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Nr. 30 Dezember 2005

De'ignis Magazin Nr. 30

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De'ignis Magazin Nr.30 - Menschliche Grundbedürfnisse

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Page 1: De'ignis Magazin Nr. 30

Nr. 30 Dezember 2005

Page 2: De'ignis Magazin Nr. 30

editorial von Claus J. Hartman ................................................................. Seite 3

zum thema

Sehnsucht nach Spiritualität

von Dr. phil. Michael Utsch ....................................................................... Seite 4

„Der Wille zum Sinn“ - Viktor E. Frankl zum 100. Geburtstag

(26. März 1905 - 2. September 1997)Begründer der Logotherapie und Existenzanalysevon Dr. med. Hans-Rudolf Pfeifer ..................................................... Seite 10

Religiöses Erleben und Gehirn (Teil 2)

von Dr. med. Herbert Scheiblich..................................................... Seite 15

Ist soziale Gerechtigkeit heute eine Illusion?

von Dr. Gerd Flügel ....................................................................... Seite 26

Lebenshunger - Berichte von Menschen, die mit ihrer

Essstörung zu kämpfen haben

von Anonym (Name der Redaktion bekannt) ........................ Seite 31

Wie Gott unseren Lebensdurst stillt

von Dr. Rolf Sons .................................................................. Seite 33

therapiegrundlagen

Ist die Gottesbeziehung eine psychologische Bindung?

von Dr. phil. Matthias Richard ........................................ Seite 36

DE´IGNIS aktuellAktuelle News von DE´IGNIS

Fachklinik News .................................................... ab Seite 17

Institut News ........................................................ ab Seite 20

Wohnheim - Haus TABOR ........................................ Seite 23

Impressum

Redaktion:

Rainer Oberbillig, Winfried Hahn,Claus J. Hartmann, Dr. med Rolf Senst

Grafik, Layout, Satz, Repro:

ART DESIGN Dipl.-Ing. Rainer HaasMönchhaldenstr. 129 70191 StuttgartTel. 07 11/48 23 31 Fax 07 11/48 23 61

Druck:

Gaiser Offsetdruck & Informations GmbH,Im Spagen 5, 73527 Schwäbisch Gmünd

Herausgeber:

DE'IGNIS-Fachklinik gGmbH

auf christlicher Basis für• Psychiatrie • Psychotherapie • PsychosomatikWalddorfer Straße 2372227 EgenhausenTelefon: 074 53/93 91-0Telefax: 074 53/93 91-93e-Mail: [email protected]

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DE'IGNIS Wohnheim gGmbH - Haus TABOR

zur außerklinischen psychiatrischen BetreuungFred-Hahn-Straße 3072514 EngelswiesTelefon: 0 75 75/9 25 07-0Telefax: 0 75 75/9 25 07-30e-Mail: [email protected]

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Alle DE'IGNIS-Einrichtungen sind gemeinnützigund arbeiten überkonfessionell. Spenden-bescheinigungen werden auf Wunsch gerneausgestellt.

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LIEBE LESERINNEN UND LESER,

mit dem Thema „Grundbedürfnissedes Menschen“ ist es wie mit derEntscheidung, wohin gehe ich inUrlaub, was ziehe ich an, oder wasgibt es zum Essen.

Bei der Frage; was sind die Grund-bedürfnisse eines jeden Menschen,wird es entsprechend viele Antwor-ten je nach Lebenssituation undPersönlichkeit geben.

Es gibt aber dennoch bestimmteBedürfnisse, Wünsche und Sehn-süchte die wir Menschen gleicher-maßen haben.

Ist es bei Ihnen nicht auch schonvorgekommen, dass Sie nachts miteinem trockenen Mund aufwachenund einen enormen Durst haben,Sie aufstehen und etwas trinkenmüssen bevor Sie weiter schlafenkönnen.

Jeder von uns kennt körperlichenDurst. Unser Körper besteht schät-zungsweise aus achtzig ProzentFlüssigkeit. Wir brauchen nur mitdem Trinken aufzuhören und abzu-warten, was geschieht: Wir könnennicht mehr klar denken, wir bekom-men Kopfschmerzen und lebens-wichtige Organe schrumpfen. Wieein Reifen Luft braucht, braucht un-ser Körper Wasser. Gott hat uns mitDurst ausgestattet.

Nicht anders ist es mit unserer Seele,sie teilt uns mit, wenn wir uns nichtgenügend mit geistlichem Wasserversorgen. Vertrocknete Herzen sen-den verzweifelte Botschaften aus:Unausgeglichenheit, innere Unruhe,Schuld und Angst. Ich kann mir nichtvorstellen, dass Gott will, dass wirdamit leben!

Wir haben das Bedürfnis nach Hoff-nung, Schlaf, Gemeinschaft, Aus-geglichenheit und Sicherheit. Ist dasbei uns nicht vorhanden, sind dasWarnzeichen, Symptome einer inne-ren Trockenheit.

„Am letzten Tag, dem Höhepunkt

des Festes, stellte Jesus sich hin

und rief der Menge zu: Wenn je-

mand Durst hat, soll er zu mir kom-

men und trinken! Wer an mich

glaubt, aus dessen Inneren werden

Ströme lebendigen Wassers fließen,

wie es in der Schrift heißt“.

(Johannes 7, 37-38)

Die Menschen hatten Durst. Sie brau-chten Wasser, nicht für ihre Kehle,sondern für ihr Herz. Jesus kann fürdas Herz das tun, was Wasser für Ih-ren Körper tun kann. Er hält es ge-schmeidig, bewässert es, erweichtdas Krustige und wäscht das Rostige.

Johannes erklärt:

„Mit dem lebendigen Wasser meint

er den Geist, der jedem zuteil wer-

den sollte, der an ihn glaubte“.

(Johannes 7,39)

Wie Wasser kommt Jesus nicht, wennwir ihn nicht aufnehmen. Man kannbis zur Hüfte tief im Wasser stehenund trotzdem verdursten. Solangeman das Wasser nicht trinkt, nützt esnichts. Auch Christus nützt uns nichts,wenn wir ihn in uns nicht aufneh-men. So ist es mit jedem unsererBedürfnisse, wir können sie nur stil-len wenn wir auch aktiv sind.

Haben Sie Durst? Sehnen Sie sichdanach, Ihre Angst, Unsicherheit undSchuld fort zuspülen? Es ist möglich.Achten Sie auf Ihren Durst. SetzenSie sich nicht über Ihre Einsamkeithinweg. Streiten Sie Ihren Ärgernicht ab. Ihre Innere Unruhe, IhreMagenkrämpfe, das Angstgefühl, alldas läßt Warnsignale aufleuchten:Wir haben das Bedürfnis nach Was-ser! Wir wollen doch unser Herz nichtvertrocknen lassen. Bewässern SieIhre Seele, um derer willen, die IhreLiebe brauchen. Achten Sie auf IhrenDurst.

Religion beruhigt, doch sie kann nieBefriedigung schenken. Kirchliche

DE´IGNIS im Internet: www.deignis.de

Betätigungen können den Durst mög-licherweise überspielen, doch nurChristus stillt ihn.

Wir versuchen in so vielen irdischenAngeboten und Reizen unseren Durstzu stillen, aber es gelingt uns nicht.

In dieser Ausgabe möchten wir unsmit verschiedenen Bedürfnissen be-schäftigen. Wonach dürstet es uns,wie können wir unseren Sehnsüch-ten begegnen und wie schaffen wires regelmäßig unseren Durst zu stil-len. Denn nur regelmäßiges trinken,befriedigt unsere Seelen. Ich möchteIhnen noch vier wesentliche Flüssig-keiten für die Bewässerung der Seelenennen, denen Sie beim lesen dereinzelnen Beiträge bestimmt immerwieder begegnen.

� Gottes Werk

� Gottes Energie

� Gottes Leitung

� Gottes Liebe

Nehmen Sie das Werk von Christusam Kreuz, die Energie seines Geis-tes, seine Leitung in Ihrem Leben,seine unendliche, unerschöpflicheLiebe an.

Ich möchte noch auf den Teil„DE´IGNIS Aktuell“ aufmerksam ma-chen, wo von Entwicklungen undBesonderheiten aus den einzelnenDE´IGNIS Einrichtungen berichtetwird.

Ich bitte Sie auch herzlichst darum,uns mit Spenden für das Magazin zuunterstützen. Wir bekommen durch-weg positive und ermutigende Ant-worten, dass selbst Menschen durchdas lesen des Magazins und der an-schließenden praktischen Umset-zung keine Therapie mehr benötig-ten. Man kann sich jedoch vorstellen,dass bei einer Auflage von inzwi-schen 16.000 Exemplaren enormeKosten entstanden sind, obwohl dieAutoren immer ehrenamtlich mitar-beiten, bei denen ich mich an dieserStelle auch ganz herzlich bedanke.

Für das Mitttragen unserer Arbeitbedanke ich mich ganz herzlich, undwünsche Ihnen viel Freude und Musebeim Lesen.

Die Herausgeber:

Claus J. HartmannWinfried Hahn

Claus J. Hartmann

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der-Akteure geprägt. Die ausuferndeKonsum-Mentalität hat andere Fähig-keiten wie Aufmerksamkeit, Beschei-denheit oder den freiwilligen Verzichtins Abseits gedrängt. Die zentraleund weiterführende Frage lautet:Kann ich alles, was ich zum Leben be-nötige, einkaufen? Sind Liebe, Ver-trauen, Selbstbewusstsein, Gebor-genheit oder Freundschaft käuflich?Eben weil diese Zustände keine Kon-sumgüter sind und dennoch absoluteMangelware – wo und wie sind siezu erlernen? Wozu dient dieser quä-lende Zustand, seinen unerfülltenWünschen hilflos ausgeliefert zu sein?Kann es vielleicht sogar nützlich undwertvoll sein, wenn Bedürfnisse nichtsofort gestillt werden? Kann bleiben-de Sehnsucht gar die Weiterentwick-lung fördern?

Sehnsucht nach dem größeren GanzenEine spirituelle Suche mit neuer Qua-lität und Intensität geht durch dieverweltlichte Kultur. InsbesondereMenschen in Großstädten sind vonihr erfasst. Immer mehr Menschenhaben den Irrtum des Konsumdenkenserkannt. Geld macht eben nicht glück-lich, und der Spruch „Haste was,dann biste was“ baut nur Schein-persönlichkeiten auf, die den gegen-wärtigen gesellschaftlichen und per-sönlichen Herausforderungen nichtgewachsen sind. Angesichts vieler

Sehnsucht nachSpiritualität

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as Bild von dem ausgezehr-ten und über alles durstigenHirschen stammt aus einer

fernen Kultur und ist dennoch leichtnachzuempfinden. Wer schon einmalin der Wüste war oder auf einer lan-gen Wanderung ins Schwitzen ge-kommen ist, kennt das Gefühl, wennerfrischendes, kühles Wasser diedurstige Kehle hinunterrinnt. Schrift-steller und Künstler haben das Bildvom schreienden Hirschen übernom-men. Karl Marx benutzte diese Me-tapher in seiner Kampfschrift „DasKapital“, um die Geldgier des Bürger-tums zu verspotten: „Wie der Hirschschreit nach dem frischem Wasser, soschreit seine Seele nach dem Geld,dem einzigen Reichtum.“ Und im ver-gangenen Wahlkampf hat der Vorsit-zende der Bundespartei der Grünenebenfalls dieses eindrückliche Bildverwendet: Wie der Hirsch nach fri-schem Wasser dürste, schreie unsereGesellschaft nach Wirtschaftswachs-tum.

Ungestillte Bedürfnisse – gibt es dienoch? Der Strom kommt aus der Steck-dose, das Wasser aus dem Wasser-hahn, per Drehknopf wird die Raum-temperatur reguliert, ein Mausklick,und alle nötigen (und viel zu viele un-nötige) Informationen vom gesamtenGlobus stehen zur Verfügung. Anderehingegen meinen, dass die meistenMenschen so abgelenkt, beschäftigtund übersättigt sind, dass sie ihrewahren Bedürfnisse kaum noch wahr-nehmen.

Die westlichen Industrienationen ha-ben sich bequem eingerichtet undalles so arrangiert, dass aufkommen-de Mangelgefühle sofort übertöntund verdrängt werden. Welche lebens-notwendigen Grundbedürfnisse blei-ben heute ungestillt? Fast alles ist zukaufen – und zudem noch auf Kredit!Wer heute noch einen unerfülltenWunsch hat, so möchte man fastglauben, ist selber schuld – oder sollteschleunigst das Kreditinstitut wech-seln!

„Ich will alles, und zwar sofort!“ Die-ses unverschämte Motto hat dieNachkommen der Wirtschaftswun-

bedrohlicher Unsicherheiten sindheute Wertvorstellungen, eine klareSinnorientierung und eine erfahrungs-gesättigte Spiritualität gefragt. Daserklärt, warum der Dalai Lama, derneue, konservative Papst und asiati-sche Meditationstechniken so populärsind: Sie bieten ein Weltbild an, dasden einzelnen einbettet in ein sinn-haltiges, größeres Ganzes. Hinter derSuche nach tragfähigen Fundamen-ten für den eigenen Lebensentwurfsteckt der Wunsch, die häufigschmerzlich erlebte Deutungsvielfalt(„Ja, aber ...“) zugunsten eines ein-heitlichen, stimmigen Profils aufzu-geben. Spiritualität entspringt derSehnsucht nach Ganzheit und Heil.

Der Psalmbeter scheint diesen Span-nungszustand zu kennen. Eine drän-gende Sehnsucht – und keine Er-lösung, in diesem Bild das Durstlöschende Wasser in Sicht. Das lei-denschaftliche Schreien scheint un-gehört in der Wüste zu „versanden“.Wer hat heute noch einen Traum, eineVision, eine Vorstellung davon, wasihn oder sie total erfüllen und glück-lich machen würde? Viele Menschenscheinen resigniert und nur noch be-müht, nicht aufzufallen und zu funk-tionieren. Wer nimmt seine innerenSpannungen wahr, findet sich nichtab damit setzt sich mit jeder Faserseines Körpers für Verbesserung ein?Die meisten scheinen jedoch satt und

VON DR. PHIL. MICHAEL UTSCH

Wie ein Hirsch nach frischem Wasser lechzt, so schreit meine Seele zu dir, mein Gott. Meine Seele dürstetnach Gott, nach dem wahren, lebendigen Gott. Wann darf ich zu ihm kommen, wann darf ich GottesAngesicht schauen? Tränen sind meine Nahrung Tag und Nacht, weil man mich ständig fragt: „Wo bleibt erdenn, dein Gott?“ Wenn ich an früher denke, geht das Herz mir über: Da zog ich mit der großen Scharzum Hause Gottes, da konnte ich jubeln und danken in der feiernden Menge. Warum bin ich so verstört?Muss ich denn verzweifeln? Auf Gott will ich hoffen! Ich weiß, ich werde ihn noch einmal preisen, ihn,meinen Gott, der mir hilft. (Psalm 42, 2-6)

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in Kinofilmen, dem Meditations-boom oder der Literatur. Neben eso-terischen Modetrends und spirituel-lem Geplapper haben sich immermehr Menschen auf den Weg ge-macht, ernsthaft Gott zu suchen.Dabei ist aber ein klares Unterschei-dungsvermögen nötig, weil das Mode-wort Spiritualität ein Containerbegriffmit vielen Sinngebungen ist – vomeuphorischen New Age-Denken bishin zu christlich-fundamentalistischenÜberzeugungen. Beide sind von einemMachbarkeitsdenken geprägt, das inder richtigen Glaubenshaltung denSchlüssel zur grenzenlosen Wunsch-erfüllung sieht.

Begriffsgeschichtlich steht fest, dassder lateinische Begriff „spiritualis“ursprünglich den vom Geist Gotteserfüllten und geleiteten Menschenmeinte. Heute ist der Begriff jedochweitgehend von der Esoterik verein-nahmt worden. Dabei wird Spiritua-lität als eine intensive Erfahrung vonVerbundenheit mit allem in Gegen-satz zur traditionellen Religion ge-bracht. Oft wird folgende vorschnelle(und unzutreffende!) Unterscheidunggemacht: Religion wird als mittel-alterlicher Moralkodex abgewertetund mit weltfremden Normen in Ver-bindung gebracht. Demgegenübermeine die Spiritualität intensive Erfah-rungen eines erweiterten Bewusst-seins.

Natürlich sind solche Tendenzen inder Kirchengeschichte zu beklagen.Diese These ist aber in ihrer Allge-meingültigkeit schon deshalb nichthaltbar, weil Spiritualität das Herzund die Seele jeder Religion ist – auchder christlichen. Wenige wissen, dassSpiritualität ursprünglich die christ-liche Lebensgestaltung Kraft des Hei-ligen Geistes bezeichnete. Es ist trau-rig, dass dieser zentrale Begriff deschristlichen Glaubensvollzugs heuteeinen massiven Bedeutungswandelerfahren hat. Nicht mehr das Lebenaus dem Geist Gottes, sondern eso-terische Überzeugungen werden da-mit in Verbindung gebracht. Eine„spirituelle“ Einstellung, würde sieheute in einer Meinungsumfrage er-hoben, enthielte vermutlich deutlichmehr esoterische als christliche Glau-bensinhalte.

Die Kappung der biblisch-theologi-schen Wurzeln hat zu einer dreifa-chen Verfälschung der Spiritualitätgeführt:

Sakralisierung der Psychebzw. der Psychologie:Als ein Gegentrend zur mächtigenBewegung einer Verweltlichungder Kultur („Säkularisierung“) hateine nicht zu übersehende Ver-götzung der Psychologie („Sak-ralisierung“) stattgefunden. Daseigene Selbst ist zum Objekt derVerehrung und Anbetung gewor-den. Das Ausleuchten und Zur-Schau-Stellen des eigenen Innen-lebens, die intensive Beschäfti-gung mit Gefühlszuständen, Wün-schen, Bedürfnissen und Entwick-lungsmöglichkeiten, aber auchseelischen Verwundungen undderen Folgen werden auf demPsychomarkt mit heiliger Inbrunstbetrieben.

Verwechslung vonBewusstseinszustand mitGeisterfüllung:Aus theologischer Sicht gehörenveränderte Bewusstseinzuständezum Bereich der Schöpfungs-ordnung Gottes. Jede außerge-wöhnliche Wahrnehmung schonals ‚Reden Gottes’ oder ‚übersinn-liches Wissen’ zu deuten, verkenntaus biblisch-theologischer Sichtdie Unterschiede zwischen demReich Gottes und dem menschli-chen Bereich. Gottes Wirklichkeitals eine dem Menschen unerreich-bare und fremde mag zwar punk-tuell in ein Menschenleben „ein-fallen“, entzieht sich aber dem lo-gischen Verständnis und der Kon-trolle. Allein Ehrfurcht und Anbe-tung sind vor dem GeheimnisGottes angemessen.

Selbstmystik anstelleChristusmystik:Aus biblisch-theologischer Sichteröffnet sich der menschliche Zu-gang zum Schöpfergott einzigüber Jesus von Nazareth. Mystikmeint in der Bibel immer Christus-mystik, nicht aber direkte Gottes-mystik. Ohne ein Verständnis fürGott als Vater-Sohn-Geist-Einheitgerät die Spiritualität auf den Ab-weg der Selbstvergottung.

Dass der christliche Glaube den Hun-ger nach Spiritualität stillen kann,erscheint vielen nicht mehr vorstell-bar. Aber – wie viele Christen bele-gen mit ihrer Lebensführung über-zeugend, dass Gott ihre tiefe Sehn-sucht nach Leben immer wiederstillt? Manche haben sich „Neben-quellen“ erschlossen oder sich ab-gefunden mit einem langweiligenChristsein voller Kompromisse. Im-merhin sind sie keine Heiden mehrund mittlerweile auch ganz versiertin frommen Phrasen und dem christen-tümlichen Rollenspiel. Wer hat denMut, sich als Christ mit seiner Unzu-friedenheit auseinanderzusetzen undgenau hinzuschauen und hinzufühlen,welche Bedürfnisse ungestillt sind?Jesus will die Quelle des Lebens seinund ein Leben im Überfluss bieten –theoretisch ist diese Zusage bekannt.Wer aber setzt diese Zielperspektivevor dem Hintergrund seiner eigenenLebensgeschichte mit all ihren seeli-schen Wunden und Verletzungenüberzeugend in seinem Alltag um?

Leidenschaftlich nach Gott suchen,unruhig und mit aller Kraft eineGottesbegegnung herbeisehnen –wer kann das denn heute allen Erns-tes wollen?! Leidenschaft entstehtnicht durch Pflichterfüllung, sonderndurch die Ahnung, dass sich auf demWeg in diese Richtung eine neue Di-mension und Lebensqualität öffnet,auch wenn er steinig und steil ist. Es

macht einen wesentlichen Unter-schied, ob man sich Gott aus Ver-pflichtung nähert oder aus der tiefenÜberzeugung, dort Antworten fürseine Lebensfragen und Frieden fürseine Seele zu erhalten.

Von all dieser Skepsis ist bei demPsalmisten nichts zu spüren. Auch erhat Fragen und Probleme mit Gott.Aber er lässt sich durch nichts abbrin-gen von seinem Ziel, in die NäheGottes zu gelangen. Er weiß, wiegefährlich die persönliche Gottes-begegnung ist. Denn vor Gott mussauf alles Rollenspiel verzichtet wer-den, weil Gott sowieso jeden Men-schen durchschaut. Wenn also in derGegenwart Gottes unausweichlichalle Mängel, Verfehlungen und Schwä-chen aufdeckt werden – was ist danndas Motiv des Psalmisten, trotzdeman diesem Wunsch festzuhalten? ImPsalmtext sind drei Gründe für dieunbeirrbare Sehnsucht nach Gott ge-nannt:

1. Gott ernährt und befriedetdie Seele

Der Psalmist ist von einer tiefen Sehn-sucht nach Gott getrieben. Für Außen-stehende ist dieser Wunsch nichtnachvollziehbar, im Gegenteil: Siemachen sich darüber lustig. „Wobleibt er denn, dein Gott?“, fragen siespöttisch. Über diesen Widerspruchsind schon viele Menschen gestol-pert: Warum erscheint Gott, der an-geblich ein Interesse an der Gemein-schaft mit seinen Geschöpfen hat, oftso fern, abgewandt und schwer er-reichbar? Warum ist von Gottes Stim-me nichts zu hören, seine Mimik undGestik nicht erkennbar, warum war-tet und schweigt Gott so oft? Wozudieses quälende Warten?

Gott ist die einzige Quelle des wirkli-chen Lebens. Die tiefe Sehnsuchtnach Leben kann nirgends sonst ge-stillt werden, bezeugt die Bibel. An

bequem und haben sich mit denHalbherzigkeiten und Lügen ihresLebens abgefunden. Der äußerlicheSchein wird sorgfältig gewahrt, aberinnerlich schreit die zerrissene Seeleum Hilfe.

Hinter der Angepasstheit und Über-sättigung steckt eine tiefe Sehnsuchtnach wahrem, unverfälschtem Le-ben. Es gilt, ungestillte Bedürfnissewahrzunehmen und auszuhalten.Gott hat den Menschen als Sinn-sucher geschaffen und mutet ihm zu,Sehnsucht zu spüren und auszuhal-ten, auch und gerade wenn diesenicht sofort gestillt wird. Spirituali-tät könnte damit als Motor für dieinnere Weiterentwicklung und An-trieb auf dem Weg zur Umgestaltungdes inneren Menschen („Heiligung“)angesehen werden.

Der Psalmist steht zu seiner Sehn-sucht, er schreit sie nach Leibeskräf-ten heraus. Dabei geht es ihm nichtum Besitz, Ansehen oder Reichtum.Er ist von einem anderen, radikalenWunsch ergriffen – er möchte GottesAngesicht sehen! Was aus der Sichtdes Neuen Testaments vielleicht nochplausibel klingt – der innige und per-sönliche Kontakt mit Gott – ist für dieZeit des Alten Bundes ungewöhnlichund revolutionär. Damals bestandein streng geregelter Abstand zwi-schen dem Allerheiligsten, dem Hei-ligtum und den gewöhnlichen Gläu-bigen. Nur über geweihte Mittels-männer, durch Priester und Hohe-priester wurde eine Gottesbeziehungmöglich. Die umständliche Beziehungzu Gott war durch klar definierte Opferund Rituale festgelegt. Und hier istnun einer, der mit diesem formalen,ritualisierten Glauben nicht mehr zu-frieden ist. Die monotonen Gottes-dienste, die langweiligen Lesungen,vorgefertigte Gebete und starre, un-persönliche Versammlungen – hierist einer, der seine Sehnsucht nachGott und dem innigen Wunsch nacheiner persönlichen Gottesbegegnungeinfach so herausschreit. Was für eineAnmaßung – und was für ein muti-ger Schritt!

Auch in der gegenwärtigen Kulturkann man Anzeichen für eine tiefeGottes-Sehnsucht erkennen – sei es

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dieser Wahrheit rüttelt der Psalmistnicht, auch wenn diese Quelle momen-tan verschlossen ist und er sie nichtanzapfen kann. Wenn Gott nichtsofort sichtbar und spürbar ist, wennGebete nicht sofort erhört werden,wenden sich manche enttäuscht ab.Sicher – anderswo wird die mensch-liche Gier nach Unterhaltung undZeitvertreib, die Suche nach demnächsten Kick schnell bedient. Wirsind ja alle so gierig nach Lebendig-keit! Unzählige Menschen habenallerdings ihre Sehnsucht nach Lebenlängst begraben und begnügen sichmit einer Zuschauerrolle. Sie identi-fizieren sich mit Filmstars und Stern-chen und hängen mit Hoffen undBangen am Klatsch und Tratsch derTagespresse. Andere spüren ihre Le-bendigkeit am meisten in Fantasy-Rollenspielen oder am Gameboy.Stundenlang verbringen sie in einerFantasiewelt voller Farben, Gefühleund Aktionen, um dem tristen Einer-lei ihres Alltags zu entkommen.

Der Psalmist flieht nicht in eineScheinwelt, sondern hält das Schwei-gen Gottes aus. Die Gefühle toben,und Gott schweigt. Der Psalmist ruftund brüllt – nichts, nur Stille. Aberdas Warten führt zu einer neuen Er-kenntnis. Auf einmal beobachtet sichder Psalmist und registriert erstaunt,was er da eigentlich macht. Vielleichtist manchem dieser Perspektiven-wechsel vertraut. Wenn man inten-siv emotional reagiert, sich einmalrichtig gehen lässt und ganz in sei-nen Gefühlen aufgeht, erkennt mansich plötzlich nicht mehr wieder. Die-ser Tonfall, diese Stimme – ist dasnicht ein bisschen übertrieben? Unddann stellt man fest, dass die Gefühlemit einem durchgegangen sind. Mankann sich für einen kleinen Momentneben sich stellen, sich zuschauenund vielleicht sogar ein bisschen über

sich schmunzeln. „Wer wird denngleich aus seiner Haut fahren!“ DieÄlteren erinnern sich noch an denWerbespot mit dem HB-Männchen ....

Ähnlich wird es dem Psalmisten ge-gangen sein. Wie ein Refrain wieder-holt sich in dem Psalm der Vers, woer sich über seine Gefühle wundertund seiner Seele hoffnungsvoll Mutzuspricht: „Was bist du aufgelöst,

meine Seele, und stöhnst in mir?

Harre aus, warte auf Gott, denn es

kommt die Zeit, da werde ich ihn

dafür preisen, dass er mich gerettet

hat“. Der Psalmist hält daran fest,dass Gott die Seele ernährt. Auchwenn die Pferde mit ihm durchge-gangen sind, merkt er: Ich bin nichtnur Gefühl! Man kann mit seinerSeele sprechen. Was der Psalmisthier beschreibt, haben viele Jahrhun-derte später Psychologen als einehilfreiche Therapiemethode wieder-entdeckt und mit einem komplizier-ten Begriff beschrieben: die De-Iden-tifikation. Man kann lernen, auf Ab-stand zu sich selber zu gehen, sichzu beobachten und sich nicht gänz-lich in seiner Gefühlswelt zu verlie-ren. Solche Selbstgespräche sindmanchmal ganz hilfreich! Wenn manvernünftig überlegt, gibt es stichhal-tige Argumente dafür, ruhig zu wer-den. Was ist ein wesentlicher Grund,nicht hoffnungslos zu werden, auchwenn Gott schweigt?

2. Erinnerung an Gemeinschaftermutigt

Der Psalmist ist innerlich aufgewühlt.Er kennt nichts anderes mehr als ab-grundtiefe Trauer – Tränen sind seineNahrung Tag und Nacht. Und jetztkommen auch noch die klugen Sprü-che der Umgebung: „Wo ist denn nundein Gott?“ Wenn du Christ bist – woist denn jetzt in dieser Notlage dein

Allmächtiger? Derart quälende Fra-gen blieben selbst Jesus nicht er-spart: „Wenn Du der Sohn Gottesbist“, so wurde ihm auf Golgathaentgegengehalten, „dann steig dochherab vom Kreuz!“ Wenn du als Christleidest, krank bist oder Schmerzenleidest – warum hilft dir denn deinGott nicht! Diese Frage ist nicht ein-fach zu beantworten. Gott geht esjedenfalls nicht um Gesundheit undHeilung um jeden Preis. Der Menschsollte Gott nicht zum Bedürfnis-befriediger und Wunscherfüller er-niedrigen. Gott ist der Schöpfer desUniversums und frei in allem, waser tut – und unterlässt.

Was tut der Psalmist in dieser Situa-tion? Er erinnert sich an die Wohl-taten Gottes. Bevor sich Zweifel inihm ausbreiten, erinnert er sich andie guten Zeiten des Lobpreises undder Gemeinschaft mit anderen Chris-ten, wo Gott gedankt und fröhlicheGottesdienste gefeiert wurden. Jederhat schon einmal oder auch häufigerGottes konkretes Eingreifen in dieeigene Lebensgeschichte erlebt. Be-wahrung, Führung, Befreiung, Er-neuerung – warum sind Menschenbloß so vergesslich? Bei Glaubens-zweifeln empfiehlt der Psalmist dieKraft der Erinnerung. Das Gedächt-nis an Gottes Wunder bewirkt Dank-barkeit. Und dankbare Menschenkönnen froh werden, auch wenn siesich in einer aktuellen Notlage befin-den. Eine reiche, mit Glaubenser-fahrungen erfüllte Vergangenheit er-hellt eine verdunkelte Gegenwart.Und sie vermittelt Hoffnung und Zu-versicht, dass Gott treu ist und auchMenschen aus dem dunkeln Tal derGottesferne hinausführen wird.

Warum ist manchmal ein solch dunk-les Tal nötig? Warum reißt Gott nichtden Himmel auf und überwältigt

Suchende mit seiner Herrlichkeit undMacht? Warum mutet Gott den Men-schen lange Durststrecken zu undlässt sie so lange im Dunkeln tappen?Weil Gott hartnäckige Dickköpfe ver-ändern möchte.

3. Das Warten auf Gottverändert

Wer im Dunkeln alleine auf Gott war-tet, ist seinen ungestillten Sehnsüch-ten radikal ausgeliefert. Vielleicht istgenau das die Absicht Gottes, dennerst die ernsthafte Auseinanderset-zung führt zu einer nachhaltigen Ver-änderung. Tiefe Sehnsüchte und quä-lende Bedürfnisse werden nur dannumgewandelt, wenn man sich ihnenstellt. Das bedeutet, Mangelerfah-rungen auszuhalten und vor den da-mit verbundenen Schmerzen nichtwegzulaufen. Durch den Schmerzhindurch kann man auf dem Grundder eigenen Verletzlichkeit und Wun-den Gott begegnen. Dazu gehört es,sich der eigenen Wunde stellen undsie wertschätzen zu lernen (!) als denBereich, wo Gott Denken und Erle-ben verändern will. Erst wenn vorGott Schmerzen und die Sehnsuchtkonkret ausgedrückt werden, be-kommt man die nötige Distanz zuseinen Gefühlen – sie können heilenund sich wandeln.

Das Warten auf Gott verändert. Aller-dings benötigt man dafür Geduldund muss bereit sein, bisherige Täu-schungen als Irrtümer zu entlarven.Immer wieder enttäuscht das Leben.Menschen sind enttäuscht über sichselber, über ihr Versagen und Schei-tern. Manche haben darüber resig-niert. Sie finden sich halt ab mit demLeben, so wie es ist. Aber in ihremHerzen stirbt jede Lebendigkeit ab.Alle Hoffnung ist aufgegeben, dieTräume vom Leben werden begra-ben. Dabei könnte die Enttäuschungzu einem Schatz führen. Vielleicht willsie von den Illusionen befreien, dieman sich über die eigene Person unddie Zukunft gemacht hat. Vielleichtwurde vieles mit einer rosaroten Brilleangeschaut, und jetzt reißt die Ent-täuschung die Brille vom Gesicht undzeigt die unschönen Facetten der ei-genen Person. Die Enttäuschung ent-

larvt die Täuschung, der man bisherverfallen war, und hebt sie auf. Deut-lich weist auf ein falsches Selbstbildhin – die wichtigste Voraussetzung,um es zu korrigieren. So ist die Ent-täuschung die Chance, das wahreSelbst zu entdecken, das Bild, dasGott sich von einem Menschen ge-macht hat.

Ein Sachverhalt der Natur verdeut-licht diesen Zusammenhang auf er-staunliche Weise: Verwundete Aus-tern lassen aus ihren Wunden einePerle entstehen. Den Schmerz, der siezerreißt, verwandeln sie in ein Juwel.In seelischen Wunden, in ungestill-ten Sehnsüchten und enttäuschtenErwartungen wachsen „Perlen“. Siekönnen aber nur entstehen, wenn dieDunkelheit ausgehalten wird undman sich mit seinen Wunden aus-söhnt. Natürlich tut es weh, mit ei-ner Wunde und unstillbarer Sehn-sucht in Berührung zu sein. Ohn-macht breitet sich bei dem Bemühenaus, sie loszuwerden. Die Wundewird zu einem bleibenden Begleiter,selbst wenn sie vernarbt ist. Aberwenn man seine Wunde annimmt,dann kann sie sich zu einer Quellevon Leben und Liebe verwandeln.

Das Warten auf Gott verändert. DerWeg zu Gott führt immer über dieErfahrung der eigenen Ohnmacht,schreibt Anselm Grün (Spiritualitätvon unten, S. 83). Dort, wo ich nichtsmehr kann, wo mir alles aus derHand genommen wird, wo ich nurnoch mein Scheitern feststellen muss,gerade dort ist auch der Ort, an demmir nichts mehr anders übrig bleibt,mich Gott zu ergeben, meine Händezu öffnen und Gott die leeren Händehinzuhalten. Eine Gottesbegegnung,nach der sich der Psalmist so heftigsehnt, ist nie eine Belohnung unse-rer eigenen Mühe, sondern die Ant-wort auf die eigene Ohnmacht. Erstwenn ich mit meinem Latein am Endebin und meine Hilflosigkeit zugebe,werde ich offen für Gottes Reden undHandeln.

Sehnsucht hat nichts mit äußerlichemSehen zu tun, wohl aber mit innererWahrnehmung. Die Augen sind trü-gerisch, denn der äußere Anscheintäuscht und verwirrt. Gott möchte

Dr. phil. Michael Utsch

Studium der ev. Theologie,Dipl.-Psychologe, approbierterPsychotherapeut, arbeitet nachklinischer Tätigkeit zum Themen-feld Religionspsychologie beider Ev. Zentralstelle für Weltan-schauungsfragen in Berlin.Aktuelle Veröffentlichung:Religiöse Fragen in der Psycho-therapie (Kohlhammer 2005)

Menschen in die Stille führen, die oftder Wüste ähnelt. Die Wüste schärftdie Wahrnehmung. Keine Leuchtrek-lame, keine musikalische Dauer-berieselung, auch kein überdimensi-onaler Plasmabildschirm mit nervö-sen Videoclips. Nur Stille und Ein-samkeit, wo man alleine seinen Be-dürfnissen ausgesetzt ist. Dort gehtes nicht darum, sich in Selbstmitleidzu baden oder selbstquälerisch alteWunden aufzureißen. Sondern umein aufrichtiges Wahrnehmen gegen-wärtiger Anspannung, der Bedürfnis-se, Schmerzen und Wünsche, aberauch eine Ahnung von tiefem Frie-den und der großen Ruhe Gottes. Indem Sich-Öffnen für die GegenwartGottes findet die Seele Ruhe und ihreMitte.

Wird der Gottessehnsucht nachge-gangen, wird sich ein persönlicherGlaubens- und Frömmigkeitsstil he-rausbilden, durch den die Seele sichernährt. Die Beziehung zur Quellemuss offen gehalten werden, damitder Glaube lebendig bleibt und sichdas Wesen Gottes immer deutlicherin einem Menschen abbilden kann.

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or hundert Jahren wurdeViktor E. Frankl geboren. Erist der Begründer der „Logo-

therapie und Existenzanalyse“, diedritte Wiener Richtung der Psychothe-rapie nach der Psychoanalyse und Indi-vidualpsychologie. Bereits zu Lebzeitenwar er eine historische Persönlich-keit, die noch persönlich Umgang mit

S. Freud und A. Adler hatte, wie auchmit G. Allport, L. Binswanger, M. Buber,R. Cohn, J. Eccles, M. Heidegger, K.Jaspers, F. Künkel, A. Maslow, I.Moreno, F. Pearls, K. Rahner, C.Rogers, P. Watzlawick, u.v.a. – bedeu-tende Namen aus der Psychotherapie,Philosophie und Psychologie. Mit sei-nen weltumspannenden Kontakten

war Frankl ein Botschafter der Psy-chotherapie, der an über 200 Univer-sitäten Vorlesungen gehalten hattesowie unzählige Vorträge vor Laien-publikum, mit denen er zuweilensogar Fußballstadien füllen konnte. ImZentrum seiner Sichtweise und sei-nes therapeutischen Wirkens standder Mensch mit der Frage nach Sinn.

BiographieAm 26. März 1905 wurde Viktor EmilFrankl in Wien geboren. Seine Kind-heit erlebte er als glücklich. Die Sinn-frage beschäftigte ihn schon früh. Alsein Lehrer in der Schule dozierte, dasLeben sei „nichts als ein Oxydations-prozess“, also ein Verbrennungsvor-gang, sprang Frankl spontan auf undhielt ihm entgegen: „Wenn dem soist – was für einen Sinn hat denndann das ganze Leben?“ Der Lehrerblieb ihm die Antwort schuldig. Einanderes Ereignis, das ihn sehr traf,war der Suizid eines Mitschülers, dermit einem Buch von Nietzsche in derHand aufgefunden wurde. Franklerkannte den existentiellen Zu-sammenhang von Weltanschauungund Lebensgestaltung. Lebenslang

Erst später begegnete er ihm auch.Er achtete ihn stets, wenngleich erihn auch deutlich kritisierte. Kaum20-jährig konnte er je einen Artikelveröffentlichen in der InternationalenZeitschrift für Psychoanalyse und inder Internationalen Zeitschrift für In-dividualpsychologie. Er schloss sichAlfred Adler an, 1927 kam es aberbereits wegen unterschiedlicher Sicht-weisen zum Bruch. Frankl ging sei-nen Weg. Ab 1928 bemühte er sich alsLeiter von Jugendberatungsstellenum Suizidprävention bei Schülern.1930 schloss er das Medizinstudiumab und arbeitete anschließend in psy-chiatrischen und neurologischen Kli-niken. 1937 eröffnete er eine eigenePraxis für Neurologie und Psychia-trie.

erhielt er das Angebot, nach Amerikaauszureisen. Eine seiner schwerstenEntscheidungen stand vor ihm: Würdeer ausreisen, so würden die Elternden Deportationsschutz verlieren,den er mit allen Familienmitgliedernals Leiter des Rothschild-Spitals ge-noss. Andererseits könnte er in Ame-rika seine logotherapeutischen The-orien weiterentwickeln und verbreiten.Ringend hoffte er um einen „Winkvom Himmel“. An diesem Tag brachtesein Vater einen Marmorstein mit ei-nem goldenen hebräischen Buchsta-ben nach Hause, den er im Trümmer-haufen der zerstörten Synagoge ge-funden hatte. Es stellte sich heraus,dass die Inschrift aus dem 4. Gebotstammte: „Ehre Vater und Mutter, aufdass Du bleibest in dem Lande, dasich Dir geben werde.“ Schlagartig war

„Der Wille zum Sinn“Viktor E. Frankl

zum 100. Geburtstag(26. März 1905 - 2. September 1997)

Begründer der Logotherapie und Existenzanalyse

kämpfte er deshalb auch gegen Re-duktionismus und Nihilismus. Schonals Mittelschüler besuchte er neben-bei Kurse über angewandte Psycho-logie und hielt einen öffentlichenVortrag über den Sinn des Lebens.Mit 15 Jahren begann er mit Freudzu korrespondieren, wobei jeder Briefvon Freud prompt beantwortet wurde.

1940 wurde ihm die Leitung der Neu-rologischen Station am Rothschild-Spital übertragen, wo nur jüdischePatienten behandelt wurden. Untereigener Lebensgefahr bewahrte erdurch gezielte Maßnahmen (u. a. durchgefälschte Gutachten) jüdische Pati-enten vor der nationalsozialistischen„Euthanasie von Geisteskranken“. 1941

Frankl klar, dass sein Weg und Auf-trag war, in Wien und bei seinen Elternzu bleiben. Er ließ das USA-Visumverfallen mit allen Konsequenzen.1942 wurde das Rothschild-Spital ge-schlossen, Frankl und seine ganzeFamilie wurden ins Konzentrations-lager deportiert. Er durchlief vier La-ger inkl. Auschwitz. Diese Erfahrung

VON DR. MED. HANS RUDOLF PFEIFER

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wurde für ihn zum unbeabsichtigten„experimentum crucis“ („Schlüssel-experiment“) seiner Logotherapie. Ererfuhr dabei, dass Sinn im Lebennicht nur „lebenswichtig“ ist, son-dern in dieser extremen Situationsogar „überlebenswichtig“ war, wieer später zu sagen beliebte. Er warHäftling Nr.119 104. Er nahm keineSonderposition in den Lagern ein.Die meiste Zeit war er als Erdarbeiterund Streckenbauer im Bahnbau be-schäftigt, erst die letzten Wochenkonnte er als Arzt tätig sein.

Eindrücklich schilderte er, wie er ei-nes morgens zur Arbeit aus dem Lagerherausmarschierte und den Hunger,die Kälte und die Schmerzen seinergeschwollenen, halberfrorenen undeiternden Füsse in offenen Schuhenkaum mehr ertragen konnte. Da stellteer sich vor, an einem Rednerpult ineinem warmen, hellen Vortragssaalzu stehen und vor interessierten Zu-hörern einen Vortrag über die „Psy-chologie des Konzentrationslagers“zu halten. Dies half ihm in der Situa-tion, Distanz zu seinem Schmerz undneue Zuversicht in seinem Leid zufinden. Frankl stellte fest, dass auchin der scheinbar absoluten Zwangs-lage eines KZ ein Rest von geistigerFreiheit, von freier Einstellung desIch zu den Gegebenheiten der Um-welt fortbesteht. Man könne demMenschen im KZ alles nehmen, nurnicht die letzte menschliche Freiheit,sich zu den gegebenen Verhältnissen„so oder so“ zu verhalten. Diesegeistige Freiheit gibt bis zum letztenAtemzug die Gelegenheit, sein Lebensinnvoll zu gestalten.

Frankl sollte aber auch die äußereFreiheit wiederfinden. Nach der Entlas-sung aus dem KZ 1945 erfuhr Frankldie erschütternden Nachrichten vomTod seiner erst 25-jährigen Frau Tilly,seines Vaters, seiner Mutter und sei-nes Bruders. Einzig die Schwester,welche nach Australien emigriertwar, hatte überlebt. Er fand jedochwenig später die Kraft, in nur 9 Tagenden bewegenden Bericht zu schrei-ben: „Trotzdem Ja zum Leben sagen;ein Psychologe erlebt das Konzent-rationslager“. Dieses „Trotzdem Jazum Leben sagen“ ist das, was er mit

„Trotzmacht des Geistes“ meint. DasBuch fand große Beachtung undwurde millionenfach gekauft. Alsnächstes machte sich Frankl daran,das Werk „Ärztliche Seelsorge“ zuverfassen. Sein bereits fertiges Ma-nuskript war im KZ zerstört worden.Noch im Lager hatte er mittels einesBleistiftstummels und auf SS-Formu-laren mit der Rekonstruktion begon-nen. 1946 konnte er schließlich dieneue Fassung veröffentlichen. Siewurde ihm als Habilitationsschriftanerkannt. Bezüglich der Aufar-beitung der schrecklichen Ereignisseim 2. Weltkrieg und insbesondere derJudenvernichtungen wehrte er sichstets gegen eine „Kollektivschuld“. Esgab für ihn ein „Auch-anders-können“und nicht nur das angebliche „So-müssen“ der Einzelnen. Es gab fürihn „solche und andere“ Wärter und„solche und andere“ Häftlinge. Zen-trale Frage war für ihn also: Wie hatsich der Einzelne angesichts dervielleicht noch so engen Rahmen-bedingungen innerhalb seines ver-bleibenden Freiraums verantwortlichverhalten? Seine Position brachteihm vorübergehend nicht wenig Kri-tik ein, insbesondere von jüdischerSeite. Rückblickend auf die Leidens-zeit im Nationalsozialismus sollte erbei einer Gedenkfeier 1988 als Betrof-fener sagen: „Bitte erwarten Sie vonmir kein Wort des Hasses ...“

Die Nachkriegsjahre waren äußerstfruchtbar. Er heiratete ein zweitesMal, nämlich Eleonore KatharinaSchwindt. Sie gebar die einzige Toch-ter Gabriele, heute Vessely, welcheihrerseits zwei Kinder hat. Franklwurde Professor für Psychiatrie undNeurologie und leitete während 25Jahren die neurologische Poliklinik inWien. Frankl verfasste 28 Bücher, diein über 20 Sprachen erschienen sind.Zahlreiche Ehrendoktorate und wei-tere Ehrungen wurden ihm verlie-hen. Er hat an rund 200 Universitä-ten in 40 Ländern in allen Kontinen-ten Vorträge gehalten. Seine Vorträgehielt er immer frei und ohne Manus-kript. An seinen schriftlichen Veröf-fentlichungen hingegen feilte erjeweils so lange, bis er zu kristallkla-ren Formulierungen fand, mit demperfektionistischen Anspruch: Voll-

kommen ist nicht, wo nichts mehrhinzugefügt werden kann, sondernwo nichts mehr weggelassen werdenkann. Von der persönlichen Seite istzu ergänzen, dass Frankl bis ins hoheAlter begeisterter Bergsteiger blieb,dass er Fliegen lernte, eine karikatu-ristische Begabung hatte und ihninsbesondere auch ein Sinn für Witzund Humor auszeichnete.

Im Hinblick auf das Erreichte undGewordene war er von einem gewis-sen Stolz und von Selbstgefälligkeitnicht ganz freizusprechen, was er je-doch gleichzeitig mit einer PortionSelbstironie verband. Aber die eige-ne Bilanz seines Lebens ist bemer-kenswert: „Wenn jemand im Jahr1944 auf der Bahnhofsrampe vonAuschwitz gestanden hat und über-lebt hat, so muss er sich jeden Tagauf’s Neue fragen, ob er sich dieserGnade auch würdig erwiesen hat.Vieles würde ich anders machen, dieFrage ist nur, ob ich es auch andersmachen könnte.“ Er glaubte von sichnicht, dass er jemals ein großer Den-ker war, eher sah er sich als ein „kon-sequenter Zu-Ende-Denker“. In jedemFall hat er seine Logotherapie, seineLehre gegen die Sinnleere, nicht nurgelehrt, sondern gelebt. Seinen Sinnim Leben sah er darin, „andern zuhelfen, in ihrem Leben einen Sinn zusehen“.

Anerkennung fand Frankl zunächstviel mehr im Ausland als in seinerHeimat. Insbesondere in den späten80er und 90er Jahren entstandenaber viele Institute und Ausbildungs-lehrgänge in verschiedensten Län-dern. Der letzte öffentliche Auftrittwar ein Interview am ersten Weltkon-gress für Psychotherapie in Wien1996. Frankl vermochte es noch indiesem Alter, Funken seiner rhetori-schen Begabung sprühen zu lassenund wurde mit einer Standing Ova-tion geehrt.

Frankl starb am 2. September 1997infolge eines Herzleidens währendeiner Herzoperation. Er wurde imWiener Zentralfriedhof begraben.Sein Tod löste nochmals ein riesigesPresseecho aus, welches die Bedeu-tung dieses Mannes widerspiegelt.

Person und Sinnfrage imZentrumAls Mensch und als Arzt, als Psycho-therapeut und als Wissenschaftlerwar Frankl zeitlebens Anwalt des Hu-manen – dieses „Menschlichsten imMenschen“ oder des „Geistigen“ imMenschen, wie er es nannte. In Formder Logotherapie und Existenzana-lyse gab er diesem Anliegen einewissenschaftliche Ausformulierungund machte es für die Psychothera-pie, Beratung, Begleitung undKrisenintervention fruchtbar.

Die geistige Dimension war fürFrankl ganz eng mit dem Ver-ständnis von „Person“ und Exis-tenz verknüpft. Anthropologischtief reflektiert und breit fundiertist aus seiner Sicht die Personeinmalig und einzigartig. DerPerson kommt unbedingte Wür-de zu, jenseits allen Nützlich-keitsdenkens, daraus folgt eineunbedingte Ehrfurcht bzw. Wert-schätzung. Die Person kann alsjene geistige Kraft verstandenwerden, die den Menschen so-wohl von der Welt abgrenzt zumSich-selber-Sein als ihn auch aufdie Welt hin zum Über-Sich-Hin-aus-Sein öffnet. Auf diese Weiseist der Person ein grundsätz-liches Vermögen zum Dialog alszentrales Charakteristikum ei-gen. Interessanterweise weist erin seinen „10 Thesen zur Person“ausdrücklich auf Paul Tournierund dessen Médecine de la Per-sonne. In der Psychotherapiegehe es nicht nur um den Willen zurLust und den Willen zur Macht, son-dern um den Willen zum Sinn. Esgehe nicht nur um einen Kampf umsDasein oder um gegenseitige Hilfe,sonder auch um das Ringen um denSinn des Daseins – und gegensei-tigen Beistand in diesem Ringen.„Wesentlich solcher Beistand ist nundas, was wir Psychotherapie nennen:Sie ist wesentlich Médecine de la Per-sonne (Paul Tournier).“ (Zitat vonFrankl aus einem Referat 1950, spä-ter publiziert im Buch „Der Wille zumSinn“).

Die Person ist zudem „das Freie imMenschen“, die ihn befähigt zu wäh-len und zu entscheiden. Sein „psy-chotherapeutisches Credo“ definiertden Frankl auch so: „Den Glauben andie Fähigkeit des Geistes im Men-schen unter allen Bedingungen undUmständen abzurücken vom undsich in fruchtbare Distanz zu stellenzum Psychophysikum an ihm.“ DiePerson ist somit nicht triebdetermi-niert, sondern sinnorientiert, nichtbloß luststrebig, sondern wertstrebig,nicht bloß bewusst, sondern auch

Frankls Anthropologie zeichnet denMenschen als durchdrungen von ei-nem Streben nach Sinn („Wille zumSinn“), worin er seine wesensge-mäße Erfüllung findet. Befähigt dazuwird der Mensch durch die beidengeistigen Grundfähigkeiten der Selbst-Distanzierung (zu sich und zu seinenhemmenden Gefühlen auf Distanzgehen und dadurch anders mit sichumgehen können) und der Selbst-Transzendenz (sich auf andere undanderes einlassen können, sich hin-geben können für jemand oder etwas

anderes). Selbstverwirkli-chung geschehe paradoxer-weise erst in der Hingabe undnicht in einer egozentriertenNabelschau. Der Mensch istgeprägt von Freiheit, welcheaber stets mit Verantwortunggepaart ist.

Jede Situation birgt neuenSinn. Sinn kann nicht ver-schrieben, aber immer wiederneu entdeckt werden. Sinn ist„die beste Möglichkeit zwi-schen den Zeilen der Wirklich-keit“. Die Sinnverwirklichungkann auf drei Hauptwegengeschehen: über schöpferi-sche Werte (Neues Schaffen),über Erlebniswerte (Genie-ßen) und über Einstellungs-werte zu Dingen, die nicht ver-änderbar erscheinen. Es gehtum die Leistungsfähigkeit,Liebesfähigkeit und Leidens-fähigkeit des Menschen. DieTrias von Leid, Schuld und Todführt den Menschen dennauch an die existentiellen

Grenzen, wo Frankl auf die priester-liche Seelsorge weiter verweist.

Psychotherapie und SeelsorgeFrankl beschrieb das Verhältnis vonPsychotherapie und Seelsorge fol-gendermaßen: Das primäre „Ziel derPsychotherapie ist seelische Heilung –das Ziel der Religion jedoch ist dasSeelenheil“. Sekundär könne aber diePsychotherapie für Religiosität offenmachen und vice versa könne Religionzur seelischen Heilung beitragen. Wirkönnen „in vereinzelten, beglücken-den, begnadeten Fällen sehen, wie

unbewusst. Sie ist letztlich unzerstör-bar. Frankl glaubte an das Fortbeste-hen der geistigen Person auch hin-ter vordergründiger körperlicher Be-hinderung oder auch hinter einerSymptomatik psychotischer Erkran-kung. Person sein ist sehr konkret(ein „concretissimum“), bleibt aberauch stets Geheimnis, das sich nurteilweise offenbart. Frankl setzte sichzeitlebens und mit Vehemenz gegenalle Formen von Reduktionismus ein,der Mensch sei immer mehr als daswas von ihm sichtbar, fassbar, mess-bar ist, mehr als man ihm potentiellzutraut.

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ReligiösesErleben undGehirn (Teil 2)

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ja der Mensch bekanntlich im über-reichen Maße tut: Die Welt durch dieWissenschaft beherrschbar zu ma-chen, sie sich untertan zu machenund sich zu vermehren, nimmt einAusmaß an, dass vielleicht eine Klima-Katastrophe entsteht, dass die Öko-sphäre so belastet wird, dass sie dieMenschen nicht mehr ernähren kann.

Die Bibel dagegen ist ein Buch derWeisheit, was es nicht darauf anlegt,uns die Welt und uns zu erklären,sondern

1 uns mit Gott als dem Unfass-baren bekannt zu machen in

einem Maße, dass wir es fassenkönnen und

2 uns Verhaltensrichtlinien vor-schlägt, deren Ergebnis im-

mer zu unserem Wohl ist, sodassdas Handeln nach biblischen Ver-haltensrichtlinien immer zum Bes-ten des Menschen ist.

Dieser grundlegende Unterschiedberuht auf der

vordinglichsten Frage des Menschen: Wie kannich in dieser rätselhaft ungewissen Welt leben,ohne Angst zu haben? Mythen geben eine Ant-wort auf diese Frage

Die im letzten Artikel dargestellten Hirnstruk-turen arbeiten aus wissenschaftlicher Sicht ineinem noch nicht verstandenen Maß zusammen,die Welt und ihr Erleben zu erklären.

Sie bilden „innere Landkarten“: MitHilfe von Parabeln (Erklären von Wi-dersprüchen in der Realität) werdenMythen aufgebaut, die uns sagen,was es heißt, Mensch zu sein. In denMythen liegen daher tiefe allgemein-gültige, für alle Menschen bedeut-same Themen und Symbole vor, diedann in der weiteren Kulturgeschichtezu >dem religiösen Erleben als sol-ches< führten.

So erklärt sich auch ein grundlegen-des Verhältnis von Wissenschaft zuder Bibel: Die Wissenschaft versucht,die Welt anhand von Modellen –quasi eine „Landkarte“ – zu erklärenund daraus vorhersagbare Möglich-keiten zur Beeinflussung menschli-chen Handelns abzuleiten. Die Wissen-schaftler haben dabei nicht im Sinn,Gott zu erklären oder überflüssig zumachen. Sie folgen schlicht dem Auf-trag, den Gott Adam und Eva gab, dieWelt sich untertan zu machen, sie zubeherrschen, sich zu vermehren, was

der Patient im Laufe der Psychothe-rapie zurückfindet zu längst verschüt-tet gewesenen Quellen einer ursprüng-lichen, unbewussten, verdrängtenGläubigkeit“. Er unterschied ärztlicheund priesterliche Seelsorge. ÄrztlicheSeelsorge sei „selbstverständlich keinErsatz der eigentlichen und die istund bleibt die priesterliche Seelsorge“.Die Ranghöhe seelischer Gesundheitsei eine andere als die des Seelen-heils. „Die Dimension, in die der re-ligiöse Mensch vorstößt, ist also einehöhere, will heißen umfassendere alsdie Dimension, in der sich so etwas wiePsychotherapie abspielt. Der Durch-bruch in die höhere Dimension ge-schieht aber nicht im Wissen, son-dern im Glauben.“

Bei aller Kompatibilität darf aber dieExistenzanalyse und Logotherapienicht als religiöse oder gar christli-che Therapierichtung bezeichnet bzw.vereinnahmt werden. Für Frankl musssich die Psychotherapie „diesseitsdes Offenbarungsglaubens“ bewe-gen und sich mit der Sinnfrage dies-seits eines theistischen und atheisti-schen Weltbildes bewegen.

Frankl selbst zeigte große Scheu überseine eigene Religiosität zu spre-chen. Er machte dafür sein religiösesSchamgefühl, das ihn hinderte, diereligiöse Intimität preiszugeben. Betenals Vollzug der Religiosität war für ihnebenso intim wie Lieben und Sterben.Glaube lebt im Verständnis Franklsaus seiner unmittelbaren Beziehungzu Gott. So wie man eigentlich übereine Person nicht sprechen könne,sondern nur zu ihr, so könne man umsomehr nicht über die „absolute Person“sprechen sondern nur zu ihr – und zuGott kann man eigentlich nur beten.Für Frankl ist Gott keine Vaterprojek-tion sondern das „Urbild aller Vater-haftigkeit“. Die Erfahrung einer Ge-borgenheit und Verankerung in derTranszendenz erachtet Frankl als wah-res Privileg. Auch die Frage nach Sinnverweist über das „Sinn-Organ Ge-wissen“ auf eine Verantwortung voreiner anderen Instanz, ja vor einerletzten Instanz. Frankl unterschiedden Sinn im Leben (Was ist jetztdran? Was ist für mich dran?) vomSinn des Lebens. Den Sinn des Gan-zen, den „Über-Sinn“ sieht er an eine

„Über-Person“ geknüpft. Aber „je um-fassender der Sinn ist, desto wenigerfassbar ist er“. Gott selbst ist für Franklnur in einer Paradoxie beschreibbar,nämlich in „der gleichzeitigen Trans-zendenz und absoluten Intimität Got-tes, seiner gleichzeitig unendlichenFerne und unendlichen Nähe.“ DenGrenzbereich von Psychotherapie undSeelsorge nannte er vorerst noch ein„Niemandsland, aber welch ein Landder Verheißung“.

Weiterentwicklung undPerspektivenFrankl sah die Logotherapie nie als„Ersatz der herkömmlichen Psychothe-rapie“ an, sondern also die theoreti-sche Verlängerung in den spezifischgeistigen Bereich hinein. Carl Rogersbezeichnete Frankls Gedanken einmalals „outstanding contributions topsychological thought in the last fiftyyears.” In den letzten 10 - 20 Jahrenhat die Existenzanalyse und Logo-therapie eine erfreuliche Anerkennungund Ausweitung erfahren. Frankl plä-dierte stets für eine doppelte Offen-heit, hin zur eigenen Weiterentwick-lung und hin zu anderen Schulrich-tungen. Schülerinnen wie ElisabethLukas machten in ihren Büchern dieLogotherapie leichter verständlichund breiter zugänglich. Andererseitsentwickelte Alfried Längle (Gesell-schaft für Logotherapie und Existenz-analyse GLE) den Ansatz Frankls wei-ter unter der Bezeichnung „PersonaleExistenzanalyse“, indem er u. a. die Be-deutung der Biographie, der Selbst-erfahrung und der Emotionalität so-wie der Integration wertvoller Er-kenntnisse anderer Schulen mehrgewichtete. Frankl mochte 1991 die-sen Schritt nicht mehr mitvollziehen,ohne sich jedoch wirklich auf eineinhaltliche Auseinandersetzung ein-zulassen, und legte die Ehrenpräsi-dentschaft der GLE nieder. So entwi-ckelte sich mit Längle und anderenein starker eigener existenzanalyti-scher Zweig. Weltweit, aber geradeauch im deutschsprachigen Raum,haben sich zahlreiche Institute undAusbildungsangebote entwickelt, dievon der großen Resonanz und Rele-vanz für dieses Menschen- und The-rapieverständnis zeugen.

Dr. med. Hans-Rudolf Pfeifer

Jahrgang 1956, Facharzt für Psy-chiatrie und Psychotherapie ist psy-chiatrischer Chefarzt am Bezirks-spital Affoltern a. A., Schweiz, Zu-satzausbildung in Existenzanalyseund Logotherapie. Dissertationüber V. E. Frankl und Paul Tournier.Er ist Präsident des Vereins christli-cher Fachleute im Rehabilitations-und Drogenbereich (VCRD) undVizepräsident der AGEAS (Arbeits-gemeinschaft evangelischer Ärzteder Schweiz).

Bibliographie V.E. FranklHauptwerke:Frankl V. (1987) Ärztliche Seelsorge. Grund-lagen der Logotherapie und Existenzanalyse.Fischer TB, Frankfurt.Frankl V. (1990) Der leidende Mensch.

Anthropologische Grundlagen der Psycho-therapie. Piper TB, München (Neuausg.).Frankl V. (1985) Der Mensch vor der Frage nachdem Sinn. Ein Lesebuch. Piper TB, München.Frankl V. (1986) Die Psychotherapie in derPraxis. Piper TB, München.Frankl V. (1992) Die Sinnfrage in derPsychotherapie. Piper TB, München.Frankl V. (1994) Der unbewusste Gott. Psycho-

therapie und Religion. Kösel München.Frankl V. (1994) Logotherapie und Existenz-

analyse. Texte aus sechs Jahrzehnten.Quintessenz, Berlin.Frankl V. (1994) Der Wille zum Sinn.Ausgewählte Vorträge. Huber Bern.Frankl V. (1985) Psychotherapy andExistentialism. Selected Papers on Logo-therapy. Washington Square Press, New York.

Weitere verwendete Literatur:Frankl V. (1995) Was nicht in meinen Büchernsteht. Lebenserinnerungen.München: QuintessenzFrankl V. (1981) Autobiographische Skizze.In: Die Sinnfrage in der Psychotherapie.München: Piper, 143-172Längle A. (1998) Viktor Frankl. Ein Porträt.München: PiperLukas E. (1986) Von der Trotzmacht des

Geistes. Freiburg: Herder

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ReligiösesErleben undGehirn (Teil 2)

VON DR. MED.

HERBERT SCHEIBLICH

und schon C. G. Jung erforschte ineiner immensen Fleißarbeit diese so-genannten >Archetypen< der Mensch-heit. Mythen sind immer nach demselben Muster gebildet. Sie werfeneine kritische existenzielle Frage auf,stellen diese in Form unvereinbarerGegensätze dar und bieten eine Lö-sung an, die uns die Ängste nimmt,sodass wir „glücklicher“ auf Erdenleben können, d. h. anders ausge-drückt: Wer eine Religion hat, dessenChance, glücklicher und zufrieden zuleben, ist höher.

Diese Erklärung zur Entwicklung derReligionen ist durch Gedanken derEvolutionstheorie bedingt und be-gründet die vergleichende Religions-forschung. Der „Mythos der Sintflut“ist in ähnlicher Form in vielen religi-ösen Überlieferungen, Geschichtenund Religionen vorhanden. Er verlei-tet zur Annahme, ihm lägen keinehistorischen Fakten zugrunde, son-dern Erfahrungen der Menschen, dieverallgemeinert worden seien undzum psychischen Erbe der Mensch-heit in Form der Archetypen wurden,wie etwa C. G. Jung meinte.

Nun, die Bibel ist kein Märchenbuchund bis zum heutigen Tage erweistsich zunehmend ihre historische Au-thentizität: Es werden z. B. Völker in derBibel genannt, die bisher die Archä-ologie nicht entdeckte und man nunaufgrund biblischer Hinweise z. B.die Urgeschichte neu schreiben muss,wie man am Beispiel der Hethitermerkt.

Eine gegenteilige Erklärung von Mythen ist er-kenntnistheoretisch genauso legitim: Die Mythenentstanden aus dem historischen Handeln Gottesund sind ein gemeinsames Erfahrungsgut derMenschen.

Soweit die Übereinstimmung mit C.G. Jung. Die wachsende Distanz desMenschen zu Gott nach dem Sünden-fall und der größer werdende zeit-liche Abstand zu den historischenEreignissen ließen aber andere Deu-tungsmöglichkeiten, wie oben be-schrieben, zu.

Diese ‚schwere Kost’ ist nun im All-tag jedes einzelnen Christen anzu-wenden. Jeder Mensch macht seineprivaten religiösen Erfahrungen; da-

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FACHKLINIK-NEWS

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mit diese persönliche religiöse Erfah-rung kommunizierbar wird und jeder-zeit erlebbar ist, muss sie gemäß derim ersten Teil des Artikels beschrie-benen Struktur des menschlichen Kör-pers in Form von motorischen Erfah-rungen, persönlichem Denken undsozialem Verhalten in unserer Persön-lichkeit verankert werden: d. h. ohnediese drei Elemente - Körper, Den-ken, soziale Einbettung - entwickeltsich die private religiöse Erfahrungzu einer deformierten Form der Reli-gion bis zum Wahn hin.

Dieser Verankerungsprozess, wieoben beschrieben, geschieht durchRituale.

Das Ritual ist die konkreteste Mani-festation vom Sinn eines Mythos: derBegriff der >Transzendenz< z. B. be-deutet zugleich „den Abstand vonsich selbst zu sich selbst und die Ver-schmelzung mit einer höheren Rea-lität, >Gott<. Dieser Vorgang der Ver-schmelzung mit einem höheren Gan-zen ist die wichtigste Ziel-funktion eines Rituals,denn rituelles Ver-

halten erzeugt in jedem Gehirn einengleichen Funktionszustand und ver-mittelt eine starke emotionale Erfah-rung, Erinnerung und die Kommuni-zierbarkeit mit anderen, also aucheine soziale Einbindung. Diese sozi-ale Einbindung setzt sich im Ritualaus rhythmischen Gesten und Gebär-den zusammen, die starke Gefühls-zustände bewirken und Einheits-erfahrung in der Gruppe hervorrufen.

Dies kann z. B. durch ritalisierten Ge-sang und Tanz geschehen, verbun-den mit dem Gedanken, jedes Ritualist bedeutungsvoll, und macht somitaus seinem Sinn eine fassbare Erfah-rung; aus geistig-geistlichen Geschich-ten werden somit geistlich-geistigeErfahrungen. Hier zeigt sich die „Fähig-keit des Aufmerksamkeitsfeldes“, dieIntensität dieser Erfahrung zu steu-ern.

Das autonome Nervensystem ver-mittelt diese Erfahrung, die im Ge-hirn sich abspielt, dem Körper undführt zu einer Harmonisierung der

Körperabläufe. Dies ist eine Ur-sache, dass Religionen zu ei-

nem entspannteren Lebens-stil und zu einer erhöhten

psychischen Stressresis-tenz beitragen können.

das einfache Mitglied führt automa-tisch zu einer Entleerung des Inhal-tes und damit zu einer nur mehr for-malen Durchführung des Rituals. Dierichtige Durchführung des Rituals istdann wichtiger als der subjektiveBezug. Diese Entfremdung ist häu-fig in der Bibel beschrieben und ei-ner der Hauptvorwürfe von Jesus andie Pharisäer; es gibt daher in derreligiösen Welt viele sich ähnelndenRituale, die jedoch jeweils einen voll-kommen anderen Inhalt in der Psy-che zugrunde liegend haben.

Christen sollten sich daher nichtscheuen, Rituale anderer Religionenanzuschauen und sie auf den „Kopfder Religion“ – Christus – zu bezie-hen. Viele Religionen gewinnen da-durch ihre Akzeptanz, dass sie nichtein ausgefeilteres philosophischesSystem, wie es „das Christentum alsReligion“ tut, anbieten, sondern vielnäher an diesen psychischen undkörperlichen Automatismen mit ihrenreligiösen Riten sind, wie das Chris-tentum.

Die Alltagserfahrung, dass ein bloßerGedanke im Kopf dieselben psychi-schen und physischen Vorgänge aus-löst, wie äußere Reize, ist jedem zu-gänglich. Das visuelle und sprachlich-auditive Assoziationsfeld ermöglichendies; es eröffnet dem Individuumauch Möglichkeiten, Probeverhaltenin der Vorstellung, ohne entsprechen-de körperliche und soziale Aktivitä-ten zu bilden, durchzuführen.

Diese Eigenschaft ist ein großes Ge-schenk Gottes an den Menschen, ge-nannt >Kreativität< und >Phantasie<.Sie schafft spekulative Erklärungenfür die Welt, für den Menschen undüber Gott.

Die Erfahrung von Mythenbildung undRitualen führt andererseits aber zueinem tieferen Verständnis unseresreligiösen Lebens, denn es bedeutet,dass jedes Gehirn religiös empfindenkann und somit auch religiös orga-nisiert ist.

Die oben angedeutete religiöse undsomit ‚christliche Einheitserfahrung’kann aber unterschiedliche Tiefen er-reichen. Diese Tiefe ist über verschie-dene Wege zu erreichen.

Fortsetzung auf Seite 25

Religionen,die viele Ritu-ale in ihrer Li-

turgie verwen-den, sind erfah-

rungsorientiert unddaher immer aktuell

für den Alltag des An-wenders. Sie beinhalten

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Führer; ihre (Rituale) übermä-ßige Anwendung durch

Die ambulante medizinischeRehabilitation hat ihre

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Page 12: De'ignis Magazin Nr. 30

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WOHNHEIM-NEWS

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DE’IGNIS-Magazins bemühen

wir uns, Themen auszusuchen,

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wirklich „etwas zu sagen ha-

ben“. Wir hoffen, dass uns das

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ein Magazin erhalten, das Ihnen

wertvolle Informationen bringt.

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Sie können sich sicherlich vor-

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Spendenkonto:DE´IGNIS-FachklinikVolksbank Nordschwarzwald eGKonto 62168 00 (BLZ 642 618 53)

Auf Anregung einiger Leser

möchten wir an dieser Stelle

darauf hinweisen, dass wir für

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NeueTermine 2006:

24. - 28. April 2006

25. - 29. Sept. 2006

Supervisionstage:Supervisionstage:Supervisionstage:Supervisionstage:Supervisionstage:17. März 2006

06. Oktober 2006

DE´IGNIS-AKTUELL Seite 22Institut DE´IGNIS-AKTUELL Seite 23Wohnheim - Haus TABOR

Page 13: De'ignis Magazin Nr. 30

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Es gibt die passive Methode in Formeiner „inneren Versenkung durch ei-nen Willensakt“ und „Ausschluss dersensorischen Funktionen“, oder denaktiven Weg, in dem wir uns - inchristlichen Kreisen bevorzugt - aufeinen Gedanken, z. B. ‚das eine’ WortGottes konzentrieren. Dadurch könnenz. B. Christen das Aufmerksamkeits-feld des Gehirns maximal anspannenund das Orientierungsfeld blockieren.

Dies kann zu einer Erfahrung desabsoluten Einseins mit Gott führen.

Solche Erfahrungen stellen den Ur-sprung der Religion dar. Sie entwi-ckelten sich in späterer Zeit dazu,dass man quasi in einer Art von „ver-traglicher Vereinbarung mit einerhöheren Instanz“, sich in Sicherheitwiegt, wenn man Rituale durchführt.Religion wird also nur dann glaub-würdig, wenn sie ein Gefühl existen-zieller Sicherheit vermittelt. Die mo-derne Neurologie erklärt uns eindeu-tig, wie diese spirituellen Erkenntnis-se in der Neurologie des Gehirns unddes Körpers – vegetatives Nerven-system – passieren.

Es bleibt daher die große Frage: Ist die-ser Vorgang ohne Gott möglich oderstellt er ein Fenster zu Gott hin dar?

Der neurobiologische Aspekt von spirituellenErfahrungen erhärtet aus meiner Sicht das Gefühlder Wirklichkeit Gottes, ohne ihn zu beweisen;

denn Gott bricht in das Erleben, in dieNeurologie des Gehirns von Men-schen ein, ohne dass diese sich in einRitual oder eine religiöse Einheitser-fahrung begeben, wie viele „Erklä-rungserlebnisse“ beweisen.

Unsere moderne Auffassung, dassalles Reale ‚stofflich’ ist, ist falsch.Auch in unseren Gehirnen existierteine – neurobiologische - >Realität<,die genauso schaffend und real ist,wie wir selber. Wir dürfen daher nichtin den Fehler verfallen, das Gehirn alsdasselbe anzusehen wie den >Geist<,und Gott und unser Ich als dasselbeanzusehen wie unseren >Geist<.

Ich denke, es ist vielmehr so, dassder Geist Gottes - und somit unserGeist - vor dem Ich und >Selbst< exis-tierten und unserem Gehirn in unter-schiedlichster Weise, wie oben be-schrieben, Gotteserfahrungen liefern.

Es führt aber auch dazu, dass einige Religionen- aufgrund dieser für alle Menschen gleichen neu-rologischen Vorgänge, Mythen und sozialen Er-fahrungen – wohl miteinander verwandt sind,aber im Grunde keine Einheitserfahrung von Gottdarstellen.

Von der katholischen Kirche gedul-dete >Interspiritualität< ist für denchristlichen Glauben gefährlich, weilirreführend. Wir können und dürfenuns im Christentum gegenüber an-deren Religionen - besser gesagt,anderen transzendenten Erfahrun-gen - abgrenzen auf die Trinität Got-tes hin. Die Gefahr eines einseitigenGottesbildes von einem personalenGott, der straft oder zugleich gütig alsVater ist, beinhaltet eine Reduktionvon Erfahrungen, die immer zu Ein-seitigkeiten führt, wie die Religions-geschichte gezeigt hat. Die TrinitätGottes führt aber dazu, dass wir dieverschiedenen religiösen Erfahrun-gen an verschiedenen ‚Enden’ derTrinität anknüpfen können. Wir erle-ben Jesus als den Herrn und Freundin Form eines starken Ideals. Wir er-leben Gott als den Vater, als den, deralles in der Hand hat und ordnet undsomit unsere mehr oder wenigernegative Vatererfahrung ‚aufarbeitet’.Und den Heiligen Geist erleben wirals das Allverbindende und Umsor-gende, ähnlich der Mutter.

Diese tiefenpsychologische Deutungder Trinität soll uns nur die unendlicheKomplexität Gottes greifbar machen.

Zusammenfassend:Die moderne Hirnforschung liefertuns eine Erklärung für bestimmte reli-giöse Phänomene; die daraus resul-tierenden Schlussfolgerungen solltenwir beachten, damit wir unser eigenesreligiöses Erleben und Handeln bes-ser verstehen können. Sie erklärt unsmanche Phänomene, positiver wienegativer Art, in christlichen Gemein-schaften, die auf Ritualen beruhenund in der Gefahr stehen, bei beson-derer Bevorzugung durch Einseitig-keit die Sektenbildung zu fördern.

Diese Erklärungen bieten jedoch kei-nen Beweis für Gott, sondern im Sinnder oben beschriebenen Phänome-nologie zeigt sich in unserem religi-ösen Handeln eine Zielgerichtetheit,

Dr. med. Herbert Scheiblich

Arzt für Psychiatrie und Psycho-therapie, bis 1994 leitender Arztder DE´IGNIS-Fachklinik gGmbH,jetzt eigene Praxis in Altensteig.

eine Intentionalität ab, die auf Gottausgerichtet und nicht aus evoluti-onären Gedankengebäuden zu erklä-ren ist.

Wie schon gesagt: Die Bibel will unsnicht darin unterweisen, wie wirfunktionieren, sondern wie wir in ei-ner guten Beziehung zu Gott und denMitmenschen und uns selbst lebenkönnen.

Die Wissenschaft erhellt uns einStück vom „Uhrwerk der Schöpfung“und ersetzt uns nicht Gott. Neuro-biologische Erkenntnisse sollen unsnicht dazu verleiten, uns wie Gott zufühlen und wie Gott zu handeln, son-dern uns demütiger werden zu lassenangesichts der Allmacht und GrößeGottes.

Wenn in diesem Sinne alle Wissen-schaft die „Magd Gottes“ ist, denkeich, wird sie recht gebraucht.

Literatur:Newberg/Aquill „Der gedachte Gott“ ,Pieper-Verlag

Zeitschrift Gehirn und Geist „Wozu Religion“Nr. 12/2005

Horst W. Beck „Biblische Universität undWissenschaft“ , Gustav-Sievert-Akademie

Karen Caplan and Solms „Neuropsycho-analyse“ , Verlag Klett-Gotha

Fortsetzung von Seite 16

Ambulante Therapie und BeratungDE´IGNIS-Gesundheitszentrum, Sommerstraße 1, 72227 Egenhausen, Telefon 0 74 53/93 91-0DE´IGNIS-Wohnheim, Fred-Hahn-Straße 32, 72514 Engelswies, Telefon 0 75 75/92 50 70Ulrike Hauer, Beratungsstelle, Bitscher Straße 20, 66996 Fischbach b. Dahn, Telefon 0 63 93/56 86Dorothea Reuther, Beratungsstelle, Dillweißensteiner Straße 9, 75180 Pforzheim, Telefon 0 72 31/78 40 88-0Annett Schmidt & Katrin Lehmann, Beratungsstelle, Trachenbergerstr. 25, 01129 Dresden, Telefon 03 51/8 43 87-77Dr. med. Doris Schneider-Bühler, Beratungsstelle, Rauhenbergstr. 24, 78262 Gailingen, Telefon 0 77 34/93 59 96Dagmar Göhring, Beratungsstelle, Auf der Höhe 4, 88636 Illmensee, Telefon 0 75 58/93 85 66Marion Geißler, Beratungsstelle (im cBZK), Franz-Vetter-Str. 1, 34131 Kassel, Telefon 05 61/8 20 33 69Sylvia Haufe, Beratungsstelle, Schützenallee 52, 79102 Freiburg, Telefon 07 61/7 07 75 01Magadalene Schnabel, Beratungsstelle, Max-Liebermann-Str. 9, 73257 Köngen/N., Telefon 0 70 24 /8 68 91 69

Christliche Therapeuten und Berater (DE´IGNIS):Anna Beraldi, Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie, Nußbaumstr. 7, 80336 MünchenManfred Dersch, Arche e.V., Beratung für Kinder und Jugendliche, Mushecke 19, 35216 BiedenkopfMichael-Christian Diehl, Friedhofstraße 10, 35713 EschenburgDr. med. Sibylle Domnick-Lüdke, Breite Straße 103, 76135 KarlsruheChristel Dürr, Hegenichstraße 30, 69124 HeidelbergErika Gesper, Alte Jakobstraße 75, 10179 BerlinDr. med. Jutta Günther, Hermannstraße 23, 75428 IllingenDr. med. Kirsten Hautmann-Flesch, Kalmitweg 53, 67117 LimburgerhofAndrea Herzog, Susanne-Pfisterer-Straße 6, 69124 HeidelbergKaren Kammler, 16727 Oberkrämer, E-Mail: [email protected] Lindgen, Döbernstr. 10, 25551 HohenlockstedtEva-Maria Löffler, Pöhlauerstraße 18, 08066 ZwickauHeike & Mario Reinicke, Am Hungerberg 4, 36272 NiederaulaDr. med. Roland Rauscher, Praxis, Lange Straße 20, 72829 GroßengstingenDr. med. Bernhard Stoll, Hosanna-Beratungsstelle, Feldstr. 77, 45968 GladbeckInge Westermann, Bahnhofsallee 56, 26135 Oldenburg

Mit diesem Vers blicken wirvoller Dankbarkeit zurück,und wünschen Ihnen damitein besinnliches Weihnachts-fest sowie ein hoffnungsvollesund gesegnetes neues Jahr.

Du bist der Herr,unser Gott,auf den wir hoffen;denn du hast das allesgemacht.

Jeremia 14,22

DE´IGNIS-AKTUELL Seite 24

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ngerecht! Das ist ungerecht! –Dieser Schrei ertönt nach wievor in allen Kinder- und Schul-

stuben. Und auch durch viele Medienund Wohnstuben Deutschlands ist erin den letzten Jahren gehallt: HartzIV z. B. wird als ungerecht empfun-den, viele demonstrierten dagegen.Während die Ärmsten Abstriche ma-chen müssen, sind die Manager-gehälter exorbitant gestiegen: Derdurchschnittliche Vorstandsbezug,z. B. bei der Deutschen Bank, war1990 32 Mal so hoch wie ein durch-schnittlicher Arbeitnehmerverdienst,im Jahre 2003 war er 240 Mal so hoch!1

2003 verdiente Joseph Ackermann, der

Ist soziale Gerechtigkeitheute eine Illusion?

VON DR. GERD FLÜGEL

Chef der Deutschen Bank, 7.720.000Euro; eine 50 Jahre alte Kranken-schwester einer Intensivstation müss-te dafür ca. 228 Jahre arbeiten; der „ge-gangen wordene“ Daimler- Chrysler-Chef Jürgen Schrempp hat nach Be-rechnungen eines Wirtschaftspro-fessors in seiner 10-jährigen Amts-zeit eine Gesamtvergütung von etwa100 Millionen Euro erhalten.2 Wäh-rend die Gewinne mancher Unter-nehmen außergewöhnlich stiegen,wurden gleichzeitig Stellen abgebaut;der „einfache Mann“ ist von Arbeits-losigkeit bedroht. Die Kapitalismus-Kritik Münteferings, die manche Inves-toren als >Heuschreckenschwärme<

gebrandmarkt hat, wurde, obwohl siewahlkampftaktisch vor der Landtags-wahl in Nordrhein-Westfalen einge-setzt war, von Vertretern vieler Parteienbegrüßt. Irgendwie empfinden viele,dass sich die soziale Gerechtigkeit inDeutschland zur Zeit in Schieflagebefindet.

Soziale Gerechtigkeit – einGrundbedürfnis des MenschenWarum werden wir bei ungerechtenZuständen so schnell zornig und fan-gen lauthals an zu schimpfen? Esliegt natürlich daran, dass uns als Ge-schöpfen und Ebenbildern Gottes einstarkes Gerechtigkeitsempfinden zueigen ist. Nach Psalm 97 sind „Ge-

rechtigkeit und Recht...die Grundfeste

seines Thrones“ (V. 2) und verkündendie „Himmel...seine Gerechtigkeit“

(V.6). Wir beziehen diese Gerechtigkeitmeist auf die Heiligkeit Gottes, die einvölliges Abgesondertsein von jegli-cher Sünde und negativer Haltungbedeutet. Aber umfasst sie auch soetwas wie soziale Gerechtigkeit?John Wimber formuliert pointiert: „So-ziale Gerechtigkeit ist ein Kernstückdes Evangeliums. Jesus zitierte einebekannte Stelle aus Jesaja 61, umseinen Dienst einzuleiten und seinenAuftrag anzukündigen: „zu verkündigendas Evangelium den Armen...und den Zerschla-genen, dass sie frei und ledig sein sollen, zuverkündigen das Gnadenjahr des Herrn’ (Lk 4,18-19)“ 3 Mit dem Gnadenjahr beziehtsich Jesus auf das sogenannte Jubel-jahr (von „jobel“, Widderhorn) in3. Mo 25, nach dem alle 50 Jahre dieFamilien wieder ihr Familieneigen-tum zurückbekamen. Es fand alsoeine große Umverteilung jeweilsnach einem Lebensalter an Arbeitstatt. Gott wollte damit Großgrund-

besitz verhindern, er zielte auf einegleichmäßige Verteilung des Landesbei den freien Bauern Israels ab, wieüberhaupt es unter seinem Volk „keineArmen geben“ (5. Mo 15,4) sollte. Alle7 Jahre sollten außerdem im so ge-nannten Sabbatjahr die Schulden er-lassen werden. Jubel- und Sabbat-jahr wurden am Versöhnungstag aus-geblasen, sie waren Gott „heilig“ (3. Mo 25,12) und zeigten damit, dass Versöh-nung und Heiligung schon im ATsoziale und gesellschaftliche Auswir-kungen beinhalteten. 4

Das Jubeljahr fand nur jedes 50. Jahrstatt, Jesus aber kündigte an, dassdas anbrechende Königreich Gottesdiese Art von Gerechtigkeit ständigwiderspiegeln soll. Sicherlich hatJesus in erster Linie den geistlichenund seelischen Bereich im Blick, er legtdas Sabbat- und Jubeljahr gleichsamweiter aus; aber sein Dienst war immerauch mit einem Dienst an den Ärms-ten verbunden. „Wenn wir Gemein-schaft mit Gott haben und wenn wirin seinem Königreich leben, werdenwir Gerechtigkeit für alle Menschenum uns herum suchen. Soziale Ge-rechtigkeit ist keine neue Botschaft,sie entspringt direkt der Botschaft derVergebung und dem neuen Leben inJesus.“ 5 Die Kirchengeschichte be-stätigt das: Geistliche Erweckungenwaren oft mit sozialen Fortschritten ver-bunden, so die ersten Reformen des

Frühkapitalismus im Anschluss anJohn Wesley (1703 -1791), die dannauch den Boden bereiteten für denSozialstaat in Deutschland.

Was ist überhaupt sozialeGerechtigkeit?Eine heutige Definition: „Letztendlich

dreht sich die Frage dersozialen Gerechtigkeitimmer um die der Gleich-heit. Wie gleich müssendie Bürger, wie unter-schiedlich dürfen sie sein,damit eine Gesellschafts-ordnung als gerecht emp-funden wird. Das heißt,soziale Gerechtigkeit hatnicht die Gleichheit allerGesellschaftsmitgliederzum Ziel, sondern das Maßder sozialverträglichen Un-gleichheit. Dass jemand,der viel und fleißig arbei-tet, mehr verdient als je-mand, der faul und nach-lässig ist, dürfte allgemeinakzeptiert sein.“6

Neben dieser so genannten Leis-tungsgerechtigkeit („Option für dieStarken“) kann es aber auch einedurch eine unverschuldete Notlageentstandene Bedürftigkeit geben, diezu berücksichtigen ist. („Option fürdie Schwachen“) Zwischen den Prin-zipien der leistungsgerechten Entloh-nung und der bedürfnisgerechten Ver-sorgung steht dann noch als drittesPrinzip das der Verhältnismäßigkeit,denn eine unverhältnismäßige Un-gleichverteilung muss eine Gesell-schaft destabilisieren und mindertzugleich den allgemeinen Wohlstand,da immer mehr Mittel zur Aufrechter-haltung der öffentlichen Sicherheitaufgewendet werden müssen. 7

Außerdem ist ja Entlohnung nichtimmer leistungsgerecht. Dass einModel x-mal so viel verdient wie eineKrankenschwester in der Intensivsta-tion hat sicherlich nichts mit Leis-tungsgerechtigkeit zu tun, sondernmit Glück, gesellschaftlichen Ansich-ten über Schönheit - und dem Markt.Der Markt als das Aufeinandertreffenvon Angebot und Nachfrage schafftz. B. bei Models, Sportlern und Enter-tainern völlig übersteigerte Einkom-

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men. Der Bundeskanzler verdient vielweniger als ein 22-jähriger Bundes-ligaspieler. Ist das gerecht? Was wirin Deutschland für sozial gerecht hal-ten, ist immer eine Sache der Bewer-tung und muss politisch ausgehan-delt werden. Im Sozialstaat Deutsch-land wird diese durch den Markt ent-standene Ungerechtigkeit versuchtabzumildern, indem höhere Einkom-men durch die progressive Steuernicht nur absolut, sondern auch re-lativ stärker belastet werden. DasModell der so genannten „SozialenMarktwirtschaft“ geht davon aus,dass der reine Markt allein nicht ge-nügt, sondern dass für eine sozialgerechte Gesellschaft der Staat invielen Bereichen als Regulativ auftre-ten muss, z. B. durch Sozial- oderWettbewerbspolitik. Innerhalb dieserstaatlichen Rahmenordnung findendann vielfältige Umverteilungen statt,die auf einen sozialen Ausgleich ab-zielen.

Es gibt aber heute nicht nur großeUngleichheiten zwischen den ver-schiedenen Berufstätigen (Bundes-kanzler, Fußballprofi, Model), son-dern auch Ungleichheiten zwischendenen, die einen Job haben, unddenen, die arbeitslos sind. Es gehtalso heute hinsichtlich von sozialerGerechtigkeit auch um Fragen dergesellschaftlichen Teilhabe. Dazukommen noch die der Generationen-gerechtigkeit, wenn z. B. im Zuge dessog. Generationenvertrags heutigeArbeitnehmer für die Renten undPensionen der älteren Generationenbezahlen oder der Staat durch seineVerschuldung hohe Lasten auf unsereKinder legt.

Die Schwierigkeiten inglobalisierten ZeitenWas bis vor einiger Zeit noch recht gutfunktionierte in Deutschland, scheintheute Probleme zu machen. In globa-lisierten Zeiten ist es möglich, dasshoch besteuerte Arbeitnehmer undArbeitgeber die Länder als Wohnsitzwechseln „wie die Hemden“. Außer-dem steht der stark angewachseneSozialstaat unter Finanzierungsprob-lemen wegen der demographischenEntwicklungen (immer mehr alte Men-

schen, immer weniger junge) und dersteigenden Arbeitslosigkeit. Dazu se-hen sich die Unternehmen durch dieLiberalisierungen im europäischenBinnenmarkt und globalen Welthan-del einem verstärkten Wettbewerbausgesetzt. Dieser trifft vor allem dieStaaten hart, die wie Deutschland undFrankreich ihre staatliche Sicherungnach dem so genannten kontinental-europäischen Modell strukturiert ha-ben. Die deutsche Sozialversiche-rung wird nicht über Steuern, son-dern über Sozialabgaben finanziert:Renten-, Arbeitslosen-, Kranken- undPflegeversicherung je zur Hälfte durchArbeitnehmer (Arbeiter und Ange-stellte) und Arbeitgeber, die Unfall-versicherung ganz durch die Arbeit-geber. Damit liegt ein Großteil unse-res Sozialstaats auf den Schulternder Arbeitnehmer und Arbeitgeber;und die Arbeit wird durch die steigen-den Beiträge sehr teuer. Die West-deutschen liegen meist internationalan der Spitze der Arbeitskosten, dieaus Lohn und Lohnnebenkosten (ca.80 % der Lohnkosten) bestehen. Umdas auszugleichen, wurde in Deutsch-land dort, wo es möglich ist, dieProduktivität (z. B. durch verstärkteRationalisierungen) erhöht, so dassDeutschland trotz höchster Arbeits-kosten immer noch eine hohe Wett-bewerbsfähigkeit besitzt und oftExportweltmeister sein konnte – aller-dings auf Kosten einer steigendenZahl von Arbeitslosen! Die hohen Ar-beitskosten führen nun dazu, dassKapital verstärkt abwandert und vorallem geringqualifizierte Arbeit immermehr nach Osteuropa oder Asien ver-legt wird. Das heißt, die deutscheWirtschaft steht mit der Globalisie-rung in einer wachsenden Spannungzwischen Wirtschaftlichkeit und sozi-aler Gerechtigkeit.

Die Entstehung eines weltweitenKapitalismus nach dem Zusammen-bruch des Kommunismus und dieforcierte Liberalisierung der Märkte,durch EU und WTO (Welthandels-organisation), schafft vielen Ländernmit erweiterten Märkten erheblicheWohlstandsgewinne. Auch globali-sierte Länder der 3. Welt profitieren(z. B. Südkorea, jetzt China), im Ge-gensatz zu Ländern (z. B. in Afrika),

die an der Globalisierung nicht teil-nehmen bzw. teilnehmen können.Allerdings treten auch erheblichesoziale und ökologische Problemeauf. Ein Beispiel: In China gibt es ca.200 Millionen Wanderarbeiter, 1,3Millionen arbeiten in Peking, z. B. amneuen Olympiastadion oder bei derSchienenverlegung für die neue U-Bahn; doch nur 2 % von ihnen sindunfallversichert, jedes Jahr sterbenauf Pekings Baustellen 2.000 Men-schen. In China ist nur jeder 6. kranken-versichert, Millionen Chinesen müs-sen jedes Jahr frühzeitig sterben,weil sie für Arzt und Medikamentenicht bezahlen können.8 In einemFernsehbericht vom Juni 05 konnteman einen Wanderarbeiter sehen,der vor der Kamera seinen Oberkör-per entkleidete: Wegen mangelndenArbeitsschutzes waren ihm von einerMaschine beide Arme an den Arm-gelenken herausgerissen worden! Erund seine Familie bekamen nur einegeringe Entschädigung für diesenUnfall.

Zwar wächst die Wirtschaft in denmeisten Ländern der 3. Welt, aberunter hohen menschlichen Kosten,unter Arbeitsverhältnissen, die denunsrigen im 19. Jahrhundert gleichen.Und insgesamt geht die Schere zwi-schen reichen und armen Ländernauseinander. Immer noch müssenca. 1 Milliarde Menschen mit weni-ger als einem Dollar pro Tag aus-kommen. Sie gelten als absolut arm,d. h. sie können nicht einmal die grund-legendsten Bedürfnisse wie Ernäh-rung, Kleidung, Wohnung, Gesund-heit und Bildung befriedigen und lebenunter menschenunwürdigen Bedin-gungen. In den Entwicklungsländernist das ca. jeder Fünfte.9 Jeden Tagsterben ca. 20.000 Menschen, weil siezu arm sind, um am Leben zu bleiben;jedes Jahr sind das nach Berechnun-gen der UNO etwa 8 Millionen Men-schen.10

LösungsmöglichkeitenEs geht auf internationaler Ebene

darum, eine sozialere und gerechtereGlobalisierung zu erreichen. Ähnlichwie der Frühkapitalismus in Europaerst durch eine politische und sozialeRahmenordnung seine unmenschli-

chen Auswüchse verlor, ist auf globa-ler Ebene eine internationale Rah-menordnung vonnöten, z. B. durchWTO und UNO. In dieser Rahmen-ordnung sollen nicht die sozialen Er-rungenschaften der reicheren Länderauf die ärmeren übertragen werden –das könnten diese wirtschaftlich nichtverkraften –, sondern es wären sozialeund ökologische Mindeststandardszu vereinbaren, wie z. B. gewerk-schaftliche Vertretungsrechte, Arbeits-schutz, eine gewisse Kranken- undUnfallversicherung usw. Durch sol-che Mindeststandards versucht manin der EU, ein sozialeres Europa zuschaffen, und in gewisser Weise spie-gelt sich ja in der EU eine Globa-lisierung im Kleinen, gegenüber derWeltgesellschaft natürlich auf höhe-rem wirtschaftlichem und sozialemNiveau. Obwohl die Konzepte eigent-lich vorliegen, wehren sich viele Län-der dagegen, auch Entwicklungslän-der, weil letztere durch diese Aufla-gen ihre Standortvorteile im interna-tionalen Wettbewerb schwinden sehenund natürlich auch die Gewinne derEliten in diesen Ländern geschmälertwürden. Ohne solche Mindeststan-dards und ohne einen Schuldenerlass,den Gott schon im AT für unverzicht-bar hält, ist ein menschenwürdigesLeben für die Ärmsten nicht zu ver-wirklichen.

Diese internationale Rahmenordnungbedarf immer der Verbesserung: Wirsehen das z. B. auf europäischer Ebe-ne, wo wir zur Zeit eine Mindestbe-steuerung für Unternehmen benöti-gen. Wenn osteuropäische Länderder EU den ausländischen Unterneh-men wenig bis keine Steuern abver-langen, gleichzeitig aber über die rei-chen Länder der EU Hilfsgelder kas-sieren, ist das ungerecht und führtinsgesamt zu Steuerdumping. Einanderes Beispiel: Skandalöserweisetragen wir Europäer zur Armut der3. Welt erheblich bei, indem wir ge-gen die eigene marktwirtschaftlicheFreihandelsdoktrin planwirtschaftlicheAgrarsubventionen für die Landwirt-schaft bezahlen, die fast die Hälftedes EU-Haushalts ausmachen. DieseAgrarsubventionen behindern denHandel der 3. Welt mit Agrargütern,die Verluste werden auf ein Vielfaches

der weltweit gezahlten Entwicklungs-hilfe beziffert!

Weil auf internationaler Ebene eineRahmenordnung erst in Ansätzenvorhanden ist und durch national-staatliche Egoismen immer wiederverhindert wird, muss natürlich auchauf nationaler Ebene reagiert werden.Dabei geht es vor allem darum, So-zialstaat und Globalisierung kompa-tibel zu gestalten. Für Deutschlandzeigen sich zwei Wege:

Der erste liegt eher im angelsäch-sischen Modell des Sozialstaats,

das nur auf eine soziale Grundsiche-rung setzt und z. B. Gesundheit, Bil-dung u. a. privat organisieren lässt.Gegenüber unserem heutigen Sys-tem würde das auf einen Abbau desSozialstaats hinauslaufen. In denUSA z. B. konnten viele neue Jobsgeschaffen werden, vor allem imNiedriglohnbereich. Ein kritischerWitz dazu: „Es wurden 100 neue Jobsgeschaffen, ich habe 3 davon.“ Ver-stärkt taucht das Phänomen der„working poor“ auf. Im Film „Bowlingfor Columbine“ von Michael Moorewird der Fall eines Grundschülers be-richtet, der eine Mitschülerin erschos-sen hat. Bei den Recherchen stelltesich heraus, dass die allein erziehendeMutter zwei Jobs machen musste,um überleben zu können, und nachtsimmer erst sehr spät nach Hausekam.

Der zweite Weg liegt eher im skan-dinavischen Modell, das es schafft,

Globalisierung und hohen Sozialstaatmiteinander zu verbinden, und des-sen Länder ähnliche Arbeitslosen-quoten aufweisen wie USA und GB.Der Grund liegt in einer anderenStruktur des Sozialstaats, der nichtso sehr auf der Arbeit liegt, sonderneher steuerfinanziert wird. Dadurchwird Arbeit in diesen Ländern wesent-lich billiger als in Deutschland. „Derzweite Hebel, den die Skandinaviernutzen, ist die duale Einkommens-steuer. Sie besteuert Arbeitslöhnehoch, während Einkünfte aus Kapi-tal – etwa Unternehmensgewinne,Zinsen und Dividenden – kaum be-lastet werden. So haben Finnland,Norwegen und Schweden in den letz-ten 15 Jahren ihre Steuersätze für Kapi-

taleinkommen halbiert. Statt bisher72 Prozent verlangen sie nur noch 28bis 30 Prozent. Diese Sätze gehörenzu den niedrigsten aller Industrie-länder. Dafür ist die Steuerbelastungfür Arbeitnehmer in Skandinavien,trotz leichter Entlastungen, immernoch sehr hoch. Allerdings trifft esvor allem die Besserverdiener. DieSpitzensteuersätze liegen bei 52 bis56 Prozent… Anders als die Deut-schen schaffen es die Skandinavierauf diese Weise, ihren großzügigenSozialstaat zu erhalten, ohne Inves-toren abzuschrecken – und gleichzei-tig für sozialen Ausgleich zu sorgen.Nirgendwo sonst in Europa liegenReich und Arm so nah beieinanderwie in Skandinavien.“11

Die Situation Deutschlands ist nachden Autoren des eben zitierten Zeit-Artikels „Der wankende Staat“ folgen-de: Wie der Esel des französischenPhilosophen Buridan steht es zwi-schen zwei Heuhaufen und kann sichnicht entscheiden, von wem es fressensoll – und verhungert! Beiden großenParteien mangelt es an überzeugen-den Konzeptionen und Visionen; sieschwanken zwischen beiden Model-len!11

Was braucht Deutschland amdringendsten?Nochmals zu Hartz IV: Das Prinzip„Fördern und Fordern“ scheint in dierichtige Richtung zu weisen, indemversucht wird, über finanzielle An-reize den gegenüber anderen Län-dern hohen Anteil an Langzeitar-beitslosen abzubauen – wenn esdenn genügend offene Stellen gäbe.Das Fordern von mehr Eigenver-antwortung wirkt, vor allem im Osten,überzogen und versickert in bürokra-tischem Mehraufwand. Da man nie-mand Stellen vermitteln kann, die esnicht gibt, ist das Schaffen neuerJobs die vordringlichste Aufgabe vonWirtschaft und Politik. Die Ungerech-tigkeiten für die Ärmsten, beispiels-weise die zu kurze Laufzeit von Arbeits-losengeld I (obwohl man lange selbsteinbezahlt hat), der Zugriff auf müh-sam erworbene Altersersparnisse(z. B. bei Lebensversicherungen), derfalsche Anreiz, getrennt zu leben (da-

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Lebenshunger - Berichte vonMenschen, die mit ihrerEssstörung zu kämpfen haben

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„Ich weiß nicht mehr, was der Aus-löser dafür war, dass ich abnehmenwollte. Weder war ich zu dick, nochhatte irgendeiner zu mir gesagt, ichsolle doch etwas abnehmen. Ich fandganz einfach plötzlich Gefallen daran,den ganzen Tag lang über Essen nach-zudenken, die Kalorien zu zählen, vielSport zu treiben und diesen Bereichmeines Lebens allein zu beherrschen.Hier konnte mir keiner etwas verbie-ten, sich niemand nachdrücklich ein-mischen. Dieser Bereich gehörte mir!Darüber verfügte ich allein. Zugleichversprach er mir Halt und Orientie-rung im Leben - ja, er gab ihm sogareinen Sinn.

Ich hatte alles im Griff. Ich war der Chef.Ich konnte bestimmen, wie viel ichaß und wie viel ich abtrainierte. Dochunbewusst geriet ich immer tiefer indie Sucht. Sie machte mit mir, wassie wollte. Nicht mehr ich hatte sie inder Hand, sondern sie mich. Und jemehr ich hineingeriet, desto mehrzog ich mich aus dem normalen Lebenzurück. Ich igelte mich regelrecht ein.Einerseits wusste ich, was ich tat undwie sehr mich diese Abhängigkeitumklammerte. Andererseits wollte ichsie nicht aufgeben. Dazu war ich inzwi-schen auch nicht mehr fähig. Gera-dezu verzweifelt fragte ich mich: Waswürde geschehen, wenn die Mager-sucht plötzlich nicht mehr da wäre? Siewar doch mein bester Freund, zugleichaber auch mein schlimmster Feind.

Und es ging weiter mit mir bergab.Wenn ich in den Spiegel blickte,konnte ich mich nicht mehr richtigsehen, alles war wie von einem Nebelzugedeckt - meine Gedanken, meineGefühle und mein schon skelett-artiges Aussehen. Ich erkannte auchnicht die Gefahren, auf die ich lang-sam zusteuerte. Schließlich brachtenmich meine Eltern ins Krankenhaus,mein Gewicht befand sich an deruntersten Grenze, ich musste ärztlichüberwacht werden.

Meine Eltern erlebten das allesschmerzlich mit. Ich wusste, dass sieGott im Gebet immer wieder anfleh-ten, doch einzugreifen. Sie selbstkonnten mir nicht helfen. Hätten Siemich gedrängt zu essen, hätte ichwahrscheinlich aus Protest noch we-niger zu mir genommen. Nach demKrankenhausaufenthalt fuhr ich mitmeiner Cousine in den Urlaub. Nachdem Urlaub hatte ich ein eigenarti-ges Erlebnis: Als ich wieder einmalin den Spiegel schaute, sah ich zumersten Mal, wie dürr ich war. Ein Ske-lett blickte mich an, und ich bekamschreckliche Angst. Wieder wollte ichzunehmen, aber es klappte nicht.Auch als ich nur noch Schokolade aß,weigerte sich der Körper, neu aufzu-bauen. Ängste und Panikattacken über-fielen mich. Ich kämpfte mit meinenGedanken wie mit Verfolgern, die mirimmer wieder zuriefen, dass ich vorlauter Schwachheit gleich umkippen

würde. Erneut brachte man mich insKrankenhaus, diesmal nur für eineNacht, aber die Ärzte konnten auchnicht mehr tun. Sie sagten, es sei einpsychosomatisches Problem und rietenmir, eine entsprechende Klinik auf-zusuchen. Das wollte ich auf keinenFall.

Schließlich konnte ich nicht mehr. Sowollte ich nicht mehr leben. Ich warwie ausgebrannt. Eines Abends be-tete ich, dass Gott mir doch Friedenschenken möge, damit ich einschla-fen könnte. Und plötzlich fühlte ichdiesen Frieden wie nie zuvor. Dawusste ich, dass dieser Gott michliebt und für mich da ist, und ich be-tete: „Lieber Gott, du siehst, wie esmir geht. Ich kann mir nicht mehrhelfen. Ich kann nicht ankämpfen ge-gen meine Ängste. Ich werde getrie-ben von dieser Sucht und finde kei-nen Ausweg. Nur du allein kannstmir noch helfen! Wenn du wirklich dabist und alle Macht hast, dann komm!Ich übergebe dir alles.“

In diesem Augenblick fand ein Macht-wechsel in meinem Leben statt. Gottkam und streckte mir seine Hand ent-gegen. Kurz danach entdeckten meineEltern in einer christlichen Zeitschrifteinen Artikel über eine christlicheKlinik im Schwarzwald. Dieser Klinik-aufenthalt gehört zu den schönstenErlebnissen in meinem bisherigenLeben. Dort habe ich eine so wun-derbare Gemeinschaft mit Gott erfah-ren. Ich habe mit den anderen Pati-enten gebetet, Lobpreislieder gesun-gen und später, als es mir besser ging,die Lieder auf dem Klavier begleitet.Endlich wurde mein Körper fähig,wieder zuzunehmen. Das war nichteinfach und brauchte seine Zeit. Dochganz allmählich erfüllten mich neuesVertrauen und Hoffnung. Zum erstenMal konnte ich wieder richtig leben!

Dann erlebte ich, wie Gott meineSucht auf sich nahm. Ich entdeckte,dass letztlich alles von ihm kommt -das Wollen und das Vollbringen. Zumersten Mal war ich frei von dem Zwang,endlos Sport treiben zu müssen, umabzunehmen. Auch die Ängste kamenseltener. Spürbar erlebte ich, dassGott mich trägt, dass ich mich nichtmehr selber halten muss.

mit die Gelder nicht gekürzt werden),sollten behoben werden. Aber auchdas nostalgische Festhalten am altenSozialstaat, ohne zu sehen, dass dieGlobalisierung und die Situation altern-der Gesellschaften uns in neue Zeitenkatapultiert haben, führt nicht weiter.Deutschland braucht Reformen, unteranderem in vielen Bereichen des So-zialstaats.

Alle seriösen Parteien sind sich einig:Die Arbeit ist in Deutschland zu teuer,die Lohnnebenkosten sind zu hoch.D. h. es geht in Deutschland um einenklugen Umbau unseres Sozialstaats,etwa hin zu einer stärkeren Steuer-finanzierung, z. B. über eine höhereMehrwertsteuer bei gleichzeitig sin-kenden Sozialbeiträgen. Auch die sogenannte „Reichensteuer“ wie in Skan-dinavien scheint eine Möglichkeit,aber sie kann wegen der Möglichkeit,ins Ausland abzuwandern, nicht dieeinzige sein.

Soziale Gerechtigkeit –heute eine Illusion?Um nochmals auf die Ausgangsfragedes Artikels zurückzukommen: Sozi-ale Gerechtigkeit ist natürlich auchheute keine Illusion! Dafür ist sie vielzu sehr ein Grundbedürfnis der Men-schen, vor allem in demokratischenGesellschaften; allerdings ist sie inglobalisierten Zeiten in starke Bedräng-nis gekommen. Sie stellt im Grundeaber immer noch eine pure Notwen-digkeit dar, für ein menschenwürdi-ges Leben der Ärmsten – und für un-ser aller Überleben.

Wie der Kommunismus ist der Ultra-kapitalismus eine zerstörerische Ide-ologie; und es ist in Zukunft nicht si-cher, ob dieser Wildwest-Kapitalis-mus nicht letztlich doch unsere na-türlichen Lebensgrundlagen zerstört.Interessanterweise kündigt Gott inder Offenbarung sein Gericht an überdie, „welche die Erde verderben.“

(Offb 11,18; )12

Soziale und ökologische Gerechtig-keit sind keine Illusionen, sondernNotwendigkeiten für das Überlebenvon Gesellschaften, national wie glo-bal. Sicherlich ist in einer gefallenenWelt Gerechtigkeit nie ganz zu errei-chen. In unserer Welt ist es wichtig,den menschlichen Egoismus überGewinnanreize kreativ werden zu las-sen für den Wohlstand aller, Markt-wirtschaft und sozial-ökologische Ge-rechtigkeit stehen dabei immer in ei-ner gewissen Spannung zueinander.Aber damit die Welt überleben kannund demokratische Gesellschaften be-stehen bleiben, sind sozial gerechteRahmenordnungen verschiedensterArt vonnöten!

Karikaturen:Quelle: Hrsg. Bundeszentrale für politischeBildung.53113 Bonn. Autor: Eckart D.Stratenschulte…….(s. Anm. 6)

„VW-Sondermodell Hartz IV“ von Beck aus:„Die Zeit“ vom 30.12.04

Anmerkungen:1) Vgl. Die Zeit, 12.8.04

2 ) Vgl. FAZ, 03.08.2004,und Südwestpresse, 05.08.2005

3) John Wimber: „Liebe ist kein passives,es ist ein aktives Wort. Das KönigreichGottes und soziale Gerechtigkeit.“In: „Der Auftrag“, Nr. 64, Sept. 1997, S. 11

Gerd Flügel

geboren 1951, tätig als Ehe-mann, Vater von 4 Kindern,Lehrer und Leiter der Christus-Gemeinde Rottenburg.

„VW-Sondermodell Hartz IV“ vonBeck aus der Zeit vom 30.12.04

4) Vgl. Gerd Flügel: Gottes geniale Sozial-gesetze“. In: „Auftrag“, 64/1997 mit demTitel „Die Erlösung für unsere Gesell-schaft“, S. 21-23

5) John Wimber, ebenda, S. 12

6) Eckhardt D. Stratenschulte: SozialeGerechtigkeit – Utopie oder Heraus-forderung. In: Themenblätter zumUnterricht, 2005, Nr.44, Bundeszentralefür politische Bildung, S. 1

7) Vgl. auch R. H. Hasse u. a. (Hrsg): LexikonSoziale Marktwirtschaft, Paderborn 2002,Kapitel „Soziale Gerechtigkeit“, S. 355ff

8) Vgl. Die Zeit , 21.07.2005, S. 21

9) Vgl. Die Zeit, 13.01.2005, S. 23

10) Vgl. SWP, 30.08.2005

11) Vgl. K. Rudzio und W. Uchatius: Derwankende Staat, in: Die Zeit, 25.05.2005

12) Vgl. auch die Ausführungen über diewirtschaftlichen und sozialen Verhältnisseim endzeitlichen Babylon, der großenStadt, in Offb.18, 10-19

Lebenshunger - Berichte vonMenschen, die mit ihrerEssstörung zu kämpfen habenDie folgenden Lebensberichte wurden uns von ehemaligen Patienten unserer Fachklinik zur Verfügung gestellt.Sie sollen - wie es eine Absolventin unseres Programms zur Behandlung von Essstörungen formulierte - daraufhinweisen, dass eine intensive Nähe zu Gott notwendig sein kann, um die Augen zu öffnen für den tatsächlichenkörperlichen Zustand. Der andere Hinweis zielt darauf ab, das Essverhalten überhaupt als gestört zu erkennenund den Mut aufzubringen, darüber in einer Gruppe Gleichgesinnter zu sprechen, sich zu „outen“.

Die Autorinnen sind der Redaktion bekannt, ihre Berichte – ohne Namensnennung – sind authentischgehalten und redaktionell nur geringfügig gekürzt oder sprachlich überarbeitet.

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Doch gleich nach dem Klinikaufent-halt bekam ich, aufgrund meines nochsehr schwachen Immunsystems, einelang andauernde Viruserkrankung.Immer wieder war ich so schlapp,dass ich nichts tun und mich kaumbewegen konnte. Ich hatte Kreislauf-probleme, Verdacht auf eine Herz-muskelentzündung und musste langeim Krankenhaus und zu Hause liegen.In diesen Momenten erfuhr ich Got-tes Hilfe und die Macht seiner Worteganz besonders. Lobpreislieder, dieich gehört hatte, bewegten mich sosehr, dass ich weinen musste. Mehrund mehr lernte ich, in solchen Situ-ationen auf Gott zu vertrauen undmeine Angst bei ihm abzugeben.

Doch nicht nur Immunschwäche ist eineFolge der Magersucht, ich bekam auchstarken Haarausfall, Kreislaufprob-leme, Gedächtnisstörungen, Ängsteund wieder Depressionen. Der Arztverschrieb Antidepressiva und emp-fahl eine Therapie. Dann aber traf michein Wort der Bibel: „Fürchte dich nicht,denn ich bin bei dir! Weiche nicht,denn ich bin dein Gott. Ich stärke dich,ich helfe dir auch, ich halte dich durchdie rechte Hand meiner Gerechtigkeit“(Jesaja 41,10). Ich wusste, Gott ist beimir und kennt mich genau. Sobald dieÄngste wiederkamen, verwandeltensie sich nach dem Beten in einen in-neren Frieden.

Im Laufe der Zeit lernte ich mehr undmehr, mich so anzunehmen, wie ichbin, weil Gott mich ja auch so an-nimmt. Vor ihm muss ich keine Leis-tungen vollbringen, denn seine Liebeist bedingungslos. Für ihn bin ich un-glaublich wertvoll. Ich bin sein Kindund bleibe es auch. Dass er in denSchwachen mächtig ist, konnte ichgleich zu Beginn des neuen Schuljah-res merken: Schnell fand ich eine neueGemeinde, christliche Freunde, einenChor. Ich holte den Führerscheinnach – und all das, obwohl ich nochmit den Nachwirkungen des Virusund den Depressionen zu kämpfenhatte. All diese Erfahrungen warenfür mich wertvoll, denn ich habe durchsie gelernt, mein Vertrauen ganz aufGott zu setzen, denn er ist treu undlässt mich nicht allein.“ (Kathrin)

rungsprogramm setzt sich nämlich inwesentlichen Bestandteilen zusam-men aus dem gemeinsamen Mittag-essen der Essgruppe – zusammenmit einer Krankenschwester – mit an-schließender Reflektionsrunde, wö-chentlichem Kochen in der Lehr-küche, Ernährungsberatung, je nachden Gewichtszielvereinbarungen,regelmäßigem Wiegen, der Gruppe„Konzentrative Bewegungstherapieund dem Führen eines persönlichenEssprotokolls. Schließlich beschlossich allerdings, für eine gewisse Zeitan der Gruppe als „Probegast“ teilzu-nehmen. Indem ich den Äußerungender anderen in der Reflektionsrundezuhörte, merkte ich allmählich, dassauch sie ganz ähnliche Angewohn-heiten von sich kannten wie ich selbst.Mit der Zeit begann ich mich zu fra-gen, ob meine Essgewohnheiten wirk-lich so normal waren, wie ich es mirvormachte. Ich habe immer geglaubt,dass nur solche Menschen als buli-misch gelten, die extrem unterge-wichtig sind. Mit der Zeit verstand ichallerdings, dass das niedrige Gewichteines Menschen nicht der einzigeHinweis auf eine Essstörung ist.

Ich habe lange gebraucht, bis ich ver-stand, dass ich eine Essstörung habe;durch diese Erkenntnis verschlim-merte sich mein Zustand noch, weilzu all den anderen Gedanken nunnoch das Empfinden von Schuld undScham kam. Der Teufelskreis aus Es-sen, Selbsthass, Erbrechen und er-neutem Essen, indem ich mich be-fand, drehte sich immer und immerweiter. Erst nach und nach begannich, darüber ein ganz bisschen zu re-den, hatte aber zum ersten Mal inmeinem Leben das Gefühl, dass esandere Menschen gibt, denen esgenauso geht, die mich für mein Ver-

halten nicht verachten oder ausla-chen würden, Menschen, die wirklichverstehen.

Das therapeutische Team hat mich inder Hinsicht ebenfalls beeindruckt.Ich hatte nie das Gefühl, zum Essengezwungen oder schief angeschautzu werden, wenn ich mal nicht allesschaffte, was einem das Küchenteamauf den Teller lud. Ich konnte immerselbst entscheiden, was ich aß – ab-gesehen von der Vorgabe, sowohl dieVorspeise, als auch ein Hauptgerichtzu versuchen – und wann für michder Punkt kam, an dem ich aufhörenwollte. Mit der Rückmeldung in derReflektionsgruppe, dem Essprotokollund dem regelmäßigen Wiegen habeich ganz langsam wieder gelernt, einzumindest halbwegs realistisches Bildüber Menge und Kalorienzahl derNahrung zu entwickeln.

Ich möchte nun nicht so tun, als obich seitdem wirklich symptomfreibin. Das Wissen um die Essstörungmacht einige Dinge nur noch kom-plizierter. Ich erlebe immer wieder,dass mein Essverhalten von demmeiner Mitmenschen noch deutlichabweicht und meine Gedanken umGewicht und Figur kreisen. Ich trageauch weiterhin noch Hosen und Pul-lover, die mir 3 Nummern zu großsind, um mich darin zu verstecken;auch schlage ich immer noch einengroßen Bogen um alle Spiegel in mei-ner Umgebung, weil ich meinen An-blick nicht ertragen kann. Mir fällt esheute noch schwer, regelmäßig undausgewogen zu essen – ohne Heiß-hungerattacken oder Hungerphasen –aber die Zeiträume zwischen denEssanfällen werden allmählich immergrößer. Ich weiß jetzt, dass ich mitdiesen Schwierigkeiten nicht alleinedastehe, dass es andere Menschengibt, die genau das Gleiche durchle-ben oder durchlebt haben. Und ichhabe erkannt, dass ich ein wirklichesProblem habe, eine Krankheit, ausder ich nur sehr langsam herausfin-den kann.

Ich kann immer noch nicht sagen,woher diese große Leere kommt, dieich in mir fühle. Doch eines weiß ichjetzt zumindest: Das Essen oder viel-mehr das Nicht-Essen ist nicht dazuin der Lage, diese Leere zu füllen.“

Wie Gott unserenLebensdurst stillt

„Vor mehr als einem halben Jahr ent-schloss ich mich nach – für mein Alter –verhältnismäßig langer Zeit der De-pressionen, des selbstzerstörerischenVerhaltens, etlichen angefangenenund wieder abgebrochenen Seelsorge-gesprächen und drei relativ erfolg-losen Monaten in psychiatrischenKliniken zu einer stationären Therapiein der DE’IGNIS-Fachklinik.

Neben all den anderen Therapiean-geboten in meinem Wochenplan botman mir zusätzlich die Möglichkeit,an einer Gruppe teilzunehmen, die sichspeziell an Menschen mit Essstö-rungen richtet. Meine erste Reaktiondarauf war ein entschiedenes NEIN.Ich wusste zwar, dass mir die Ärzte inden vorangegangenen Kliniken un-ter anderem die Diagnose „Bulimianervosa“ (Ess-Brech-Sucht) gestellthatten. Wirklich registriert hatte ichdas aber nicht, noch wollte ich etwasan meinem Essverhalten ändern.

Ich hatte nie gelernt, über mich undmein Essverhalten zu sprechen oderes mir selbst überhaupt nur einzu-gestehen. Ständig habe ich mir ein-geredet, dass Gewichtsverluste und/oder -zunahmen von 20 kg in zweiMonaten doch nichts Besonderesseien. Eigentlich sei es doch völlignormal, wenn man manchmal wo-chenlang fast gar nichts zu sich nimmt,sich ständig Ausreden überlegt, umnicht mit anderen zusammen zu es-sen. Aus lauter Scham habe ich mitder Zeit zu verdrängen versucht, wennman sich absichtlich übergibt, weilman zu viel gegessen oder in einerHeißhungerattacke auch schon malden halben Kühlschrank auf einmalgeleert hat.

Daher erschienen mir einzelne Be-standteile der Essgruppe regelrechtunmöglich: Das spezielle Essstö-

in Pfarrerskollege erklärte mirvor einiger Zeit seine „Missi-onsstrategie“: „Ganz schlicht

versuche ich in den Leuten die Sehn-sucht nach dem Glauben zu wecken.“Mit diesen Worten brachte er sein An-liegen auf den Punkt. Die Menschenan seinem Ort wollen vom Glaubenoffensichtlich nicht viel wissen. Dochleitet ihn die Überzeugung, dass hin-ter aller Ignoranz und Gleichgültig-keit doch eine heimliche Sehnsuchtnach Gott in den Menschen lebt.Durch Hausbesuche, Gespräche überden Gartenzaun sowie durch Predig-ten will er an dieser Sehnsucht an-knüpfen oder diese auch ganz neuaufwecken. Die Menschen seinerGemeinde sollen eine Ahnung davon

bekommen, dass Gott sowohl derGrund als auch das Ziel ihrer Sehn-sucht ist.

Mit der Frage nach der Sehnsuchtdes Menschen nach Gott berührenwir ein heißes Eisen, das innerhalbder Theologie kontrovers diskutiertwird. So wird auf der einen Seite dieFrage nach einem „Anknüpfungs-punkt“, d. h. nach einer im Menschenangelegten Beschaffenheit für denGlauben völlig geleugnet (Positionvon Karl Barth). Auf der anderen Seitewird dieser Anknüpfungspunkt in derGottes-Sehnsucht des Menschen ge-sehen (Position von Emil Brunner,Adolf Schlatter und am markantes-ten bei Wilhelm Lütgert). Die erstePosition geht davon aus, dass derMensch gleich einem Stein völlig

VON DR. ROLF SONS

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taub und hart gegenüber Gott ist undals natürlicher Mensch überhauptkeinen Sensor für Gott besitzt. Diezweite Position, der ich mich an-schließe, sieht sehr viel stärker, dassder Mensch ein religiöses, d. h. aufGott hin angelegtes Wesen ist, dasein Gottesbewusstsein und trotz sei-nem Sündersein eine „religiöse An-lage“ besitzt. Ich möchte im Weite-ren diesen Gedanken entfalten unddabei vom biblischen Befund ausge-hen:

A Der Mensch in seinerSehnsucht nach Gott

Das in der Bibel mit „Seele“ übersetzteWort geht in der Regel auf das alt-testamentliche Grundwort „nefesch“zurück. Nefesch meint nun aber mitSeele nicht nur einen Teil des Men-schen. Vielmehr bezeichnet es denMenschen als Ganzen und zwar inseiner leibhaften Gestalt. Der Menschhat daher nicht eine Seele, sonderner ist eine lebendige Seele (vgl. Gn 2,7).

Interessant ist nun die Grundbedeu-tung des Wortes. „Nefesch“ bezeichnetnämlich das Organ der Nahrungsauf-nahme und der Sättigung. Der Kör-perteil also, mit welchem der MenschHunger und Durst am intensivstenverspürt, bezeichnet den Menschenals Ganzen. Der Mensch ist seinemWesen nach eine dürstende Kehle.So kann die Seele des Menschenverschmachten (Ps 107,9) oder nachfrischem Wasser lechzen (Ps 42,2).Sie kann austrocknen wie ein dürresLand (Ps 143,6) oder sich vor Verlan-gen verzehren (Ps 84,3). Der Gegen-stand des Seelenhungers bzw. derSehnsucht ist dabei immer Gott. Ererquickt die Seele (Ps 23,3), stillt sie(Ps 63,2), stützt und erhält sie (54,6).

Wir müssen nun einen Moment innehalten. Denn an dieser Stelle zeich-net sich bereits die ganze Tragik desMenschen ab. Was wird der Menschals ein Bedürftiger, als ein Sehnsüch-tiger und als ein Verlangender nichtalles unternehmen, um seine Sehn-sucht zu stillen? Wohin wird er sichnicht wenden, um in seiner Seele sattzu werden? Was wird er nicht allesaufsuchen, um den Sinn und Haltseines Lebens zu finden?

Weit schlimmer noch: auf seiner Suchewerden ihm Enttäuschungen nichterspart bleiben, Hoffnungen werdensich als Trugschlüsse zu erkennengeben und Heilsversprechen werdensich als Surrogate offenbaren.

Sein Schicksal ist es, seiner eigenenBedürftigkeit zwar bewusst zu sein.Vor allem in Krisenzeiten treten ihmdie grundlegenden Lebensfragen vorAugen. Gleichzeitig aber ist er nichtin der Lage, diese Grundfragen aussich heraus zu beantworten bzw. sei-ne Sehnsucht aus eigenen Kräften zustillen. So bleibt die Sehnsucht: DieSehnsucht nach erfülltem Leben unddauerhafter Liebe, nach beständigerTreue und nach Heimat. Im Grundeist es die Sehnsucht nach der Ewig-keit. So bleibt der Mensch sein Le-ben lang ein Suchender und Sehn-süchtiger, der jenseits von Eden seinDasein fristet.

B Die unerfüllte Sehnsuchtdes Menschen

Kaum ein Buch der Bibel schildert diefehlgeleitete Suche des Menschen soeindrücklich wie das Buch des Predi-gers Salomon. Dort heißt es: „Er hatalles schön gemacht zu seiner Zeit, auch hat erdie Ewigkeit in ihr Herz gelegt; nur dass derMensch nicht ergründen kann das Werk, das Gotttut weder Anfang noch Ende.“ (Pred 3,11).Die Ewigkeitssehnsucht des Men-schen findet hier ihre Bestätigung.Der Mensch besitzt so etwas wie eineAntenne für die Ewigkeit. Alle Reli-gionen und auch die meisten Philo-sophen werden dies bestätigen.Gleichzeitig aber wird eine Skepsis

Technik dem Leben einen Sinn zugeben (2,3-11). Tatsächlich kann derMensch als Erbauer und Gestalterder Welt eine tiefe Daseinsbefrie-digung finden. Doch so sehr dieserWeg in der Menschheitsgeschichteauch erfolgreich beschritten wurdeund wird, sieht der Prediger auchhierin nicht die Antwort auf den letz-ten Sinn des Lebens. Er durchschaut,wie alles Geschaffene unter dem Vor-zeichen der Vergänglichkeit steht under am Ende seines Lebens all seinenBesitz loslassen muss.

Am Ende bleibt allein der religiöseVersuch, durch Sitte und Moral demLeben Sinn und Gehalt zu geben.Aber auch diesbezüglich ist der Pre-diger ernüchtert. Unter den Menschenherrscht Ungerechtigkeit und Bos-heit. Gesetze und Ordnungen wer-den übertreten. Wie alle Lebewesenwird der Mensch am Ende sterben.Eine Gewissheit gibt es letztlich nicht.Die Tür zum Paradies bleibt ver-schlossen.

So sehr die Einsichten des Predigersauch von Pessimismus gezeichnetsein mögen, so finden sie doch Wi-derhall in unserer Wirklichkeit. DieSysteme und Gedankengebäude derPhilosophen vermögen unserem Le-ben keinen letzten Halt zu geben.Spaß- und Genussgesellschaften je-der Art hatten und haben keinen Be-stand. Die Einsicht, dass allein dieArbeit den Menschen frei macht, istzur Genüge widerlegt. Unserer eige-nen Vergänglichkeit sind wir gewahr.Wir Menschen kommen an unsereGrenzen: sowohl intellektuell alsauch ökonomisch, kulturell wie auchexistentiell. Was wir brauchen, isteine tiefere und tragfähigere Antwortauf das Leben. Diese können wir unsallerdings nicht selbst geben. Siemuss uns vielmehr geschenkt wer-den.

C Die in Jesus Christuserfüllte Sehnsucht

In einem österreichischen Haus-spruch heißt es:

„Der Geist des Menschen wird nicht satt vonallem, was die Erde hat. Den Menschen sättigtnicht die Zeit. Ihn sättigt nur die Ewigkeit.“

Sollte dieser Hausspruch die Antwortenthalten auf die Frage, was derMensch im Grunde braucht und sei-ne Bedürftigkeit stillt?

„Der Geist des Menschen wird nichtsatt von allem, was die Erde hat.“ DerMensch ist als Geschöpf auf die Ge-meinschaft mit seinem Schöpfer an-gelegt. Die Schöpfungsgaben, alsodie Fähigkeit zu arbeiten und zu ge-stalten, zu forschen und zu genießen,darf er dankbar annehmen und ge-brauchen. Doch dürfen sie ihm nichtErsatz für Gott selbst sein. Der Ver-such, die Schöpfungsgaben ohneden Schöpfer zu gebrauchen, führt indie Irre und letztlich in die Verzweif-lung. Der Mensch erhebt sich selbst,auch wenn es nur ganz verborgenund subtil geschieht, zu Gott. Diesaber führt ihn in die Krise und Über-forderung.

Der Grundirrtum liegt dort, wo derMensch mit dem Geschaffenen undnicht mit Gott selbst seine Grund-bedürfnisse stillen möchte. Wo diesgeschieht, besteht die Gefahr derVergötzung des Geschaffenen. DerMensch wird zum Sklaven seinerSehnsucht.

Das Geschaffene kann die Seele desMenschen nur kurzfristig erfüllenund nähren, nicht bleibend. Das Ge-schaffene kann uns zwar durchausFreude bereiten. Erfolg kann uns an-spornen. Die Liebe zwischen Men-schen kann beglücken. Was die Seelejedoch dauerhaft nährt und am Lebenerhält, sind nicht die Gaben, sondernallein Gott selbst, wie er sich uns inJesus Christus gezeigt hat.

„Den Menschen sättigt nicht die Zeit, ihn sättigtnur die Ewigkeit.“

Nicht allein der Mensch besitzt eineSehnsucht nach Gott. Gott besitztauch eine Sehnsucht nach dem Men-schen. Diese Sehnsucht trieb ihn,Mensch zu werden. Der die Seele zusich hin geschaffen hat, stillt sie auchund zwar dort, wo wir es am wenigs-ten vermuten: am Kreuz.

Am Kreuz wird Gott selbst bedürftig.Am Kreuz schreit der Sohn seine ei-gene und die Bedürftigkeit der gan-zen Welt hinaus in die finstere Nacht:

Dr. med. Rolf Sons

Rolf Sons, Jahrgang 1961, verhei-ratet, 5 Kinder zwischen 8 und 18,Pfarrer der Evangelischen Landes-kirche in Württemberg, 10 JahreGemeindepfarramt, zur Zeit frei-gestellt als Studienleiter am Alb-recht-Bengel-Haus in Tübingen,Promotion zum Thema „Seelsorgezwischen Bibel und Psychotherapie“bei Prof. Manfred Seitz in Erlangen.

laut: Der Mensch kann das Werk Got-tes nicht ergründen. So sehr derMensch um die Ewigkeit Gottesweiß, so sehr liegt sie jenseits einerGrenze, über die er nicht hinaus-kommt. Weder intellektuell noch mo-ralisch kann er von sich aus dieseGrenze überschreiten. Vier solchervergeblicher Versuche, der Ewigkeit,d. h. dem Sinn und dem Grund desLebens auf die Spur zu kommen,werden im Predigerbuch ausgeführt.

Zunächst zeigt der Prediger den phi-losophischen Weg auf (1,13-18). DieMenschen aller Zeiten haben ver-sucht, die Urgründe der Welt und wassie im Innersten zusammenhält, ge-danklich zu erforschen. Der Predigererkennt dieses Bemühen an. Gleich-zeitig aber sieht er auch, wie unvoll-kommen und unfertig das menschli-che Trachten nach Weisheit ist. ImGrunde ist es ein Haschen nach Wind(1,14). Der philosophische Weg ent-puppt sich daher als ein Irrweg.

Eine weitere Möglichkeit, dem Lebeneinen Sinn abzugewinnen, bestehtim genießerischen Leben (2,1-2). Istnicht, wie Epikur sagt, die Lust derSinn des Lebens? Hat Horaz mit sei-nem „Carpe diem“ nicht recht? Soll-ten wir das Leben nicht einfach ge-nießen? Wer weiß schon, was mor-gen kommt? – Der Prediger sieht tie-fer. Auch ein bacchischer Lebensstil(vgl. Bacchus, in der Antike der Gottdes Weines und der Lebensfreude)vermag die Sehnsucht nicht zu stil-len. Auch die Lust ist eitel.

Weiter betrachtet der Prediger denkulturellen Weg, durch Fortschritt und

„Mein Gott, mein Gott warum hast du michverlassen.“

Gott begibt sich in seinem Sohn anden Ort der allertiefsten Bedürftig-keit. Hunger und Durst verspürt ernun am eigenen Leib. Nur so aberkann er unsere bedürftige Seele er-lösen.

Indem Jesus den Seelenhunger aus-hält, kann er ihn stillen. Indem er dasLeiden annimmt, kann er davon be-freien. In Jesus, dem Gekreuzigtenund Auferstandenen werden diemenschlichen Grundbedürfnisse ge-stillt: das Bedürfnis nach Vergebungund Befreiung genauso wie das Be-dürfnis nach Gemeinschaft und An-nahme. Aber auch Trost und Gebor-genheit werden uns durch ihn ge-schenkt.

Jesus ist das Brot des Lebens (Joh6,35), welches das hungernde undsehnende Loch im Herzen eines je-den Menschen zu füllen vermag. ImAbendmahl schenkt er sich uns immerund immer wieder aufs Neue. So sät-tigt er die bedürftige Seele.

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Ist die Gottesbeziehung einepsychologische Bindung?

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n der christlichen Literatur wirdviel von der Wichtigkeit einer per-sonalen Beziehung zu Gott bzw.

Jesus Christus gesprochen. Teilweisewird sogar das Vorhandensein einersolchen „lebendigen“ Beziehung zudem Kriterium erhoben, ob jemand„richtig gläubig“ ist oder nicht. Wasbedeutet jetzt aber „lebendige Bezie-hung“? Wie sieht so eine Beziehungaus? Wie lässt sie sich beschreiben?Wie funktioniert sie? Was beeinflusstsie? Diese Fragen stellen sich mir alsneugierigem Psychologen, und daliegt es nahe, den Blick auf die bereitsbestehende Literatur und entspre-chende Theorien über menschlicheBeziehungen zu werfen. Bei diesemAusflug in die Fachliteratur stößtman schnell auf die so genannte„Bindungstheorie“, die sich (in ihremUrsprung) speziell mit der Beziehungzwischen Eltern und Kindern beschäf-tigt – eine Beziehung, die auch in der

Bibel häufig als Beispiel oder Bild fürdie Beziehung zwischen Gott undMensch genannt wird (z. B. Ps. 103,13;Jes. 66,13; Matth. 18,3). Dieser Bei-trag will die Grundgedanken der Bin-dungstheorie und seine Übertragungauf die Beziehung zwischen Gott undMensch darlegen, da sie fruchtbareGedankenanstöße für die Arbeit inBeratung und Therapie liefern kann.

BindungstheorieDie Bindungstheorie entstand in derMitte des zurückliegenden Jahrhun-derts. Ihr wichtigster Begründer, derenglische Psychiater J. Bowlby, be-schreibt darin zunächst Unterschiedeim kindlichen Verhalten, wie sie sichaus der Interaktion von Kindern mitihren primären Bezugspersonen (meistden Eltern) entwickeln. Sie verbindetbiologische, soziale, kognitive undemotionale Elemente miteinander,

versucht also, sehr viele Aspekte desMenschen zu berücksichtigen. Siegeht davon aus, dass das Kind einBedürfnis nach Sicherheit, Gebor-genheit und Kontakt hat. ZwischenEltern und Kindern entsteht ein emo-tionales Band (Bindung), innerhalbdessen das Kind durch die Nähe zurBezugsperson Schutz vor Gefahrenund Möglichkeiten zum Lernen erhält.Das Kind kann von Geburt an Kon-takt und Nähe zur Bezugsperson her-stellen, entweder durch aktives Auf-suchen der Bezugsperson (Suchen,Krabbeln etc.) oder indem es dieBindungsperson veranlasst, sich umes zu kümmern (Weinen, Schreien,Mimik etc.). Die Bezugsperson ihrer-seits reagiert auf solche Signale inder Regel fürsorglich und geht aufdie Bedürfnisse des Kindes ein. DieBezugspersonen – in der Sprache derBindungstheorie werden sie „Bin-dungsfigur“ genannt – haben für die

Kinder eine überlebenswichtige Funk-tion: einerseits sind sie der Ort, andem die Kinder Geborgenheit undSchutz erfahren und zu dem sie beiGefahr fliehen können („sicherer Ha-fen“), andererseits bilden die Bindungs-figuren einen sicheren Ausgangs-punkt („sichere Basis“), die es demNachwuchs ermöglicht, die Umge-bung zu explorieren. Sie sind derDreh- und Angelpunkt, zu dem dieKinder Nähe suchen und zu dem sieimmer wieder Kontakt aufnehmen,um sich der Sicherheit zu vergewis-sern. Im Laufe der Zeit merken sichdie Kinder, wie die Beziehung zu denEltern beschaffen ist und was sie un-ternehmen müssen, um sich sicherund geborgen zu fühlen – die Bindungan die Eltern nimmt bestimmte For-men an, so genannte Bindungsstile(s. u.).

Entgegen früherer Meinungen ist derBindungsstil zur wichtigsten Bin-dungsfigur nicht so prägend, dass alleweiteren Bindungen den gleichenBindungsstil aufweisen würden; viel-mehr belegen Studien, dass schon1-jährige Kinder zu Mutter und Vaterunterschiedliche Bindungsmuster auf-weisen können. Schließlich ist nochwichtig zu erwähnen, dass auch imErwachsenenalter Bindungen zu an-deren Erwachsenen bestehen kön-nen, insbesondere in engen freund-schaftlichen Beziehungen und in derPartnerschaft. Es ist jedoch notwen-dig zwischen Beziehungen und Bin-dungen zu unterscheiden, da Bezie-hungen nicht gleichwertig sind. Esgibt oberflächliche, deren Verlusteine Person kalt lässt, aber auch tiefeBeziehungen, die mit deutlich mehrEmpfindungen einhergehen. Aberauch eine tiefe Beziehung ist nochnicht unbedingt eine Bindung! Voneiner tiefen und gefühlsmäßig ge-prägten Beziehung – einem „emoti-onalen Band“ – kann nur gesprochenwerden, wenn die Beziehung lange an-dauert, die Bezugsperson nicht ein-fach austauschbar ist, zu ihr eine ge-wisse Nähe besteht und die Bezie-hung „emotionale Wertigkeit“ besitzt;aber erst wenn bei der Bezugspersonzusätzlich noch Geborgenheit undSicherheit gesucht werden, handeltes sich um eine echte Bindung.

Gibt es eine Bindungan Gott?Können nun Menschen zu Gott einepsychische Bindung aufbauen, sodass Gott für sie – aus psychologi-scher Perspektive – die Funktion einerBindungsfigur innehat? In der Fach-literatur wird dies als sehr plausibelangenommen, wenn auch die klarenwissenschaftlichen Belege dafür (noch)fehlen. Es sprechen allerdings eineganze Reihe von Argumenten dafür:Man kann argumentieren, Gott könneeine geradezu ideale Bindungsfigurdarstellen, wenn er als immer erreich-bar und absolut verlässlich wahrge-nommen werde. Gläubige Menschenschöpfen aus der Beziehung zu GottTrost und Kraft und erleben intensiveGefühle des Angenommen- undGeliebt-Seins, Gefühle der Ehrfurchtoder auch der Angst. Das Wissen umdie Allgegenwart, Allmacht und Für-sorge Gottes lässt sie ihre alltäg-lichen Aufgaben vertrauensvoll an-gehen (sichere Basis). Gläubige Men-schen vertrauen darauf, dass Gott siein gefährlichen oder schwierigen Zei-ten beschützt und tröstet (sichererHafen). Geraten Menschen in Krisen,suchen sie vermehrt Hilfe bei Gott,indem sie beten oder sich zur Besin-nung in eine Kirche zurückziehen. AuchKonversionen treten gehäuft in per-sönlichen Krisenzeiten auf. Die regel-mäßige Teilnahme an Gottesdienstenund anderen Veranstaltungen lässtsich als Nähesuchen und Kontaktauf-nahme verstehen, um sich der Sicher-heit bei Gott wieder neu zu vergewis-sern. Ausgehend von diesen Beob-achtungen sollte es folglich Personengeben, für die die Gottesbeziehungzentral ist, und diese Beziehung kannmöglicherweise Qualitäten einer psy-chologischen Bindung aufweisen.Ebenso ist es plausibel anzunehmen,dass anhand der Erfahrungen mitGott – ähnlich wie aus den elterlichenBindungserfahrungen – die Bindungan ihn Gestalt gewinnt und eine be-stimmte Form bzw. einen bestimm-ten Stil annimmt.

Zugleich muss auf zwei grundlegendeUnterschiede zwischen rein mensch-lichen Bindungen und einer mögli-chen Bindung zwischen Gott und

Mensch hingewiesen werden, da einMensch – im Gegensatz zu Gott – mitallen Sinnen unmittelbar erlebbar ist.

Beziehungen von Mensch zu Mensch unterschei-den sich hinsichtlich der körperlichen Nähe undder direkten beidseitigen Kommunikation von derBeziehung zwischen Mensch und Gott.

Wir sagen zwar häufig, dass wir unsGott nahe fühlen (oder gerade nicht),jedoch kommt dieses Empfindenohne direkten körperlichen Kontaktzustande. Ebenso reden wir im Gebetmit Gott, jedoch ist Gottes Reaktiondarauf nicht in akustisch hörbarenWorten bzw. sichtbarer Gestik undMimik direkt erkennbar. Gerade die-ser Aspekt bringt eine mit Unsicher-heit behaftete Facette mit sich: wennich Gottes Reden an mich nicht direkt,wie damals zu Lebzeiten Jesu, wahr-nehmen kann, muss ich es aus an-deren Dingen (z. B. Aussagen ande-rer, einem Gedanken und/oder Ein-druck, einer gerade gelesenen Text-passage, etc...) herleiten und inter-pretieren. Bei solchen Interpretatio-nen spielen dann wiederum eigeneVorerfahrungen und Erwartungen(also die berühmte rosa oder graueBrille) eine Rolle.

Als Ergebnis bleibt also vorläufig,dass es durchaus sinnvoll ist, dieGottesbeziehung als mögliche Bin-dung aufzufassen, wenn auch diegerade genannten Unterschiede zubeachten bleiben.

BindungsstileBereits im Alter von einem Jahr sindbei Kindern verschiedene Bindungs-stile in Bezug auf die Eltern zu un-terscheiden: der sichere, der ambi-valente, der vermeidende und derdesorganisierte Stil. Auch bei Er-wachsenen lassen sich unterschied-liche dieser Bindungsstile (zu denEltern wie auch zum Partner) beob-achten. Im dem roten Kasten stehenStatements, wie Personen eines be-stimmten Bindungsstiles ihre Bezie-hung zu einer anderen Person X ideal-typisch charakterisieren würden.

Der sichere Bindungsstil ist durch das Wissencharakterisiert, von der Bezugsperson akzeptiertzu sein und sich auf sie verlassen zu können.

Gefühlsmäßige Nähe zur Bezugsper-son wie auch das Alleinsein fallen

Ist die Gottesbeziehung einepsychologische Bindung?

VON DR. PHIL.MATTHIAS RICHARD

II

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Dr. phil. Matthias Richard

Dipl.-Psych., PsychologischerPsychotherapeut.Institut für Psychotherapie undMedizinische Psychologie,Universität Würzburg.

sicher gebundenen Personen leicht.Ängstlich-vemeidende Personenempfinden die Nähe zur Bezugsper-son als unangenehm. Obwohl siesich eine enge Beziehung wünschen,fällt es ihnen aus Furcht verletzt zuwerden schwer, der Bezugspersonenzu vertrauen oder von ihr abhängigzu sein. Prä-okkupierte (was so vielbedeutet wie „ständig damit beschäf-tigt“) Personen möchten sich der Be-zugsperson dauerhaft sehr nahe füh-len, oftmals mehr, als der Bezugsper-son recht ist. Sie signalisieren häufigden Wunsch nach Nähe, und es scheintihnen ohne enge Beziehung nicht gutzu gehen. Es besteht Angst, von derBezugsperson abgelehnt zu werden.Vermeidend-distanzierte Personenmeiden gefühlsmäßig enge Bezie-hungen. Ihnen ist es wichtig, sichunabhängig und selbständig zu füh-len und auch niemanden von sichabhängig zu wissen.

s i c h e r :Es fällt mir leicht, X* gefühlsmäßignahe zu kommen. Es geht mir gut,wenn ich mich auf X verlassen kannund X sich auf mich verlässt. Ichmache mir keine Sorgen, dass ichalleine sein könnte oder dass Xmich nicht akzeptieren könnte.

p r ä - o k k u p i e r t :Ich möchte X gefühlsmäßig sehrnahe sein, aber merke oft, dass Xmir nicht so nahe sein möchte, wieich ihm/ihr. Ohne enge Beziehunggeht es mir nicht gut. Ich denkemanchmal, dass X mich nicht sosehr schätzt, wie ich ihn/sie.

d i s t a n z i e r t - v e r m e i d e n d :Es geht mir auch ohne enge ge-fühlsmäßige Bindung gut. Es istsehr wichtig für mich, mich unab-hängig und selbständig zu fühlen.Ich ziehe es vor, wenn ich nicht vonX abhängig bin und X nicht von mirabhängig ist.

ä n g s t l i c h - v e r m e i d e n d :Ich empfinde es manchmal alsziemlich unangenehm, X nahe zusein. Ich möchte eine Beziehung, inder ich X nahe bin, aber finde esschwierig, ihm/ihr vollständig zuvertrauen oder von ihm/ihr abhän-gig zu sein. Ich fürchte manchmal,

dass ich verletzt werde, wenn ichmir erlaube, X nahe zu kommen.

* Für X kann eine nahe stehendePerson oder Gott bzw. Jesus ein-gesetzt werden.

Die Bindung enthält eine ganze Reihevon Elementen, die insgesamt dieBindung ausmachen. Sie umfasst fürjeden Stil bestimmte Erfahrungen mitund Erwartungen an die Bindungs-figur; sie hat Auswirkungen auf dasSelbstbild einer Person, bestimmt dieemotionalen Ziele für die Beziehungund enthält die Handlungsstrategien,um diese Ziele zu erreichen. Zwei (freierdachte) Beispiele für eine sichereund eine distanziert-vermeidendeBindung sollen dies erläutern:

Eine sichere Bindung an Gott wäre demzufolgedurch folgende Punkte charakterisiert:

1 vorwiegend positive Erinnerun-gen an Situationen, in denen Gott

als schützend oder fürsorglich erlebtwurde. (z. B. wenn jemand trotz Auto-unfall keine ernsthafte Verletzung er-litten hat oder wenn eine im Gebetvorgebrachte Bitte in Erfüllung ge-gangen ist).

2 Darauf basieren Erwartungen andas wahrgenommene Verhalten

Gottes, z. B. das Vertrauen, dass Gottauch in gefährlichen Situationen be-schützt. Diese beiden Punkte beein-flussen wiederum das Selbstbild; etwain der Aussage: „Ich bin so wertge-schätzt, dass Gott mich beschütztbzw. auf meine Bitten eingeht“.

3 In der Beziehung zu Gott hat diePerson das Ziel, sich ihm nahe

(weil sicher) zu fühlen und eigenstän-dig Ziele zu verfolgen, weil man denSchutz Gottes im Rücken weiß.

4 Um diese Ziele zu erreichen wirdhäufig auf Gebet, Stille Zeit oder

Gottesdienstbesuch zurückgegriffenbzw. wird eine Person mit viel Eigen-Engagement aktiv seine Alltagsauf-gaben angehen. Was den Kontakt mitGott angeht, so wäre laut Bindungs-theorie bei sicher gebundenen Perso-nen zu erwarten, dass sie sowohlpositive (Dank und Bitten) als auchnegative Dinge (Enttäuschung oderÄrger) vor Gott bringen.

Eine distanziert-vermeidende Bindung an Gott,könnte ungefähr so aussehen:

1 Einigen positiven Gotteserleb-nissen stehen mehr (oder inten-

sivere) negative entgegen (z. B. wenneine Partnerschaft trotz innerer Ge-wissheit, die „Richtige“ gefunden zuhaben – auch vor Gott – , wieder zer-bricht).

2 Dadurch erwartet eine Person nichtnur Positives, sondern fürchtet

auch, von ihm enttäuscht zu werdenund sich nicht voll auf ihn verlassenzu können. Um sich sicher und ge-borgen zu fühlen und keine bösenÜberraschungen zu erleben, mag diePerson es vorziehen, sich eher aufsich selbst zu verlassen, was eindurchaus positives Selbstbild zurFolge haben kann („Ich kann für michselber sorgen“).

3 Als emotionales Ziel in der Bezie-hung steht der Wunsch im Vorder-

grund, unabhängig zu sein und dieBeziehung ohne engen Kontakt zu ge-stalten.

4 Um dieses Ziel zu erreichen magdie Person Gott gegenüber zwar

prinzipiell offen sein, aber wird sichkaum an ihn wenden, auch nicht in-tensiver wenn sie Hilfe braucht. DieSuche nach Kontakt mit Gott ist deut-lich seltener als bei sicher gebunde-nen Personen. Die Person beschäf-tigt sich weniger mit Gott und ver-wandten Themen und geht innerlichauf Distanz.

Das Besondere daran, die Gottes-beziehung als Bindung aufzufassen,liegt in der Reichweite der psychi-schen Konsequenzen. Wie oben bereitserwähnt, zeichnet Bindungen einstarkes „emotionales Band“ und die„Suche nach Geborgenheit“ bei derBezugsperson aus. Beides sind As-pekte mit starker emotionaler Betei-ligung, die für die unterschiedlichenBindungsstile sehr unterschiedlicheGefühlsmuster annehmen können.Wie sie im Einzelnen aussehen, kannaus Platzgründen an dieser Stellenicht weiter vertieft werden. Für dieElternbindungen ist diese starke Be-teiligung des Gefühls nachvollzieh-bar (und in vielen Studien auch nach-gewiesen), wenn man bedenkt, dasses sich um existenziell wichtige undseit frühester Kindheit bestehendeBeziehungen handelt. Ob diese starke

emotionale Beteiligung auch in derGottesbeziehung bzw. -bindung be-steht, ist noch unklar. Schließlich ent-wickelt sich eine Beziehung zu Gotterst deutlich später.

Gottesbeziehung undElternbindungGerade weil sich die Gottesbe-ziehung später als die Elternbezie-hung entwickelt und die Bindungs-figur (also Gott) keine körperlich an-wesende Person ist, vermutet man,dass bei der Entwicklung der Gottes-beziehung die Elternbindung als „Vor-lage“ dient. Solange also noch keineeigenen Gotteserfahrungen in be-stimmten Punkten vorliegen, werdenhier möglicherweise die Muster derElternbindung auf die Gottesbezie-hung übertragen, zumal der VergleichGott und Vater sehr nahe liegt. InSeelsorgeschulungen und Semina-ren wird dieser Zusammenhang häu-fig erwähnt, weil er in der Beratungeine wichtige Rolle spielt; die Bin-dungstheorie könnte hierfür den the-oretischen Hintergrund liefern. Überdie Stärke dieses Zusammenhangsweiß man jedoch wenig. Einige For-scher vermuten, dass es Personenmit sicheren Elternbindungen auchleicht fällt, zu Gott eine sichere Be-ziehung aufzubauen. Für diese Men-schen sollten also Eltern- und Gottes-bindung sehr ähnlich ausfallen.Andererseits gibt es auch viele Men-schen, die es trotz unsicherer Eltern-bindungen geschafft haben, zu Gotteine sichere Beziehung zu entwickeln.Für sie stellt die vertrauensvolleGottesbeziehung eine heilsame Er-fahrung (zur Kompensation) von denschwierigen Elternbeziehungen dar;entsprechend gering dürfte die Über-einstimmung zwischen Eltern- undGottesbeziehung ausfallen. Bei Per-sonen mit einer unsicheren Bezie-hung zu Gott kann eine unsichereElternbeziehung vorliegen oder aucheigene negative Gotteserfahrungen(wie im o. g. Beispiel der distanziert-vermeidenden Gottesbeziehung).

Bedeutung für Beratungund TherapieDie Bedeutung der Bindungsstile für Beratungund Therapie ist (mindestens) zweifach.

Zum einen bieten sie den Beraten-den Schemen an, die ein Verständ-nis der (Beziehungs-) Probleme er-leichtern. Dabei ist es natürlich wich-tig sicherzustellen, dass ein bestimm-ter Stil für einen Ratsuchenden auchtatsächlich zutrifft. Folglich müssen dieErfahrungen mit den Bezugspersonen (Eltern undGott) gründlich und genau erfragt werden. EinZusammenhang zwischen Eltern- undGottesbeziehung muss, wie obenerwähnt, nicht in jedem Fall vorlie-gen. Wenn jedoch dieser Zusammen-hang besteht – und dies ist die zwei-te Bedeutung für die Beratung – so istgerade die gefühlsmäßige Verwurzelung der Bin-dung für die Beratungssituation wichtig. Dannnämlich sind im Erleben der Gottesbeziehung tiefeemotionale Muster beteiligt, die sich nicht soschnell und nicht so einfach verändern lassen.

Wenn also ein Ratsuchender Schwie-rigkeiten wegen eines zu strengenGottesbildes hat, das aus einer dis-tanziert-vermeidenden Bindung zumVater erklärbar ist, so werden in derBeziehung grundlegende emotiona-len Muster wirksam, die den Rat-suchenden zu Misstrauen und Rück-zug veranlassen. Wie sollte sich derRatsuchende denn auch Gott plötz-lich offen und uneingeschränkt an-vertrauen können, wenn er Gebor-genheit und Sicherheit von Kindheitan nur dann erfahren hat, wenn ersich möglichst ruhig verhalten unddie Dinge selber in die Hand genom-men hat? Ein Verweis auf entspre-chende Bibelstellen oder angemes-sene Lehre über positive Gottes-bilder wären für diese Person eineÜberforderung bzw. wären auch we-nig empathisch. Solchen Personenhilft insbesondere die Erfahrung,dass es in Beziehungen auch anderslaufen kann. Die Person braucht folg-lich eigene Gotteserfahrungen, umdie Beziehung zwischen ihm und Gottvon der Überlagerung der Eltern-bindungen mehr und mehr abzukop-peln. Dazu kann eine vertrauensvolletherapeutische Beziehung zum Bera-ter den Boden bereiten.

Die bindungstheoretische Sicht be-tont also den Erfahrungscharakterder Beziehung zwischen Mensch undGott. Eine Beziehung zu Gott von derQualität einer Bindung ist sehr starkdurch eigene Erfahrungen und den

damit verbundenen Gefühlen geprägt.Da aber Gott keine körperlich anwe-sende Person ist, mit der man ganzeinfach wie mit anderen Personen inKontakt tritt, stellt sich die Frage, wieund wo diese Erfahrungen möglichsind. Neben den Beratungs- oderTherapiegesprächen kann und soll-te m. E. dieser Ort die Gemeinde unddie Mitchristen sein, wo Gott gegen-wärtig ist (Joh. 13, 34f; 1. Kor. 12,12).Ein Mensch sollte etwas von Gottesschützendem und fürsorglichem„Wesen“ erfahren können, wenn er inGemeindeveranstaltungen und Gottes-dienste geht bzw. mit den Gemeinde-mitgliedern in Kontakt kommt. Wennein Mensch erfährt, wie Christen für-einander sorgen, sich unterstützenund trotz unterschiedlichen Meinun-gen und Ansichten zueinander hal-ten und sich wertschätzen, bestehtdie Chance, dass die Person dies allesauch selbst am eigenen Leib erlebenkann. Dies mag dann für ihn zu ei-ner Gotteserfahrung werden, die dieBeziehung zu Gott stärkt. So erinnertuns die Übertragung der Bindungs-theorie auf die Beziehung zwischenGott und Mensch daran, dass es mitin unserer Verantwortung liegt, obund wie eine andere Person durchunser Verhalten eine heilsame Gottes-erfahrung macht – unabhängig davon,ob wir dies selbst mitbekommen odernicht. Auch so können wir „Botschaf-ter an Christi statt“ sein.

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