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Standortporträt Nagold 2009

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In Nagold scheint alles rund zu laufen – nicht nur, wenn Gastronom Gino in seiner Küche mit Tomaten jongliert. Eine kleine Geschichte über Nagolder Gewerbegeist, protestantische Ethik, italienische Küche und Hobelbänke

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econo 12/2009 · 27. November 2009 Foto: Jigal Fichtner

„Kochen ist Kunst undKommunikation“, sagt derNagolder Italiener Gino

70 Politik • Standort Nagold

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Nagold hat der Diplom­SoziologePrewo seinen Experimentierkas­ten gefunden“, erinnert sich Raafschmunzelnd.Prewos Nachfolger ist Jürgen

Großmann. Auch er verfolgt wei­ter das Ziel Kaufhaus Innenstadt.Großmann denkt weit voraus.

Für ihn ist das selbstverständlich.„Ein Oberbürgermeister hat eineFührungsaufgabe. Zusammen mitseiner Stadt muss er zehn Jahrevorausdenken und sich immer fra­gen, wo die Stadt in Zukunft ste­hen soll.“ Seiner Meinung nachtun das jedoch die wenigsten, sindzu sehr mit aktuellen Problemenbeschäftigt und verlieren darüberdie nächsten Schritte aus den Au­gen. „Sicher, die Kommunalpolitikbraucht pragmatisches Handeln,aber eben auch Visionen.“Diese Weitsicht erwartet der

Oberbürgermeister ebenfalls vonseinen Mitarbeitern. „Ich sage ih­nen immer: ,Hobeln Sie!‘ Mir istes lieber, wenn der Hobel

einem schönen Wein zu sitzenund zu diskutieren.“Ja, die Nagolder sind Genuss­

menschen. Genussmenschen undgroße Freunde des Gedankenaus­tauschs. „Bei uns werden Ideenüber alle Fraktionen hinweg undohne Standesdünkel entwickelt“,erzählt Helmut Raaf. Der Schuh­kaufmann ist Vorsitzender desCity­Vereins Nagold, der das Na­golder City­Commitment auf dieBeine gestellt hat. Diesen Kriterienhaben sich die Nagolder Händlerverpflichtet. Über das sogenannteKaufhaus Innenstadt hält Raafdeutschlandweit Vorträge. DieIdee, die komplette Innenstadt mitihren unterschiedlichsten Geschäf­ten dem Einkäufer als ein geschlos­senes Ganzes zu präsentieren,kommt an.Aber warum funktioniert ein

solches Konzept gerade in der22570­Einwohner­Stadt? „Es istdie Mischung des NagolderGewerbegeists und der protestan­

Heute werden die Oliven­bäume abgeholt, die seitdem Frühjahr den Eingang

der Nagolder Ostaria Da Ginoschmücken. Es wird Zeit; im höhergelegenen Industriegebiet Wolfs­berg ist der erste Schnee gefallen.Seine Olivenbäume sind Gino,

Besitzer, Chefkoch und Seele deskleinen Fleckchens Italien mittenim Schwarzwald, wichtig. Seit1986 führt er – seinen vollständi­gen Namen, Schilirò Biagio, ken­nen nur die wenigsten – seineOstaria in einer ehemaligen Bäcke­rei in Nagold. Der Türgriff in Formeiner Brezel zeugt noch immer vonder Vergangenheit der Räume. Sol­che Details bedeuten dem Italienernichts. Im Da Gino geht es um gu­tes Essen. Und Kommunikation.„Ob Künstler, Unternehmer oder

Pfarrer: Zu mir kommen die Men­schen, um ein paar Stunden Italienzu erleben“, erzählt der fröhlicheMann, der immer zu lächelnscheint. „Sie genießen es, hier bei

In Nagold scheint alles rund zu laufen – nicht nur, wenn Gastronom Gino

in seiner Küche mit Tomaten jongliert. Eine kleine Geschichte über

Nagolder Gewerbegeist, protestantische Ethik, italienische Küche und Hobelbänke

Nagoldissimo!

Einwohner 22 570davon Ausländer 2844Haushalte 9635Kaufkraftkennziffer 105

BeschäftigungBeschäftigte 9180davon produz. Gewerbe 3058Dienstleister 2852Handel/Gastgewerbe/Verkehr 3266

Beschäftigte auf 1000 Einwohner 407Einpendler 5837Auspendler 4841Arbeitslosenquote 4,7 %

SteuernGewerbesteuer 350Grundsteuer A 380Grundsteuer B 400Steuerkraft/Einw. 910

Gewerbeflächen 166 Hektarfreie Flächen 21 Hektarin Planung 46 HektarPreis/Quadratmeter 66-70 Euro

Gemeindeschuldenstandgesamt 5 507 000 Euroje Einwohner 243 Euro

Übernachtungen 30 478

VerkehrsinfrastrukturAutobahnzubringer A 81, AnschlussstelleRottenburg, Fahrzeit: 10 MinutenB 28 (Herrenberg-Freudenstadt)B 463 (Pforzheim-Horb)Nagoldtalbahn zur IC-/ICE-Anbindungin Pforzheim und HorbÖPNV: getaktete Anbindungan ÖPNV StuttgartFlughafen Stuttgart [40 Minuten/54 km]

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tischen Ethik“, philosophiert Raaf.„Aber natürlich sind wir auch offenfür Gewerbetreibende, die neunach Nagold kommen. Ohnefrischen Wind gäbe es keine Inno­vationen.“Gino hat seine ganz eigene Er­

klärung für das Engagement derNagolder. „So etwas entsteht nur,wenn Visionäre zusammensitzen.Und die benötigen die richtige At­mosphäre.“Natürlich beteiligt sich auch

Gino als Gastronom am City Com­mitment. „Wir Unternehmer müs­sen uns um unser Tagesgeschäftkümmern, da bleibt manchmalkeine Zeit für das Drumherum“,sagt er. „Das City Commitmentsieht das große Ganze, hält uns indiesen Dingen den Rücken frei,damit wir unsere eigentliche Ar­beit gut machen können.“Die Idee zum Kaufhaus Innen­

stadt hatte Dr. Rainer Prewo, dervon 1992 bis 2008 Oberbürger­meister der Stadt Nagold war. „In

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einmal herunterfällt, als dasser erst gar nicht in die Hand ge­nommen wird.“Und gehobelt wird in Nagold mit

Leidenschaft. Zum Beispiel wennes darum geht, den Service für an­sässige und potenzielle Unterneh­men in Nagold zu verbessern. Dascheuen die Verwaltungsangestell­ten auch keine Mehr­Arbeit.Die Stadt Nagold ist seit 2007

nach dem RAL­Gütezeichen „Mit­telstandsorientierte Kommunalver­waltung“ zertifiziert. Im Rahmendieses Gütezeichens gibt die Stadt­verwaltung mittelständischen Un­ternehmen verschiedene Service­versprechen, unter anderem eineAntwort­Mail spätestens am nächs­ten Arbeitstag nach einer einge­gangenen Mail­Anfrage, eine Re­aktion auf Beschwerden innerhalbvon drei Arbeitstagen, die Bearbei­tung von Bauanträgen innerhalbvon 40 Arbeitstagen. Wirtschafts­förderer Hagen Breitling grinst:„Dieses Versprechen hat bei einemansiedlungsinteressierten Unter­nehmer zumindest schon einmalfür ein überraschtes Gesicht undeinen kurzen Eintrag in sein No­tizbuch gesorgt.“

Nagold ist Gründungsmitgliedder Gütegemeinschaft Mittelstands­orientierte Kommunalverwaltung.„Wir sind vom Potenzial dieser Gü­teprüfung absolut überzeugt“, sagtJürgen Großmann. „Daher bringenwir uns auch in der bundesweitaufgestellten RAL­Gütegemein­

schaft sehr stark ein, um die Prüf­kriterien stetig weiterzuentwickelnund Erfahrungen mit den ebenfallszertifizierten Kommunen aus ganzDeutschland auszutauschen.“Doch Nagolds Oberbürgermeis­

ter weiß, dass ein Gütezeichenallein nicht reicht, um Firmen undFachkräfte nach Nagold zu locken.„Die Menschen ziehen dorthin, woes Arbeitsplätze, Bildungs­ undBetreuungsangebote gibt“, istGroßmann überzeugt. Diese Ver­bindung bezeichnet er als „Kom­munale Wirtschaftskette“.Dazu gehört für Großmann

auch der Öffentliche Personennah­

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verkehr. Die ersten Schritte zurVerbesserung des ÖPNV sind be­reits getan: Spätestens zum Fahr­planwechsel auf das Jahr 2012 solldie Kulturbahn an vier Stellen inNagold halten.In Sachen S­Bahn­Anschluss

Richtung Stuttgart ist man da in

Nagold noch längst nicht so weit.„Er muss kommen“, sagt Groß­mann mit Nachdruck, wenn erhier jedoch auch Schwierigkeitenhat, sich auf einen Zeitraum fest­zulegen. „Wenn Stuttgart europä­ische Metropolregion werden will,muss sie das Umland eng an sichbinden und die Vernetzung mitden Rändern massiv verstärken“,argumentiert der 47­Jährige.Neben der Stärkung des ÖPNV

vernachlässigt man in Nagold auchdie Zielgruppe der Autofahrernicht. Der Gemeinderat hat einerParkraumkonzeption zur Vergrö­ßerung der Parkplatzanzahl bereits

zugestimmt, auch im Hinblick aufdie Landesgartenschau 2012. Hierrechnet die Stadt mit einem Bedarfan 800 bis 1000 Stellplätzen anWochentagen sowie 2000 an Sonn­und Feiertagen.Öffentliche Verkehrsmittel,

Parkplätze…Nach Visionen klingtdas nicht gerade. Aber das istlängst nicht alles, was den Kreati­ven von Nagold im Kopf herum­schwirrt.Konkret plant man ein stadtei­

gene Breitbandverbindung, dasNagold Net. Im Frühjahr soll dazueine Entscheidung fallen. „JungeFamilien fragen längst nicht mehrnach Wasser­ und Gasanschluss“,weiß Großmann. „Breitband istdie Autobahn der Zukunft.“Großmann hat weitreichende

Pläne für die Stadt an der Nagold,beispielsweise denkt er über eineautarke Energieversorgung nach.Aber das sind Pläne, die sichernoch bis übermorgen warten müs­sen. Der Oberbürgermeister istsicher: „Die Städte werden in Zu­kunft die Motoren der landeswei­ten Entwicklung sein.“

Natalie [email protected]

73Standort Nagold • Politik

„Ich sage meinen Mitarbeiter immer:,Hobeln Sie!‘“

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Seit einem Jahr ist Jürgen Großmann

Oberbürgermeister in Nagold.

Wichtigstes Datum in seiner Amtszeit:

die Landesgartenschau 2012

Mit SelbstbewusstseinNein, verstecken muss sich

Nagold ganz sicher nicht,auch nicht hinter größe­

ren Städten. Schließlich hat dasSchwarzwald­Städtchen mit demKaufhaus Innenstadt, dem RAL­Gütezeichen und der Landesgar­tenschau 2012 schon etwas vorzu­weisen. Dass Nagold aber nochjede Menge Potenzial und genau­so viele Pläne für die Zukunft hat,erzählt Oberbürgermeister JürgenGroßmann im Econo­Interview.Herr Großmann, Sie sind nunein Jahr als Nagolds Stadtober-haupt im Amt. Wie haben Siedieses Jahr erlebt?➤ Jürgen Großmann: Das Jahrwar sehr arbeitsintensiv und ge­prägt von vielen, vielen freundli­chen und guten Begegnungen.Mein wichtigstes Anliegen war,dass der Ball nach dem Spieler­wechsel im Feld bleibt. Und ichglaube, dass mir das gelungen ist.Die bedeutendsten Themen wur­den nahtlos fortgeführt.Nagold liegt an der Schnittstelleder Regionen Stuttgart, Nord-schwarzwald und Neckar-Alb. Istdiese Lage Fluch oder Segen?

➤ Großmann: Sie istganz eindeutig

ein Se­

gen. Obwohl Nagold nahe an Wirt­schaftszentren wie Böblingen/Sin­delfingen oder Reutlingen/Tübin­gen liegt, weist die Stadt einenEinpendlerüberschuss von 21 Pro­zent aus. Auch wenn wir der Regi­on Nordschwarzwald angehörenund uns hier auch stark einbringen,fühlen wir uns der MetropolregionStuttgart zugehörig. Das Industrie­gebiet INGpark ist da der symboli­sche Brückenkopf. Unsere Wirt­schaft kennt diesbezüglich schonlängst keine Bezirksgrenzen mehr.Die Kulturbahn stoppt ab 2012an vier Haltepunkten in Nagold.➤ Großmann: Ja, diese Halte­punkte verbessern in erheblichemMaße die Anbindung des Stadt­zentrums an den überregionalenÖPNV. Das erhöht die Optionenfür einen mobilen Stadtbesuch.Besonders der neue HaltepunktStadtmitte ist ein Anreiz für Men­schen außerhalb Nagolds, unserKaufhaus Innenstadt bequem undumweltschonend zu besuchen.Wie wichtig ist die Anbindungnach außen?➤ Großmann:Die Anbindung istdas erste Maß, mit dem gemessenwird, wenn sich Menschen, so­wohl Unternehmer als auch Bür­ger, nach einem Standort mit Zu­kunft umschauen. Nagold hat hierin den letzten Jahren sukzessivean einer Verbesserung des Ange­bots gearbeitet. Mit Erfolg, wieder direkte Zubringer zur A81,Anschlussstelle Rottenburg, zeigt.Es hat zwar zwanzig Jahre gedau­ert, aber mit Hartnäckigkeit habenwir unser Ziel erreicht. Und 2011stehen nach langem Ringen auchdie Umfahrungen von Herrenbergund Jettingen, also die B28 Rich­tung AutobahnanschlussstelleGärtringen, vor dem Abschluss.Ziehen die Anbindungen mehrBesucher in die Stadt oder mehrNagolder in die Ferne?➤ Großmann: Wir betrachtendie unbegrenzten und unkompli­

Foto: Michael Bode

74 Politik • Standort Nagold

Jürgen Großmann ist seiteinem Jahr Oberbürgermeis-ter in Nagold. Zuvor war erBürgermeister der 15 Kilome-ter entfernten Stadt Alten-steig. Der 47-Jährige ist ver-heiratet und hat keine Kinder.Vor seiner politischen Karrie-re war der studierte Jurist alsRechtsanwalt tätig.

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zierten Anbindungsmöglichkei­ten eindeutig als Gewinn. Dawir zudem inzwischen genü­gend Anreize in Nagold haben,sehen wir eine optimale Verbin­dung in andere Metropolen alsHerausforderung, uns mit die­sen Standorten zu messen.Wie rüstet sich die Stadt fürden demografischen Wandel?➤ Großmann: Die Landesgar­tenschau 2012 bietet uns hiereine große Chance für eine um­fassende Neuorientierung beider Entwicklung von innen­stadtnahen Wohnflächen. Eswird ein Angebot für altersge­rechte Wohnungen geben, mitallen Anforderungen, die dieseZielgruppe verlangt.Durch die Landesgartenschau2012 entwickeln sich zweivöllig neue Stadtquartiere inNagold. Dazwischen steht dieInnenstadt. Muss auch siesich verändern?➤ Großmann:Wir betrachtendie Innenstadt mit ihren vielfäl­tigen Reizen als drittes Ausstel­lungsgelände, das die Besuchergenießen sollen. Unser City­Verein wird sich in Zusammen­arbeit mit der Stadt, dem orga­nisierten Einzelhandel und derLGS GmbH in den nächstenMonaten zusammensetzen,denn die Weiterentwicklungder Innenstadt ist auch über2012 hinaus von großer Bedeu­tung für Nagold.Bei Ihrem Antritt sagten Sie,„Nagold kann Mut zur Zukunfthaben.“ Würden Sie das heuteauch noch sagen?➤ Großmann: Ja, das würdeich jederzeit wiederholen unddas tue ich auch!Mit der Landes­gartenschau 2012 geht die Stadtauf ein Jahrhundertereignis zu.Das ist eine einmalige Chancefür Nagold. Die Marke Nagoldwird weiter an Bedeutung ge­winnen! Natalie Butz

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econo 12/2009 · 27. November 2009 Fotos: Jigal Fichtner

Wolfgang Endrich ist ent­setzt. „Nagold verlas­sen?“ Die Frage findet

der Nagolder Unternehmer absurd.„Warum sollte ich das tun? Nagoldist doch meine Heimat.“1969 kommt Endrich aus Stutt­

gart nach Nagold, um hier zu ar­beiten. Als sein Arbeitgeber Insol­venz anmeldet und die Firmaschließt, bleibt er und macht sichselbstständig. Er gründet den End­rich Bauelemente Vertrieb. Heutevermarktet das Unternehmen elek­tromechanische Bauteile im Be­reich aktiver, passiver und elektro­nischer Bauteile. Knapp 120 Ange­stellte beschäftigt Endrich, davonneun Auszubildende sowie jeweilszwölf Außendienstmitarbeiterdeutschland­ und weltweit.Gerade hat der umtriebige Ge­

schäftsführer ein weiteres Unter­nehmen gegründet, die Euro Ligh­ting. Endrich ist 73.„Warum denn nicht?“ Schon

wieder wundert sich der Mann,

Bodenschätze hat Nagold nicht zu bieten, auch keine Cluster-Ansiedlungen. Und doch:

Mit einer kräftigen Portion Mut packen die Nagolder zu und sind dabei äußerst erfolgreich

DerMut vonNagold

76 Politik • Standort Nagold

der täglich vier Zigarren raucht.„So etwas hält mich jung! Als Rent­ner würde ich bestimmt ganzschnell trübsinnig werden. Undirgendeine Alibi­Tätigkeit im hei­mischen Garten – das ist dochfurchtbar.“

Endrich glaubt fest an die Zu­kunft der Euro Lighting, die sichauf den Vertrieb von LED­Lampen,unter anderem für Straßenlater­nen, spezialisiert hat. Aktuell hatdas Jungunternehmen nur zweiMitarbeiter, Wolfgang Endrich undeinen Ingenieur. Doch der 73­Jährige ist zuversichtlich. „Da er­wartet uns ein riesiger Markt.“Schon in einem Jahr, ist Endrichganz sicher, wird die Euro Lightingzehn Angestellte haben.

Sorgen macht sich der Ge­schäftsmann keine. Auch nichtdarum, Fachkräfte für seine beidenBetriebe nach Nagold zu locken.„Schon jetzt sind die meisten unse­rer Arbeiter nicht von hier. Nagoldist eine aufstrebende Mittelstadt

mit hohem Freizeitwert und guterAnbindung nach außen. Da ist esnicht schwer, Fachleute von denQualitäten zu überzeugen.“Mut und Selbstbewusstsein

scheint in Nagold in der Luft zuliegen, das beweisen auch RalfBommer und Thomas Eisseler, diebeiden Geschäftsführer der WagonAutomotive Nagold.

Schon im Sommer 2008 zeich­net sich die Insolvenz des briti­schen Mutterkonzerns Wagon

PLC ab. Beinahe ohne Zögern ent­scheiden Bommer und Eisseler:„Wir stellen den Betrieb auf eigeneBeine.“ Sie gründen die B&E Be­sitzgesellschaft und holen sichdie Tiberina­Gruppe, einen großenitalienischen Automobilzulieferer,als strategischen Partner ins Boot.Der Grund für das Handeln der

beiden gebürtigen Nordschwarz­wälder: Die Verantwortung gegen­über den derzeit 440 Mitarbeitern.Wagon Automotive Nagold ist hierder zweitgrößte Arbeitgeber. „Undnach zehn beziehungsweise zwölfJahren Betriebszugehörigkeit istdas Unternehmen schon irgend­wie zu unserem Kind geworden“,schmunzelt Bommer.Bommer und Eisseler sind zu­

versichtlich, dass es Wagon Auto­motive Nagold schon bald wiederrichtig gut gehen wird. Pläne fürdie Zukunft haben die beiden Ge­schäftsführer jedenfalls schon: DieUnternehmenserweiterung, dieaufgrund der Insolvenz der briti­

„Irgendeine Alibi-Tätigkeit im heimischenGarten – das ist doch furchtbar“

Mut, Teil 1: Ralf Bommer (r.) undThomas Eisseler rettetenWagonAutomotive vor der Insolvenz

Mut, Teil 2: Wolfgang Endrichgründet mit 73 Jahrennoch einmal ein Unternehmen

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Uscil dolesequatum doloboreet prat.Sequat. ein kleiner zexter Industrie- und Handelskammer

Nordschwarzwald

NagoldIHK Geschäftsstelle Nagold

Lise-Meitner-Straße 23 | 72202 Nagold |Tel. 07452 9301 12 | Fax 9301 [email protected] |www.nordschwarzwald.ihk24.de

IHK Zentrum für Weiterbildung

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schen Mutter 2008 auf Eis gelegt wordenwar, soll im kommenden Jahr fortgesetztund abgeschlossen werden.„Ja, das kann ich mir vorstellen“, denkt

sich auch Barbara Benz, als sie das Einrich­tungshaus Architare gründet. Das Gebäudegehört ihrer Familie, darin war das Möbel­haus Ambiente. Die Besitzer möchten dasGeschäft aus Altersgründen aufgeben. Daerinnert sich Barbara Benz, Tochter vonRolf Benz, an die Ursprünge ihrer Familie.Doch Möbel verkaufen allein reicht derFrau nicht, die eigentlich BWL und Pro­duktmanagement studiert hat. Sie möchtesich um das Gesamtkonzept eines Raumeskümmern. „Einrichten ist das Einfühlen inLebenszusammenhänge“, schwärmt sieüber ihren Beruf. Zu ihren Kunden gehö­ren Arburg, Porsche, IBM, die BW­Bankund der Reichspräsidentenpalast in Berlin.Aber kann so ein Konzept in Nagold funk­

tionieren? Mit ausschließlich designorien­tierten europäischen Möbelherstellern imVerkauf? Barbara Benz ist überzeugt: Eskann. „Nagold ist eineMöbelstadt. Ich kannvon hier aus sehr gut deutschlandweit ar­beiten.“Warum auch nicht? DieMöbel von

Rolf Benz undWalter Knoll werden aus derRegion in die ganze Welt geliefert.Die beiden Cousins Dr. Christof Muz und

Oliver Muz haben ihre Wurzeln nicht inNagold. Der Vater von Christof Muz warMitbegründer des Medizintechnikzuliefe­rers Nicolay. Die beiden anderen Gründer,Bernd und Rainer Schwarz werden Endedes Jahres das Unternehmen verlassen.Dann sind Christof und Oliver Muz alleini­ge Geschäftsführer. Und obwohl sie nicht inNagold leben, werden sie die Stadt mit ihrerFirma nicht verlassen. „Unser größter Kun­de beispielsweise sitzt in Böblingen, warumsollten wir da unbedingt ins Medizintech­nik­Mekka Tuttlingen umziehen?“, sagtChristof Muz, der in Reutlingen lebt. Undauch OliverMuzwird weiterhin täglich vonStuttgart auf den NagolderWolfsberg fahren.„Von Stuttgart­Vaihingen nach Zuffenhausenbrauche ich im Berufsverkehr genauso lan­ge“, sagt Muz schulterzuckend.Vier Nagolder Unternehmen, vier Bei­

spiele für erfolgreiche Mittelständler, dieihre Betriebe trotz Wirtschaftskrise in dieZukunft führen. Aber das ist er eben, derMut von Nagold. Natalie Butz

Mut, Teil 3: Dr. Christof (l.) undOliver Muz sind fern desMedizin-Clusters erfolgreich

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econo 12/2009 · 27. November 2009

Foto: Jigal Fichtner

Nagolds wichtigste Gewerbefläche

ist der INGpark: interkommunal,

genügend Platz für die Zukunft und

mit überraschenden Details…

Die Projektmanager desINGparks: Hagen Breitling

und Sonja Knapp

Zukunfts-macher

78 Politik • Standort Nagold

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Für Tech IT ist der INGparkauf dem Nagolder Eisbergnicht irgendein Industrie­

gebiet. Für den IT­Dienstleister istdieser Standort einmalig. „UnsereServer sind in einem Bunker un­tergebracht“, erklärt Ernst Stein­graber, Vertriebsleiter des Netz­werkers, „quasi bombensicher.Sicherer sind unsere Server defini­tiv nirgendwo.“Der INGpark liegt auf dem ehe­

maligen Gelände einer Fallschirm­jägerkaserne. Seit den 1960er­Jahren diente sie nicht nur derStationierung von mehr als 800deutschen Soldaten, sondern warzudem Arbeitsplatz für rund 100Zivilangestellte.Anfang 1995 dann das Aus. Für

die Große Kreisstadt ein herberVerlust, nicht nur aufgrund derArbeitsplätze. Die kommunaleKämmerei rechnet mit einem jähr­lichen Umsatzverlust von etwafünf Millionen DM für die regiona­len Wirtschaftsunternehmen. Zu­rück bleiben auf der Hochebene88 Hektar leere Fläche.

Doch die Nagolder stecken dieKöpfe nicht in den Sand. Im Som­mer 1996 gründen sie eine Pro­jektgruppe, die für das Konversi­onsgelände ein tragfähiges Zu­kunftskonzept entwickeln soll.Anfang 1997 folgt ein öffentlicherWorkshop, um möglichst viele An­regungen für die Entwicklung desStandorts zu erhalten, Standortun­tersuchungen und Machbarkeits­studien zu verschiedenen Projekt­ideen schließen sich an.Viele Ideen führen ins Leere,

der Entscheidungsprozess dauertletztendlich bis 2001, doch dannsteht fest: auf dem Eisberg entwi­ckelt Nagold gemeinsammit sechsNachbarkommunen – Ebhausen,Haiterbach, Mötzingen, Rohrdorf,Wildberg sowie Jettingen aus demLandkreis Böblingen – den Inter­kommunalen Industriepark Na­gold­Gäu, kurz INGpark.Zunächst soll nur das ehemalige

Kasernenareal mit 25 Hektar ge­nutzt werden. Die Fläche ist mitden Gebäuden der Bundeswehrneben wenigen Freiflächen nahezu

komplett verbaut. Zur besserenVermarktung wird 2003 der Zweck­verband INGpark gegründet.Die Fakten sprechen für das Ge­

werbe­ und Industriegebiet. Einebenes, weitgehend erschlossenesGelände mit Grünraum im Innernund an den Gebietsrändern, direktan der Nahtstelle zu den RegionenStuttgart, Nordschwarzwald undNeckar­Alb. Mit dem Wirtschafts­raum Stuttgart liegt zudem eingroßer Absatzmarkt direkt vor derHaustür. Und mit dem Autobahn­zubringer (Fertigstellung 2007)gibt es nun auch die nötige schnel­le Verkehrsanbindung.Trotz der Ansammlung dieser

positiven Eigenschaften: In Nagoldrechnet damals niemand damit,dass innerhalb von nur sieben Jah­ren rund 20 Unternehmen mitmehr als 200 Mitarbeitern ihrenStandort auf der Hochebene fin­den werden – ausverkauft.Nordöstlich des Kasernenareals

sind inzwischen 16 Hektar Brutto­fläche voll erschlossen und stehenfür eine sofortige Bebauung zur

Verfügung. „Der INGpark ist derZukunftsstandort der NagolderUnternehmen“, sagt Hagen Breit­ling vom Zweckverband. „DasAreal ist für die wirtschaftlicheEntwicklung Nagolds sowie allerMitgliedskommunen von sehr gro­ßer Bedeutung.“ Breitlings Kolle­gin Sonja Knapp ergänzt: „Für dieErhaltung der Wirtschaftskraft desRaums Nagold­Gäu ist der ING­park unerlässlich.“Einen Pluspunkt bietet das Ge­

biet auch in Sachen Natur: „Mitdem INGpark werden kleinflächigeErweiterungen in den einzelnenKommunen vermieden und somitein nachhaltiger und bewussterUmgang mit der Ressource Bodenermöglicht“, sagt Breitling.Wenn die derzeit noch unbe­

bauten 16 Hektar erschlossenesGelände ebenfalls verkauft sind,stehen weiteren Unternehmennoch immer fast 50 Hektar zurVerfügung. Knapp: „Hier habenwir schon heute eine Flächenreser­ve für die nächste Generation.“

Natalie Butz

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