenstelle folgt nur teilweise der Grenz-plankostenrechnung

Wie oben bereits erwähnt, beurteilten diedrei Autoren eine Kostenplanung als gut,wenn die Kosten in proportionale undfixe gespalten und analytisch geplantwerden. Ausgangspunkt der Planungmuss die Kostenstelle sein, und es solltedifferenziert nach Kostenarten geplantwerden. Nach Meinung der drei Autorensind nur Kosten, die auf diese Art undWeise geplant werden, eine geeignete Basiszur Wirtschaftlichkeitskontrolle.9

Die Kostenspaltung in proportionaleund fixe Kosten wird von Großunterneh-men in der Regel durchgeführt. Die Un-terteilung wird dabei allerdings von denKostenrechnern oft pragmatisch und nichtanalytisch getroffen, d.h. Kostenrech-nungsexperten schätzen die jeweiligenAnteile unter Einbezug von Istkosten undErfahrungswerten ab. Die fundiertere

Kosteninformationen, wenn sie Standard-reportings erhalten, in denen Kosten stetsgleich in Kategorien unterschieden sind(z.B. fixe und proportionale Kosten) undin denen sich die Kosten stets auf direktvergleichbare Werte addieren.

Ein zweiter gewichtiger Nachteil fürdie Praxis ist der sehr hohe Aufwand fürErfassung, Pflege und Reporting solchdifferenzierter Daten in der Grundrech-nung, gerade auch durch die periodischeDurchführung. Da in der Theorie derEinzelkostenrechnung keine Standardzu-weisung von Kosten vorgesehen ist, mussfallweise für alle Kosten analysiert wer-den, ob sie zurechenbar sind oder nicht.Diese Situation der aufwändigen Kos-tenerfassung wird zusätzlich dadurchverschärft, dass für die Einzelkostenrech-nung nach Riebel keine Standardsoft-ware auf dem Markt verfügbar ist.

Aufgrund dieser beiden Aspekte findetdie Einzelkostenrechnung in der Praxiskeine Anwendung als laufendes Kosten-rechnungssystem. Gleichwohl sind dieIdeen der Einzelkostenrechnung bei denKostenrechnungsexperten präsent undfinden in der Praxis Eingang in Sonder-auswertungen auf Basis der vorhandenenKostenrechnung.

2.2. Weite Verbreitung der Grenz- plankostenrechnung in Groß- unternehmen

Seit der Entwicklung durch Kilger imJahr 19616 hat sich die Grenzplankosten-rechnung unter Mitwirkung von Plautnach und nach zum Standard in Großun-ternehmen entwickelt.

Die Grenzplankostenrechnung ist einstandardisiertes Verfahren, um Kosten vorallem für die Planung und Wirtschaftlich-keitskontrolle abzubilden. Die unterneh-merische Praxis erfordert eine relativeinfache und nachvollziehbare laufendeRechnung. Denn einmal erläutert, habenStandarddaten den Vorteil, von Führungs-kräften einfach gelesen und verstandenzu werden. Gleichzeitig wird die Signal-funktion der Kostenrechnung nur erreicht,wenn die Regeln der Kostenerfassungund -zurechnung wie bei der Grenzplan-kostenrechnung konstant sind. D.h. nurdurch eine standardisierte Datenerhe-

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analytische Ermittlung der Kostenspal-tung über Extremwert- oder Regressions-verfahren, periodisch durchgeführt, er-fordert einen sehr hohen Arbeits- undZeitaufwand, der in der Praxis nur seltenin Kauf genommen wird. Vollständig ver-zichtet man auf die Kostenspaltung,wenn der Anteil proportionaler Kostengering ist, wie beispielsweise im Overhead.

Eine von Kilger ausführlich beschrie-bene analytische Kostenplanung10, dieim optimalen Fall von ausgebildeten„Kosteningenieuren“11 durchzuführenist, findet in der Praxis aufgrund desimmensen Aufwands schlichtweg nichtstatt. Statt dessen werden Istkosten ausder Vergangenheit herangezogen undnach oben oder unten angepasst. Die Kos-tenstellenverantwortlichen schätzen ent-weder wie oben beschrieben den propor-tionalen Anteil der Kosten ab und passendiesen zur Planung um die erwartete Än-derung der Ausbringungsmenge an. Odersie planen die einzelnen Kostenarten un-ter Berücksichtigung der zu erwartendenAusbringungsmenge.

Der Ausgangspunkt der Planung ist inder Praxis vieler Großunternehmen garnicht mehr die Kostenstelle. Der Planungs-prozess nimmt seinen Ausgangspunkt oftauf Konzern- oder Unternehmensbereichs-ebene, auf der die Ziele als Eckwerte fürdie Jahresplanung festgelegt werden. Ausdiesen top-down-Vorgaben werden dieZiele bis auf die Kostenstellen, teilweisenur bis auf so genannte Knotenkostenstel-len (Planungskostenstellen, die mehrereKostenstellen zusammenfassen) abgelei-tet. Somit gibt es oft nur top-down ge-rechnete Planwerte für jede einzelne Kos-tenstelle, außerdem ist die KostenstelleEndpunkt des Planungsprozesses. EinGrund für die Hinwendung zur top-down-Planung besteht darin, dass der Pla-nungsprozess in Großunternehmen einenhohen Abstimmungsaufwand verur-sacht, welcher durch einen groben De-taillierungsgrad und den Verzicht auf Pla-nungsschleifen gering gehalten werdenkann. Ein weiterer Grund für eine top-down-Planung ist die oft geringe Kennt-nis der Gesamtzusammenhänge durchden einzelnen Kostenstellenverantwort-lichen, ohne die er in seiner Einheit nicht

sinnvoll mit dem Planungsprozess begin-nen kann.

Die geforderte Planung nach Kostenar-ten wird von allen Unternehmen durch-geführt. Einige Unternehmen fassen Kos-tenarten zu Kostenartengruppen zusam-men, auf deren Ebene sie planen. Bei derGrenzplankostenrechnung wird „für jedeKostenart einer Kostenstelle gesondertdarüber entschieden, wie sie sich bei Be-schäftigungsschwankungen verändert“. 12

Dabei sind die Kosten zu identifizieren,die „von Natur aus“ gleich sind, d.h. wel-che sich hinsichtlich Auf- bzw. Abbaubar-keit gleich verhalten. Diese werden inner-halb der Planung jeweils in einer Kosten-art zusammengefasst. Eine Gliederungnach der Art der verbrauchten Produkti-onsfaktoren bietet sich an, beispielsweiseLöhne oder Sozialversicherungskosten alsKostenarten und Personalkosten als Kos-tenartengruppe, getrennt von den Sachkos-ten, Abschreibungen und ggf. den kalku-latorischen Zinsen (die einige EBIT-orien-tierte Unternehmen gar nicht mehr in derKostenrechnung führen). Die Kategorisie-rung nach Kostenarten(gruppen) ist eineallgemein angewandte Vorgehensweise,um Kosten zu planen.

Die Planung bildet die Basis für dieWirtschaftlichkeitskontrolle auf Ebene derKostenstelle, welche die Istkosten den Soll-kosten gegenüberstellt. Die zur Wirt-schaftlichkeitskontrolle notwendige Ist-Auswertung und -Betrachtung der Kosten-rechnungsdaten findet zwar in allen Groß-unternehmen monatsweise auf Ebene dereinzelnen Kostenarten und je Kostenstellestatt. Doch der zentrale historische Vorteilder Grenzplankostenrechnung, aus denPlankosten monatliche Sollkosten abzulei-ten, welche die tatsächliche Beschäftigungberücksichtigen, wird in vielen Großunter-nehmen nicht mehr oder nur noch einge-schränkt praktiziert. Einige Unternehmenweisen trotz der üblichen Unterscheidungzwischen proportionalen und fixen Kostenkeine Sollkosten aus, sondern führen zurWirtschaftlichkeitskontrolle auf der Kos-tenstellenebene Plan-Ist-Vergleiche durch.Dies ist der Fall, da der Budgetgedanke ge-genüber dem Plankostengedanken domi-niert, was eine geänderte Steuerungsphilo-sophie der Unternehmen ausdrückt. Die

Berechnung von Sollkosten geht von einerzumindest ein Jahr im Voraus planbaren,stabilen Produktionsfunktion aus, derenErreichung das Ziel des Kostenstellen-verantwortlichen ist. Erzeugt er den vonihm geforderten Output zu den theoretischoptimalen Kosten, so hat er seine Aufgabegut erfüllt. Die heutige Philosophie derSteuerung von Großunternehmen setzt an-ders an: Die vorgegebenen Zielwerte sindzu erreichen. Liegen sie nicht auf der Pro-duktionsfunktion, so ist diese durch denKostenstellenverantwortlichen möglichstanzupassen. Diese Änderung des Denkensdrückt sich in dem Trend aus, Fixkosten zuvariabilisieren, beispielsweise Produk-tionsprozesse outzusourcen oder Personalnicht mehr langfristig zu binden. Plan-Ist-Vergleiche zeigen Handlungsbedarf aufund fragen gar nicht, ob die Ursache derPlanabweichung in Preis-, Standard- oderVerbrauchsabweichungen liegt, was ggf.den Kostenstellenleiter aus der Verantwor-tung für die Abweichung entließe. Aufhöheren Management-Ebenen wird nichtdarüber diskutiert, welche Abweichungs-arten zur Verfehlung der Ziele führten,sondern welche Maßnahmen zu ergreifensind, um die Ziele zu erreichen. Diese nichtmehr stattfindende Auseinandersetzungdes Top-Managements mit Abweichungs-ursachen und der Suche nach Erklärungenzeigt anschaulich den Verlust der Relevanzder Grenzplankostenrechnung – wie derKostenrechnung generell – für die Steue-rung von Unternehmen.

Zusammenfassend gilt, dass die Grenz-plankostenrechnung heute von vielenGroßunternehmen für die Planung undWirtschaftlichkeitskontrolle angewandtwird, aufgrund der geänderten Steuerungs-philosophie in Großunternehmen aller-dings in einigen Aspekten modifiziert,vor allem vereinfacht und weniger rele-vant für die Top-Management-Ebene.

3.3. Ergebnisrechnung für Kosten- träger auf Basis von Vollkosten anstatt von Grenzkosten

Plaut, Bonin und Vikas plädieren dafür,nur die leistungsabhängigen Kosten aufdie Kostenträger zuzurechnen. Nur diesesind nach ihrer Meinung in der betriebs-

Praktiker-Kommentierung

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wirtschaftlichen Praxis zur Kalkulationbrauchbar, denn nur auf ihrer Basis kön-nen Deckungsbeiträge berechnet werden,die die richtige Basis für Produkt- undPreisentscheidungen sind.

Die meisten Unternehmen rechnensowohl in der Vor- als auch in der Nach-kalkulation die vollen Kosten der Leis-tungserbringung auf die Kostenträger zu.Zunächst werden die proportionalen Ko-sten gemäß der Grenzplankostenrech-nung den Kostenträgern zugeordnet;anschließend werden die fixen Kostenunter Verwendung von Schlüsseln umge-legt. Die Grenzplankostenrechnung allei-ne ist für die Kostenträgerergebnisrech-nung in der Praxis ungeeignet, da einUnternehmen zum Überleben langfristigdie vollen Kosten durch die Erlöse deckenund darüber hinaus noch einen ange-messenen Gewinn erwirtschaften muss.Außerdem sind in der Praxis Vollkosten-ergebnisse besser kommunizierbar alsDeckungsbeiträge, u.a. weil Nicht-Fach-leute neben der Deckungsbeitragsinfor-mation gerne die Fiktion eines Stückge-winns oder eines Geschäftsfeldgewinnsvor Augen haben. Deckungsbeitragsin-formationen können sogar schädlichsein, indem sie z.B. zu nachgiebige Preis-durchsetzungen oder unnötige Preis-senkungen im Vertrieb nach sich ziehen.Nur durch die Zurechnung aller, auchder fixen Kosten auf die Produkte ist einAnhaltspunkt für die langfristige Preis-setzung oder -überprüfung gegeben – mitallen Nachteilen der Fixkostenschlüsse-lung, insbesondere in Zeiten schwacherAuslastung.

Vollkosten-Ergebnisse führen zwarimmer wieder zu Fragen von Nicht-Fachleuten, wenn sich z.B. Fixkostenan-teile aufgrund von Mengenverschiebun-gen verändern. Solche Fragen werdenaber beantwortet, indem die Vollkosten-rechnung aufgesplittet wird in einemehrstufige Deckungsbeitragsrechnungoder stufenweise Fixkostendeckungs-rechnung.13

Durch Einbezug der Fixkosten in dieStundensätze ihrer Beispielrechnungen14

implizieren die Ausführungen von Plaut,Bonin und Vikas zumindest eine Akzep-tanz, wenn nicht gar eine Empfehlung,

Grenzkosten- durch Vollkosteninforma-tionen zu ergänzen.

Zusammenfassend halten wir fest, dassdie Grenzplankostenrechnung, ergänztdurch eine Vollkostenrechnung, das heuteüberwiegend angewandte und in der Pra-xis einzig relevante Verfahren zur Ergeb-nisrechnung für die Kostenträger ist.

3.4. Eingeschränkte Entscheidungs- fundierung mit der Grenzplan- kostenrechnung

Nach Meinung von Plaut, Bonin undVikas sind unternehmerische Entschei-dungen einzig mit Hilfe der Grenzplan-kostenrechnung richtig und sinnvoll zufundieren. Nur proportionale Kostensind entscheidungsrelevant, denn sobaldfixe Kosten proportionalisiert werden,können die betreffenden Kosteninfor-mationen Fehlentscheidungen bei Verfah-rens- oder Bezugsgrößenwahlen nach sichziehen.15 Auch bei Entscheidungen überdas Produktsortiment können zugeschlüs-selte Fixkosten beispielsweise zur Elimi-nierung von Vollkosten-Verlustproduktenführen, obwohl dies nur bei Kostenträ-gern mit negativen Deckungsbeiträgenrichtig wäre. Sobald Produkte trotz Voll-kosten-Verlust positive Deckungsbei-träge aufweisen, wäre nicht deren Elimi-nierung, sondern der Versuch von Preis-oder Mengensteigerungen das richtigeVorgehen.

In der Praxis werden Kosten aus derKostenrechnung fallweise für die Fun-dierung von Entscheidungen herangezo-gen. Allerdings sind die proportionalenKosten nur für bestimmte Entscheidun-gen relevant: Die Fristigkeit der zu tref-fenden Entscheidung muss der Fristigkeitentsprechen, die der Kostenspaltung zu-grunde liegt, d.h. sechs bis zwölf Mo-nate. Zudem muss die Entscheidung aufBasis gegebener Kapazitäten zu treffensein16 und darf den Bereich einer Kosten-stelle nicht übergreifen. Betreffen die zufundierenden Entscheidungen hingegenbeliebige Zeiträume oder beeinflussen sieStrukturen oder Prozesse, so kann dieGrenzplankostenrechnung nicht als Ins-trument zur Unterstützung unternehmeri-scher Entscheidungen eingesetzt wer-den.17 In die Datenbasis für Entscheidun-

gen zeitlich oder sachlich übergreifenderSachverhalte sind Teile der Fixkosten ein-zubeziehen, was die Kostenrechnungs-verantwortlichen oder Controller in denUnternehmen fallweise berücksichtigen.

Zusammenfassend kann die Grenz-plankostenrechnung „als ein auf durch-schnittliche Entscheidungen ausgerichte-tes Kosteninformationssystem“18 klassi-fiziert werden. Dieser Durchschnitt bein-haltet alle kostenstellenbezogenen undvon der Fristigkeit der Grenzplankosten-rechnung abgedeckten Entscheidungen.Für andere Entscheidungen kann dieKostenrechnung als Datenbasis für Son-derrechnungen dienen.

3.5. Fazit: Historischer Beitrag der Grenzplankostenrechnung

Die Herren Plaut, Bonin und Vikas habenmit ihrem Artikel „Grenzplankosten-rechnung und Einzelkostenrechnung“aus dem Jahr 1988 zusammen mit vielenanderen Veröffentlichungen seit Anfangder 1960er-Jahre zur Verbreitung derIdee beigetragen, die Grenzplankosten-rechnung in der kostenrechnerischenPraxis anzuwenden.

Seit Ende des 19. Jahrhunderts wurdenimmer wieder Zweifel am Vollkosten-prinzip in der Kostenrechnung geäußert.19

Die Entwicklung der Grenzplankosten-rechnung war in diesem Zusammenhangein wichtiger Beitrag. Durch diese neueKostenbetrachtung konnten die Probleme,die im Zusammenhang mit einer Vollkos-tenrechnung auftraten, zunächst theore-tisch gelöst werden. Auch in der prakti-schen Anwendung wurde klar, dass zurKostenplanung und Wirtschaftlichkeits-kontrolle eine Vollkostenrechnung nichtausreicht. Unternehmer griffen die Ideender Grenzplankostenrechnung auf, über-trugen Verantwortung auf Kostenstellen-leiter und stellten ihnen ein Instrument zurPlanung und Kostenkontrolle zur Verfü-gung, mit dem auch bestimmte Entschei-dungen gut fundiert werden konnten.

In den 1980er- und 1990er-Jahrenwurde in den Kostenrechnungssytemenvieler Großunternehmen die Grenzplan-kostenrechnung über die Standardsoft-ware von SAP implementiert, welche de-ren Konzept adaptierte und damit zur

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Standardisierung und Verbreitung diesesKostenrechnungsverfahrens erheblich bei-trug. Heute wird dieses Standardsystemweithin angewandt. Im Laufe der Jahrewurde es allerdings von vielen der nut-zenden Unternehmen soweit modifiziert,dass es dem ursprünglichen, aufwändi-gen Konzept der Grenzplankostenrech-nung heute in der Regel nicht mehr folgt.Die Hauptaspekte der Modifizierung fas-sen wir nachfolgend anhand der Kosten-rechnungszwecke zusammen.

In vielen Großunternehmen wurde dasKostenrechnungsverfahren der Grenzplan-kostenrechnung zur Planung und Wirt-schaftlichkeitskontrolle auf Kostenstel-lenebene zugrunde gelegt. Aufgrund desWandels der Steuerungsphilosophie inGroßunternehmen hin zu härteren Vorga-ben wird heute allerdings in vielen Fällentop-down und weniger detailliert geplantals das Konzept der Grenzplankosten-rechnung vorsieht. Insbesondere auf dieaufwändige Kostenspaltung und die ana-lytische Kostenplanung wird in der Regelverzichtet. Auch die Wirtschaftlichkeits-kontrolle wird in einigen Großunter-nehmen nicht auf einem Soll-Ist-Vergleichsondern auf einem Plan-Ist-Vergleich auf-gesetzt, und es wird viel weniger Zeit indie Analyse von Abweichungsursacheninvestiert als es das Konzept der Grenz-plankostenrechnung vorsieht.

Die Kostenträgerergebnisrechnungfast aller Großunternehmen ist dieGrenzplankostenrechnung, ergänzt umdie Fixkosten. Die Vollkosteninforma-tion steht in der Praxis im Vordergrund,Deckungsbeiträge über den proportio-nalen Kosten sind allenfalls Zusatzinfor-mationen. Die Vollkostendaten sind alsAnhaltspunkt für die Preisbildung wich-tig und kostenrechnungsferne Führungs-kräfte bevorzugen die Aussage einesStück-, Produkt- und Geschäftsfeldge-winns nach Deckung der vollen Kosten.

Den Kostenrechnungszweck der Ent-scheidungsfundierung erfüllt die Grenz-plankostenrechnung eingeschränkt aufsolche Entscheidungen, die lediglich eineKostenstelle und den Zeitraum von sechsbis zwölf Monaten betreffen und die dieKapazität nicht verändern. Gehen Ent-scheidungen darüber hinaus oder ändern

sich Strukturen oder Prozesse, so sindSonderrechnungen erforderlich.

Somit findet sich heute in vielen Groß-unternehmen eine vereinfachte und ein-geschränkt angewandte Grenzplankosten-rechnung, ergänzt um Vollkostendaten.Für Entscheidungen werden oft Sonder-rechnungen erstellt. Insbesondere fürhöhere Management-Ebenen ist dieKostenrechnung nur in geringem Maßerelevant. Ob dies auch zukünftig Bestandhaben wird und wie wichtig eine Kos-tenrechnung für ein Unternehmen in derZukunft sein wird, wollen wir abschlie-ßend erörtern.

4. Ausblick: Relevanz der Kostenrechnung in der Zukunft

4.1. Erfordernis der Kostenrechnung zur Planung und zum Ergebnis- ausweis quasi-unternehme- rischer Einheiten in Großunter-nehmen

Die Führungsaufgabe in großen Unter-nehmen, die auf verschiedenen Geschäfts-feldern tätig sind, muss auf eine Vielzahlvon Führungskräften verteilt werden. Je-de einzelne Führungskraft ist in einemabgegrenzten Unternehmens-, Geschäfts-oder Produktbereich quasi-unternehme-risch verantwortlich für die Qualität derLeistungen und die Effizienz der Kosten.Durch eine anreizkompatible Gestaltungder Messgrößen für den Erfolg soll eineviel zu aufwändige Überprüfung der Ak-tivitäten im Einzelnen überflüssig ge-macht werden.20 Für den Verantwor-tungsbereich wird ein Ergebnis ausgewie-sen, das auch geplant wird. Die Planungist erforderlich, um das später erzielte Er-gebnis zu bewerten und um das Ergebnisdes Gesamtunternehmens planen und an-steuern zu können. Da die Finanzbuch-haltung keine Verantwortungsteilbereicheinnerhalb einer Legaleinheit abgrenzt, isteine Kostenrechnung erforderlich, um dieKosten und die Erlöse auf die Verantwor-tungsbereiche zuzurechnen, die sich wie-derum aus Kostenstellen oder Knotenkos-tenstellen zusammensetzen. Zur Kosten-zurechnung ist eine Vollkostenrechnung

Abraham-Lincoln-Str. 4665189 Wiesbaden Tel: 06 1178 78-626 Fax: 06 1178 78-420www.gabler.de

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State-of-the-Art der Unternehmens-bewertung

State-of-the-Art der Unternehmens-bewertung

Manfred Jürgen Matschke/Gerrit Brösel

UnternehmensbewertungFunktionen – Methoden – Grundsätze2005. XXXII, 713 S. Geb. EUR 44,90ISBN 3-8349-0012-5

Inhalt: Grundlagen – Entscheidungs-funktion und Entscheidungswert –Vermittlungsfunktion und Arbitrium-wert – Argumentationsfunktion undArgumentationswert – Grundsätze derUnternehmensbewertung

Die Autoren: Prof. Dr. Manfred JürgenMatschke ist Inhaber des Lehrstuhls fürAllgemeine Betriebswirtschaftslehreund Betriebliche Finanzwirtschaft, ins-besondere Unternehmensbewertungan der Ernst-Moritz-Arndt-UniversitätGreifswald.Dr. Gerrit Brösel ist Habilitand und Wis-senschaftlicher Assistent am Fachge-biet Rechnungswesen/Controlling derTechnischen Universität Ilmenau. Siehe auch:www.konvergenz-management.com.

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ZfCM | Controlling & Management | Sonderheft 1›200692 Cordes/Holzwarth

sinnvoll, da jeder Quasi-Unternehmerlangfristig auch einen Anteil der über-greifenden Gemeinkosten zu decken hat.

Nur durch die Bildung vieler kleinerGesellschaften als eigene Legaleinheitenmit eigenen Finanzbuchhaltungen wäreeine Kostenrechnung verzichtbar. Derdafür anfallende buchhalterische Auf-wand und der Aufwand der gegenseitigenLeistungsverrechnung wäre allerdingsgrößer als der Aufwand, eine – wie auchimmer gestaltete – Kostenrechnung zubetreiben.

4.2. Erfordernis der Kostenrechnung zur Produktkalkulation

Für die Produkte oder Leistungen einesUnternehmens gibt es im Fall von Stan-dardgütern einen Marktpreis und im Fallvergleichbarer Güter eine Marktpreis-spanne. Das Unternehmen muss die Ent-scheidung treffen, Produkte oder Leis-tungen zu gegebenem Marktpreis anzu-bieten oder diese so günstig herzustellen,dass ein Verkauf zum Marktpreis einenpositiven Ergebnisbeitrag leistet. Um daszu prüfen, ist eine Kalkulation der Kostendes Produktes oder der Leistung unver-zichtbar. Eine Plankalkulation hilft beider Entscheidung über einen Marktein-oder -austritt. Die Plankostenkalkulationkann als Zielkostenvorgabe im Rahmeneines Target costing die Gestaltung desProdukts und der Produktionsprozessebestimmen. Eine Istkalkulation gibt Hin-weise auf den Ergebnisbeitrag einesProdukts und möglichen Kostensen-kungsbedarf.

Der Markt gibt keine preislichen An-haltspunkte für individuelle und kom-plexe Produkte oder Leistungen; einMusterbeispiel ist der Anlagenbau. Gibtes keinen Marktpreis, so kann ein Ange-botspreis nur über eine Plankalkulationermittelt werden, zumindest dann, wenndie erwartete Marge so eng ist, dass einegrobe Kostenabschätzung nicht aus-reicht. Dabei wird davon ausgegangen,dass die Voll- oder aber mindestens allevariablen und auftragsfixen Teilkostengedeckt werden sollen. Der Preis oderzumindest die Preisuntergrenze werdendurch Kostenaddition plus Risiko- undGewinnzuschlag ermittelt.

In beiden Fällen liefert eine Kostenträ-gerrechnung in Form einer stufenweisenDeckungsbeitragsrechnung den idealenUmfang an Informationen. Die variablenKosten zeigen an, wann die Preisunter-grenze erreicht ist, an der spätestens übereinen Marktaustritt oder über Kostenan-passungen nachgedacht werden muss.Die vollen Kosten, am besten unterteiltnach Fixkostenstufen, zeigen der Praxisbei normaler Auslastung an, ob ein Pro-dukt in der Lage ist, die von ihm lang-fristig verursachten Gemeinkosten (beiallen Schwierigkeiten und Willkürlich-keiten der Zuschlüsselung von Gemein-kosten) anteilig zu decken. Das Zurech-nen der Kosten auf die Kostenträger istein klassischer Zweck der Kostenrech-nung, der durch keine andere Unterneh-mensrechnung erfüllt werden kann.21

4.3. Erfordernis der Kostenrechnung zur Sichtbarmachung von Pro-zesskosten

In der Mitte des 20. Jahrhunderts standdie Fertigung und Vermarktung von Pro-dukten und Leistungen im Zentrum derbetriebswirtschaftlichen Rechnung. ZumEnde des 20. Jahrhunderts wurde es vomprozessbezogenen Denken schrittweiseabgelöst. Das prozessbezogene Denkenorientiert sich an Kunden und an Aufga-ben sowie an den übergreifenden Prozes-sen der Leistungserstellung, die sich übermehrere Verantwortungsbereiche im Un-ternehmen erstrecken.

Die Grenzplankostenrechnung wieauch andere Kostenrechnungskonzeptebeschäftigen sich mit der Kostenstelle alsdem Ort der Kostenentstehung. Die Pro-zesskostenrechnung hingegen rückt Akti-vitäten innerhalb der Kostenstellen, wel-che sich über mehrere Kostenstellen hin-weg zu Prozessen zusammenfügen, in denFokus22. Dem prozessbezogenen Denkenfolgend sind Prozesse eine wichtige (zu-sätzliche) Dimension der Abbildung vonVerantwortung und demnach von Kos-ten. Denn durch Aktivitäten und Prozes-se werden Leistungen erstellt und Kun-denprobleme gelöst. Der Ausweis vonAktivitäten in den Gemeinkostenberei-chen und die Zurechnung von Kosten aufdiese ermöglicht, die Effizienz der Akti-

vitäten und der übergreifenden Prozessezu messen und zu steuern. Die Aufmerk-samkeit des Managements richtet sichauf die Prozesse und rückt diese als Ob-jekt der Optimierung in den Mittelpunkt.

Die Prozesskostenrechnung bildet dieAktivitäten in den indirekten Bereichendifferenzierter ab und legt damit auch dieBasis für eine differenziertere Kalkulationder Kosten, die aus diesen Bereichen inAnspruch genommen werden. Damit istdie Kalkulation näher an der Verursa-chung von Gemeinkosten als die tradi-tionelle Zuschlagskalkulation. Auf dieserBasis können „langfristige Entscheidun-gen über Sortimente, Produktionsver-fahren und das relative Preisgefüge fun-diert werden“23.

In vielen deutschen Großunternehmengibt es deshalb neben der Kostenstellen-und Kostenträgerrechnung eine Prozess-kostenrechnung, die zumeist die vollenKosten in der Prozessdimension zeigt,teilweise in variable und fixe Kosten auf-gespalten. Sie stellt eine Brücke zwischender Kostenstellenrechnung und der Kos-tenträgerrechnung dar.

4.4. Erfordernis der Kostenrechnung zur Datenbereitstellung für das externe Reporting

Seit sich die Rechnungslegung nach IFRSin den deutschen Großunternehmen raschdurchgesetzt hat, gewinnt die Kosten-rechnung eine weitere Aufgabe, für diesie unverzichtbar ist. In der Regel bildendie Stammhäuser oder die Muttergesell-schaften von Großunternehmen legal eineEinheit, sind jedoch marktseitig in meh-reren Geschäftsfeldern tätig, die als Seg-mente separat zu reporten sind. In diesemFall reicht die Finanzbuchhaltung nichtaus, um alle erforderlichen Daten für dieSegmentabschlüsse bereitzustellen. DieKostenrechnung wird zunächst benötigt,um die Kosten getrennt nach den Seg-menten zu erfassen. Des Weiteren kannnur die Kostenrechnung Leistungsbezie-hungen zwischen den Segmenten über ei-ne interne Leistungsverrechnung abbil-den. Darüber hinaus teilt die Kostenrech-nung segmentübergreifende Gemeinkos-ten entweder auf oder verrechnet auchdiese über eine interne Verrechnung von

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Service- oder Führungsleistungen an dieeinzelnen Segmente. Und da in Gewinn-und Verlustrechnungen Vollkostenansät-ze gefordert sind, ist eine Vollkostenrech-nung zwingend erforderlich, um einetragfähige Basis für die Quartals- oderJahresabschlüsse zu bilden.

Infolge der Datenlieferung für dasexterne Reporting wird die interne Kos-tenrechnung in den Großunternehmenzukünftig mehr und mehr durch dieRichtlinien der internationalen Bilanzie-rung geprägt werden und sich im Zeit-ablauf mit diesen auch verändern. Zumeinen fordert das Top-Management derUnternehmen selbst einen Gleichklangoder gar eine Identität der internen Datenzur Steuerung des Unternehmens mit denexternen Daten, die es gegenüber demKapitalmarkt vertreten muss. Zum ande-ren fordern die Bilanzierungsrichtlinien,das externe Reporting genau auf den In-formationen aufzubauen, mit denen dieUnternehmen intern gesteuert werden.Bereits heute ist der Einfluss der IFRS-Re-gelungen so groß, dass in der Unterneh-menspraxis die interne Kostenrechnunghäufig in die Prüfung durch die Wirt-schaftsprüfer einbezogen wird. Gleichzei-tig gilt die externe Rechnungslegung alshinreichend verifizierte Informations-grundlage für interne Entscheidungen,welche allenfalls noch für die jeweiligenEntscheidungsobjekte durch Kostenspal-tungen oder Verrechnungsmodi anzupas-sen ist24 – was die klassischen Methodender Kostenrechnung sind.

Anmerkungen1 Plaut, H. G./Bonin, A./Vikas, K. (1988),

S. 92 vgl. Kilger, W. (1988), S.903 vgl. ausführlich zum Begriff der Grundrech-

nung Riebel, P. (1979)4 vgl. Holzwarth, J. (1993), S.1605 Weber, J./Weißenberger, B. E. (2002), S.5006 vgl. Kilger, W. (1988), Vorwort7 vgl. Plaut, H. G./Bonin, A./Vikas, K. (1988),

S.108 Kilger, W. (1988), S.6649 vgl. Plaut, H. G./Bonin, A./Vikas, K. (1988),

S.1110 vgl. Kilger, W. (1988), S.358 ff.11 Plaut, H. G./Bonin, A./Vikas, K. (1988), S.1112 Kilger, W. (1988), S.361

13 vgl. ausführlich zum Begriff Aghte, K. (1959)14 vgl. Plaut, H. G./Bonin, A./Vikas, K. (1988),

S.12 ff.15 vgl. Plaut, H. G./Bonin, A./Vikas, K. (1988),

S.12 ff.16 vgl. Kilger, W. (1988), S.7317 vgl. Bungenstock, C. (1995), S.17718 Bungenstock, C. (1995), S.18619 erstmalig in Schmalenbach, E. (1899)20 vgl. Weißenberger, B. E. (2004), S.1521 vgl. Holzwarth, J. (1990), S.12822 vgl. Scheld, G.A. (2001), S.35423 Holzwarth, J. (1990), S.36824 vgl. Weißenberger, B.E. (2004), S.14

LiteraturAGHTE, K. (1959): Stufenweise Fixkostende-ckungsrechnung im System des Direct Costing,in: Zeitschrift für Betriebswirtschaft, 29.Jg.,1959, S.404–418BUNGENSTOCK, C. (1995): Entscheidungsorien-tierte Kostenrechnungssysteme – Eine entwick-lungstechnische Analyse, Wiesbaden 1995HOLZWARTH, J. (1990): Wie Sie aus IhremKostenrechnungssystem eine Prozesskostenrech-nung ableiten, in: Kostenrechnungspraxis Zeit-schrift für Controlling 6/90, S.368–371HOLZWARTH, J. (1993): Strategische Kosten-rechnung? Zum Bedarf an einer modifiziertenKostenrechnung für die Bewertung der Alternati-ven strategischer Entscheidungen, Stuttgart 1993KILGER, W. (1988): Flexible Plankostenrechnungund Deckungsbeitragsrechnung, 9., verbesserteAuflage, Wiesbaden 1988PLAUT, H. G./BONIN, A./VIKAS, K. (1988): Grenz-plankostenrechnung und Einzelkostenrechnung,in: Kostenrechnungspraxis Zeitschrift für Con-trolling 1/88, S.9–15RIEBEL, P. (1979): Zum Konzept einer zweck-neutralen Grundrechnung, in: Zeitschrift für be-triebswirtschaftliche Forschung, 31. Jg. (1979), S.785–798SCHELD, G.A. (2001): Kosten- und Leistungs-rechnung für KMU’s, in: Controller Magazin,2001, S.348–356SCHMALENBACH, E. (1899): Buchführung undKalkulation im Fabrikgeschäft, in: Deutsche Me-tall-Industrie-Zeitung, 15. Jg. (1899), S.98–172WEBER, J./WEIßENBERGER, B. E. (2002): Ein-führung in das Rechnungswesen: Kostenrechungund Bilanzierung, 6. völlig neu bearbeitete Auf-lage, Stuttgart 2002WEIßENBERGER, B.E. (2004): Theoretische Grund-lagen der Erfolgsmessung im Controlling, in:Controlling – Theorien und Konzeptionen,hrsg. von Ewald Scherm und Gotthard Pietsch,München: Vahlen, 2004, S.289–314

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Norbert Thom /Adrian Ritz

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3., überarb. u. erw. Aufl. 2006. XVI, 451 S. (uniscope. Die SGO-Stiftung für praxisnahe Management-forschung)Geb. EUR 49,90ISBN 3-8349-0096-6

Nach einem Überblick über die internationale Entwicklung des Re-formprozesses wird der Beitragdes wandlungsunterstützendenPersonalmanagements, der organi-satorischen Gestaltung und des Innovationsmanagements zurerfolgreichen Bewältigung des Stra-tegie-, Struktur- und Kulturwan-dels dargestellt. Fallstudien bieteneine praxisnahe Hilfestellung zurUmsetzung.