Geistiges Leben 2007-6

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    Die Geburt JesuDie Geburt Jesu

    Geboren aus SchmerzenGeboren aus Schmerzen

    Gebet und GebetslebenGebet und Gebetsleben

    Das Wesen der LiebeDas Wesen der Liebe

    Der Engel der DankbarkeitDer Engel der Dankbarkeit

    Der Begriff GelassenheitDer Begriff Gelassenheit

    Die Frohbotschaft ChristiDie Frohbotschaft Christi

    Die Strkung des Gemts in der BergweltDie Strkung des Gemts in der Bergwelt

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    SPENDENKONTEN

    Baden-Wrttemb. Bank AG Bietigheim-Bissingen

    Kto.: 7818500173 BLZ: 60050101BIC: SOLADEST IBAN: DE27 6005 0101 7818 5001 73

    Postgiro Stuttgart Kto. 9096-705 BLZ 600 100 70Kreisspark. Miesbach/Tegernsee Kto. 430 203 240 BLZ 711 525 70

    Creditanstalt Bankv. Graz (A) Kto 01873 312 101 BLZ 12 000Postscheckkonto Basel (CH) Kto. 80-50414-3

    IMPRESSUM

    Herausgeber: Lorber-Gesellschaft e.V.Verwaltungsanschrift: Postfach 114

    83731 Hausham / Deutschland

    Tel.: 08026-8624 / Fax: 08026-3294E-Mail-Anschrift: [email protected]

    Internet-Seite: www.Lorber-Gesellschaft.de

    Schriftleitung: Klaus W. Kardelke

    Redaktion: Angelika Penkin, Michael Nolten

    INHALT

    Matthias Claudius Tglich zu singen S. 2

    Klaus W. Kardelke Editorial S. 3Gottfired Mayerhofer Die Geburt Jesu S. 5

    Hans-Gerd Fischer Geboren aus Schmerzen S. 10

    Thomas Fischer Gebet- und Gebetsleben S. 16

    Jakob Lorber Das Wesen der Liebe S. 23Meister Eckehart Werk und Wesen S. 24

    Johann v. Bernieres Vom inwendigen Einsammeln und Bleiben S. 25

    Jakob Lorber Was Gott bereitet hat denen, die ihn lieben S. 28Anselm Grn Der Engel der Dankbarkeit S. 30

    Gerson Brea Der Begriff Gelassenheit S. 32

    Jakob Lorber Die Ordnung der gedanken S. 38

    R. W. Trine Die Frohbotschaft Christi S. 39

    Jakob Lorber Die Braut und ihr Brutigam S. 45

    Jakob Lorber Die Strkung des Gemts in der Bergwelt S. 47Zu beschftigt?! S. 50

    Beth Alves Interview mit Gott S. 51

    Weisheitsgeschichten S. 52

    Gleichnis ber Gebet S. 53

    Der Vater und das Kind S. 54

    Jakob Lorber Die Krfte des Geistes ben S. 55Verschiedenes S. 56

    Neuerungen im deutschen Spendenrecht S. 56

    Mit Namen des Verfassers versehene Beitrge mssen nicht mit der Auffassung derSchriftleitung bereinstimmen.

    Die Zeitschrift erscheint zweimonatlich auf freiwilliger Spendenbasis.Beitrge richten Sie bitte an die Schriftleitung.

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    Jahrgang 27 2007 Heft 6

    - Zeitschrift im Geiste christlicher Mystik -

    Herr! nun lasse Du Deinen Diener im Frieden fahren,

    wie Du es gesagt hast; denn meine Augen haben nunden Heiland gesehen, den Du verheien hast den Vtern

    und den Propheten.Dieser ist es, den Du bereitet hast vor allen Vlkern!

    Ein Licht zu leuchten den Heiden,ein Licht zum Preise Deines Volkes Israel.

    (Jugend Jesu 24,13-16)(Luk 2,25-32)

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    2 GL 6/2007Tglich zu singen

    Ich danke Gott und freue michWie's Kind zur Weihnachtsgabe,

    Dass ich bin, bin! Und dass ich dich,Schn menschlich Antlitz! habe,

    Dass ich die Sonne, Berg und MeerUnd Laub und Gras kann sehenUnd abends unterm SternenheerUnd lieben Monde gehen,

    Und dass mir denn zu Mute ist,Als wenn wir Kinder kamenUnd sahen, was der heilge Christ

    Bescheret hatte, Amen!

    Ich danke Gott mit Saitenspiel,Dass ich kein Knig worden;

    Ich wr geschmeichelt worden vielUnd wr vielleicht verdorben.

    Auch bet ich ihn von Herzen an,Dass ich auf dieser ErdeNicht bin ein groer reicher MannUnd auch wohl keiner werde.

    Denn Ehr und Reichtum treibt und blht,Hat mancherlei Gefahren,Und vielen hat's das Herz verdreht,

    Die weiland wacker waren.

    Und all das Geld und all das GutGewhrt zwar viele Sachen;Gesundheit, Schlaf und guten Mut

    Kann's aber doch nicht machen.

    Und die sind doch, bei Ja und Nein!Ein rechter Lohn und Segen!

    Drum will ich mich nicht gro kastei'nDes vielen Geldes wegen.

    Gott gebe mir nur jeden Tag,So viel ich darf, zum Leben.

    Er gibt's dem Sperling auf dem Dach;Wie sollt er's mir nicht geben!

    Tglich zu singen

    Matthias Claudius (1740-1815)

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    GL 6/2007 3

    Editorial

    Wieder einmal nhern wir uns der Weihnachtszeit, derZeit, in der der Herr der Schpfung durch SeineDarniederkunft unsere kleine Erde mit Seiner persnlichenGegenwart segnete.

    Von dieser Zeit an sind alle Augen der Unendlichkeitauf unseren Planeten gerichtet, denn dieser wurde zumSchauplatz der Erlsung fr die gesamte gefalleneSchpfung.

    Millionen Engel in mchtigen Chren erfllten bei derGeburt des Herrn alle Rume der Unendlichkeit hoch und nieder bis zur

    Erde herab und sangen: ,Tauet herab, ihr Himmel, den Gerechten! Friededen Menschen auf der Erde, die eines guten Willens sind! Und: ,Ehresei Gott in der Hhe in Dem, der da kommt im Namen des Herrn! (Jug.18,24-25)

    Alle Himmelsbewohner wollten dabei sein, als Gott in dem KnbleinJesus menschliche Gestalt annahm und nun fr alle Himmel und Menschenein schaubarer und begreifbarer Gott werden sollte.

    Alle Herzen erstaunten und entbrannten vor Liebe und Freude ber

    diese groe und erniedrigende Tat Gottes. Gott wurde Mensch, damit derMensch zu einem Gotteskind werden kann.In der Weihnachtszeit gedenken wir mehr als sonst dieses Ereignisses,

    selbst die Menschen, die nicht an Jesus Christus glauben, verspren denSegen dieser geweihten Zeit.

    Gerade in dieser Zeit sollten wir uns aber auch inniglicher dem Herrnweihen, indem wir Ihn in unserem liebenden Herzen vermehrt aufsuchenund seine Geburt in uns ersehnen und erwarten.

    Denn diese Zeit ist eine geweihte und gesegnete Zeit, in der sich derGeist des Herrn mehr denn je zur Erde neigt und Er sich finden lassen willin den Herzen derjenigen, die Seiner liebend gedenken.

    Alle Zeit, die wir in unserem Leben zur Verfgung haben, ist eintagtgliches Gnadengeschenk des himmlischen Vaters an uns. Und werseinen Vater liebt, der wird Ihm dankbar wieder einen Teil seiner Zeitaufopfern, indem er tglich Seine Gegenwart und Nhe sucht.

    Gott gab den Menschen in der Urzeit das Gesetz des Zehnten, in dem esheit: Bringt mir den Zehnten ganz in mein Kornhaus, auf dass in

    meinem Hause Speise sei, und prft mich hierin, spricht der HERRZebaoth, ob ich euch nicht des Himmels Fenster auftun werde und Segenherabschtten die Flle. (Mal.3,10)

    Editorial

    Klaus W. Kardelke

    GeschftsfhrenderVorsitzender der

    Lorber-Gesellschaft

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    4 GL 6/2007Editorial

    Sollte die goldene Regel des Zehntengeben nicht auch ihre Anwendungfinden auf die uns vom Herrn zur Verfgung gestellte Zeit?

    Jeder tte wohl daran auch heute noch den zehnten Teil seiner Ertrge

    und Einnahmen dem Herrn, Seinem Werk und Wort auf Erden zu weihen,indem er die Armen und die Verbreitung des gttlichen Wortes untersttzt.Alles was wir haben, sei es Geld, Gut oder unsere Zeit ist letztendlich

    Eigentum Gottes und indem wir Ihm aus freien Stcken einen Teil davonwieder zurckgeben, bekunden wir unseren Dank fr das Empfangene.

    Und so ist fr jeden jeder Tag ein Weihnachtstag, an dem jeder von unsvierundzwanzig Stunden Zeit geschenkt bekommt. Erkennen wir diesdankbar an, so knnen wir mit dem Psalmisten bekennen: Meine Zeitsteht in Deinen Hnden (Ps.31,15).

    Und so legen wir einen Teil unserer Zeit in Seine Hnde zurck, indemjeden Tag eine Zeitlang in Gebet und Stille in der Gegenwart des Herrnverweilen und im Liebesdienst am Nchsten uns ben.

    Erst dann kann die Weihnachtszeit zu einer wahren geweihten Zeit fruns werden, wenn wir den Herrn in aller Stille und Ruhe unseres liebendenHerzens und im Herzen unseres Nchsten suchen und Er in uns so mehrund mehr geboren werde.

    Die Lorber-Gesellschaft dankt allen Freunden und Frderern fr diefreundliche Untersttzung durch Spenden und Gebete in diesem Jahr.

    Leider sind die Spendeneingnge rcklufig, sodass zurzeit die Kostenfr dieses zweimonatlich erscheinende kostenlose Heft nicht abgedecktwerden knnen.

    Jhrlich werden 19200 Hefte in sechs Ausgaben mit je 3200Exemplaren gedruckt und an ca. 2800 Bezieher versandt, wodurch ca.42.000 Euro an Kosten entstehen, die ausschlielich durch freiwillige

    Spenden der Leser getragen werden. Wenn jeder Bezieher nur 20,- Euroim Jahr spenden wrde, knnte das weitere Erscheinen des Heftessichergestellt werden.

    Nur mit eurer finanziellen Untersttzung knnen wir das Heft alsKontaktblatt der Lorberfreunde erhalten.

    Deshalb bitten wir Euch auch weiterhin um eure Gebete und Frbittenund mgliche finanzielle Untersttzung.

    Wir wnschen Euch eine frohe und besinnliche Weihnachtszeit und eingesegnetes und gesundes Neues Jahr.Eure Geschwister der Lorber-Gesellschaft

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    Die Geburt Jesu

    Gottfried Mayerhofer

    Luk.2,1-14: Es begab sich aber zu der Zeit, dass ein Gebot vondem Kaiser Augustus ausging, dass alle Welt geschtzt wrde.Und diese Schtzung war die allererste und geschah zur Zeit, daCyrenius Landpfleger in Syrien war. Und jedermann ging, dasser sich schtzen liee, ein jeglicher in seine Stadt. Da machtesich auch Joseph auf aus Galila, aus der Stadt Nazareth, in dasjdische Land zur Stadt Davids, die da heit Bethlehem, darumdass er von dem Hause und Geschlechte Davids war, auf dass ersich schtzen liee mit Maria, seinem vertrauten Weibe, die warschwanger. Und als sie daselbst waren, bekam sie ihren ersten Sohn und wickelteihn in Windeln und legte ihn in eine Krippe; denn sie hatten keinen Raum in derHerberge. Und es waren Hirten in derselben Gegend auf dem Felde bei denHrden, die hteten des Nachts ihre Herde. Und siehe, des Herrn Engel trat zuihnen, und die Klarheit des Herrn leuchtete um sie, und sie frchteten sich sehr.Und der Engel sprach zu ihnen: Frchtet euch nicht! Siehe, ich verkndige euchgroe Freude, die allem Volk widerfahren wird; denn euch ist heute der Heilandgeboren, welcher ist Christus, der Herr, in der Stadt Davids! Und das habt zumZeichen: Ihr werdet finden das Kind in Windeln gewickelt und in einer Krippeliegen! Und alsbald war da bei dem Engel die Menge der himmlischen

    Heerscharen, die lobten Gott und sprachen: Ehre sei Gott in der Hhe und Friedeauf Erden und den Menschen ein Wohlgefallen!

    Dieses Kapitel handelt von Meiner Geburt, einem Fest, welches ihrjedes Jahr nach kirchlichem Brauch am 25. Dezember feiert.

    Schon frher habe Ich Worte ber dieses Fest gegeben. DieEinzelheiten, welche Meine Geburt begleiteten, wisst ihr teils aus MeinerJugendgeschichte, teils aus dem Evangelium Meiner Apostel; und doch

    liegt noch manch Unaufgeklrtes in diesem Akt Meiner ersten sichtbarenErscheinung auf eurer Erde, dessen tiefere Bedeutung ihr in geistigerEntsprechung noch nicht kennt. So will Ich, veranlasst durch den Textdieses Kapitels im Lukas, die weiteren Enthllungen fr euch und alleMeine knftig glubigen Kinder geben, damit ihr seht, dass auch dasKleinste, was Mich und Meine Erscheinung auf Erden betrifft, eine hoheBedeutung hat und sich geistig bei Meiner Wiederkunft auf diesen kleinenStern, als Wohnort Meiner einst groen Kinder, wiederholen wird.

    Wie einst durch die Verhltnisse der Erde gerade jener Zeitpunkt undjenes Volk bestimmt war, Zeuge von dem groen Gnaden- und Liebesaktzu sein, welchen Ich fr euch und fr die ganze Geisterwelt vollzog, sowerden auch bei Meinem zweiten sichtbaren Erscheinen Zeit und Land so

    Die Geburt Jesu

    Gottfried Mayerhofer

    (1807-1877)

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    gewhlt werden, dass sie diesem Schlussakt am meisten angemessen seinwerden.

    Nicht umsonst habt ihr dieses Fest Weihnachten benannt. Es war eine

    geweihte Nacht, wo Ich Mich, euch und der ganzen materiellen Schpfungzuliebe, als Opfer der Demut weihte, indem Ich, der unendliche Herr derSchpfung, ein zerbrechliches, verwesliches Kleid anzog, das unterMillionen anderer lebender Wesen auf anderen Welten, was das uere

    betrifft, weit hinter der hchsten Urform eines Menschenbildeszurcksteht. Viele Bewohner sind so ausgestattet, dass der Mensch dieserErde nur als eine schwache Nachahmung dessen erscheint, was Ich alsAbbild Meines eigenen Ichs in diese Form hineingelegt habe. Obgleich dieauf anderen Welten lebenden Menschen die Erdbewohner in vielembertreffen, so sind diese doch in geistiger Hinsicht zu etwas weitGrerem bestimmt als die in den paradiesischen Welten und SonnenLebenden. Wenn jenen auch ein ewiger Frhling lacht und sie inglcklichen Verhltnissen leben, die sich eure Einbildungskraft nichtvorzustellen vermag, so geht ihnen doch die klare Kenntnis Meines Ichs,Meiner geistigen Schpfung und Meiner Vaterliebe ab.

    Sie sind gut, weil nichts Bses sie zum Gegenteil zu verleiten sucht. Sieerkennen ein hchstes Wesen, sinken vor Ehrfurcht vor Ihm nieder; aber

    keines von ihnen wagt zu denken, dass dieses hchste Wesen ein von IhmGeschaffenes an Seine Vaterbrust drcken wolle und ihm den sen

    Namen des Kindes geben.Das ist nur jenen vorbehalten, die solch eine Stellung durch Kampf und

    Sieg erringen mssen, damit sie Kinder Gottes werden knnen. Wo alsodie Bildungsschule solcher Kinder ist, muss neben der grtmglichengeistigen Erhebung auch das Gegenteil, die grtmgliche Erniedrigung,

    ja der Abfall vom Guten, stattfinden knnen. Um euch zu zeigen, dass

    zwischen solchen Gegenstzen ein Fortschreiten zum Besseren, ein Siegenber alle Hindernisse mglich ist, kleidete Ich Mich in die Hlle einer derletzten, unangesehensten Menschengestalten. Ich stieg selbst auf diesenfinsteren Erdball hinunter, der in Bezug auf Ausstattung und Gre inMeiner Schpfung so gerechnet werden kann wie der Rang einesInfusionstierchens zwischen allen Schnheiten und Wundern eurer Erde.

    Wie aber in Meiner ganzen Schpfung alles mit gleicher Sorgfaltgebildet und das letzte Infusionstierchen in seiner Art ebenso vollkommen

    gebaut ist wie der Mensch als Herr der Erde, so zeigt euch MeinSchpfungsprinzip, das durch alle Stufen des Geschaffenen geht, dass Ichgerade im Kleinsten am grten bin und gerade im Kleinsten als mchtigerSchpfer und Herr dastehe. Dies war der Grund, warum Ich einen der

    Die Geburt Jesu

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    kleinsten Weltkrper whlte, um da Meine ganze Gre zu zeigen, indemIch Meiner Geister- und Seelenwelt bewies, dass gerade im Kleinsten nurdas Grte mglich, und in der grten Erniedrigung die grte

    Herrlichkeit zu erlangen ist, ja, dass gerade der, welcher alles hingibt,wrdig ist, alles zu besitzen.So fand Meine Geburt nicht in einem Palast und nicht von

    hochgestellten Menschen, sondern in niedriger Stellung statt. Es mussteaber doch in allen Umstnden, die dort zusammentrafen, das Hohe,Geistige Meiner Geburt angedeutet werden.

    So war es bestimmt, dass die Volkszhlung durch Herodes anbefohlenwurde, und Ich nicht in einem von Menschen erbauten Haus, sondern inMeinem Haus, d.h. unter freiem Himmel in einer Hhle das Licht der Welterblickte.

    Zeugen Meiner Geburt waren nicht Kaiser und Knige, nicht einmalgewhnliche Menschen, sondern nur Tiere, - Geschpfe, die, nichtverdorben, das waren, wozu Ich sie erschaffen habe.

    Die Volkszhlung musste dazu beitragen, dass Maria sich zur Reisenach Bethlehem aufmachte, um das zu vollfhren, was dem Knig allerSchpfung zur Ehre gereichte.

    Millionen von hheren Geistern sangen Mir das Loblied: Ehre sei Gott

    in der Hhe und Friede den Menschen auf Erden! Diese und die Tiere,wie sie aus Meiner Hand hervorgingen, waren bei Meiner Geburtgegenwrtig. Solche Zeugen gebhrten Mir, dem in Windeln eingehlltenHerrn aller Heerscharen.

    Durch die Volkszhlung konnte Meine Geburt nicht unbeachtet bleiben.Auch musste gerade der grausame Herodes als Landpfleger oder Vierfrstin Jerusalem herrschen, um Meine fernere Erziehung und Meinen spterenLebenslauf zu erschweren. Durch berwindung all dieser Schwierigkeiten

    sollte bewiesen werden, dass, obwohl Ich Mich in die niedrigste Stellunggesetzt hatte, Ich im Angesicht Meiner ganzen Geisterwelt Meine Aufgabedoch lsen werde, nmlich: auer dem Beispiel der Demut undVerleugnung aus dieser kleinen Erde eine Pflanzschule fr Meine Kinderzu machen, die einst bestimmt sind, den auf den anderen Sternen undSonnen lebenden Wesen das Bild des groen Geistes und Schpfers allersichtbaren Natur in das eines liebenden Vaters umzuwandeln.

    Was Ich vor onen von Zeitrumen beschloss und vor mehr als tausend

    Jahren begonnen habe, das nhert sich jetzt der Vollendung. MeineReligionslehre, Mein Wort, das mit keinem besseren vertauscht werdenkann - es mgen die Menschen noch so grbeln und denken -, MeineLiebelehre muss zur allgemeinen Geltung gelangen! Es muss die Liebe

    Die Geburt Jesu

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    8 GL 6/2007Die Geburt Jesu

    allein regieren, und alle Leidenschaften des menschlichen Herzens, die nurdarum von Mir in dasselbe gelegt wurden, um durch Kampf gegen sie dieLiebe zu verdienen und zu erringen, alle diese Leidenschaften des

    menschlichen Herzens mssen beherrscht zu den Fen des Altars derLiebe liegen. Hass, Rache, Stolz und wie sie alle heien, diese mchtigenTriebe des Bsen im Menschen, mssen alle zum Schweigen gebrachtwerden. Das Kreuz, auf welchem Ich einst angenagelt fr die verirrteMenschheit um Verzeihung bat, muss als Symbol der Vershnung von

    jedem geliebt, geehrt und im Prfungsfall selbst getragen werden, zurErinnerung an den Weg, den Ich gezeigt, und der den Menschen allein zurgeistigen Hhe fhren kann.

    Wie in Meinem Lebenswandel auf Erden gegen das Ende hin dieUmstnde scheinbar gegen Mich arbeiteten, scheinbar Meinen Untergangund Tod herbeifhrten und doch durch die Auferstehung aus der Materieund die Heimkehr in Mein geistiges Reich Meinen grten Triumph

    bewirken mussten, so mehren sich auch jetzt fr die Menschen scheinbardie Unglcksflle, mehren sich die Anzeichen furchtbarer Katastrophen.Der Mensch soll aus ihnen wie der Vogel Phnix aus der Ascheverbrannter, weltlicher Ansichten und Vorurteile unversehrt als geistigesProdukt seines Schpfers, als geistiges Kind eines noch hheren geistigen

    Vaters hervorgehen.Dahin zielt alles, dahin treibt wie ein steuerloses Schiff die ganze

    Menschheit. Zerbrochen werden mssen alle die knstlichen Schutzwnde,die der menschliche Verstand wie Eisenpanzer um das fr die Liebeschlagende Herz gezogen hat. Es mssen vernichtet werden die Schrankenvon Geburt, von Rang, von oberflchlichem Wissen. Der Mensch mussaufhren, mit dem Verstand zu denken, und mit dem Herzen fhlenlernen. Das warme Feuer der Liebe muss zuerst seine ganze Seele erwrmt

    haben, dann erst kann die Weisheit, als regelnder Trieb der LiebeSchranken setzen und die Menschheit all das fhlen lassen, womit Ich sieausgestattet und wozu Ich sie so und nicht anders erschaffen habe.

    Sooft Ich als Christus auf der Welt Meinen Vater im Himmel anrief,war es stets die Weisheit, welche die Liebe anrief, um durch diesesAnrufen ihr unbegrenztes Wirken zu zgeln. So wie die Weisheit undLiebe nur miteinander bestehen knnen, ebenso war Ich als Christus mitMeinem Vater, der Liebe, verbunden nur eins, und deswegen konnte Ich

    sagen: Mich kennt niemand als der Vater im Himmel, und nur Ich kenneIhn! oder Ich gehe heim zum Vater! usw. Dadurch wollte Ich sagen:Die ganze Welt ist geschaffen aus Liebe; aber die Weisheit hat ihreBedingungen geregelt. Die Liebe schuf, die Weisheit erhlt. Die Liebe

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    als ,Vater stellte das hchste Symbol der Reinheit auf, und Ich, dieWeisheit, als ,Sohn bewies sie durch die Tat. Und wie Liebe undWeisheit, nur vereinigt, das ganze Ich Meines eigenen Wesens ausmachen

    und dort im vollkommensten Abbild bestehen, so soll auch der Mensch alsAbkmmling von Mir der Ausdruck der Liebe und Weisheit werden. Ersoll zuerst lieben und dann weise sein lernen, um Mich, Meine Schpfungund seine Mission ganz zu erkennen und zu begreifen.

    Dahin zielt Mein Streben mit euch, alle die Ereignisse treiben euchdahin, die Wiedergeburt eures Jesus im Innern zu vollfhren, Er mchteeuch dort als Ausdruck von Weisheit und Liebe fhren und leiten, bis inkurzer Zeit dieser Schpfer alles Sichtbaren, der Herr aller Heerscharen,als Vater (Liebe) gepaart mit dem Sohne oder Christus (Weisheit), inPerson wieder sichtbar auf die Erde treten und zum zweiten und letztenMal aussprechen kann, was Er am Kreuz vor mehr als tausend Jahrenausgerufen hat, nmlich: Es ist vollbracht, - es ist vollbracht das groeWerk der Shne!

    Ich habe Meinen Geistern gezeigt, wie das fr sie Unmgliche mglichgeworden ist. Ich bin mit dem Beispiel vorangegangen und habe nunMeine Wesen auf dieser kleinen Erde zu groen Brgern Meinesunendlichen Reichs, zu Meinen einzigen Kindern gemacht.

    Es ist vollbracht, was Ich einst in der Wiege, in einer Hhle beiBethlehem, als unmndiges Kind begonnen habe, was dort schon vonMillionen Engelsgeistern besungen, aber von den Menschen nichtverstanden, hchstens von einigen schwach geahnt wurde.

    Ich habe es vollbracht das Werk der Shne, der Liebe, der Verzeihung.Gereinigt ist die Welt von allen unreinen Schlacken des Eigennutzes, undwenn auch Drangsale und Unglcksflle die irdischen Krper derMenschen zerstren, - dem Geist- und Seelenmenschen knnen sie nichts

    anhaben. Er steht hocherhaben ber den Trmmern der Welt, seine Armeausbreitend nach dem gttlichen Retter, der - wie einst dort - allen zurufenwird: Kommet her, ihr alle, die ihr beladen seid, auf dass Ich euch eureLast abnehme und euch erquicke! Kommet her, ihr Kmpfer fr Liebe undWeisheit, euch sei die Krone des Lebens, euch seien die Schranken derGeisterwelt geffnet, damit ihr sehen mget, wie die Engelscharen wiederfrohlocken und Loblieder singen dem Herrn, dem Vater, mit dennmlichen Worten wie einst: Ehre sei Gott in der Hhe und Friede den

    Menschen auf Erden! Denn Er kam in Sein Eigentum, und Seine Kinderhaben Ihn erkannt. Amen.(Predigten des Herrn, Predigt 5)

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    Geboren aus Schmerzen

    Simeon und das Jesuskind

    Gedanken zu Rembrandts letztem BildHans-Gerd Fischer

    2006 war das Jahr des 400. Geburtstags des Malers Rembrandt,dessen Gemlde mit oft biblischer Thematik zum Weltkulturerbezhlen. In einem besonderen Beitrag zu diesem Jubilum denkt sichHans-Gerd Fischer in die Geschichte von zwei berhmtenGemlden des Malers ein, die er in seiner Seelsorge-Praxiseinsetzt, um die Vergebungs- und Vershnungsbereitschaft Gottes

    zu erklren. Unzhlige Male hat sich der Autor beim Betrachtendieser zwei Bilder gefragt, was Rembrandt bewegt haben muss, inder letzten Phase seines Lebens gerade das Bild von Simeon zumalen. Die Biografien dazu ergeben leider keine schlssigeAntwort. Phantasievoll versetzt er sich in Rembrandts letztes Jahr und schildert, wiees gewesen sein knnte ...

    Es ist der 7. September 1668, ein gebeugter alter Mann steht am Grabseines verstorbenen Sohnes. Nun hat er auch sein letztes Kind, das er mitseiner Frau Saskia hatte, hergeben mssen. Titus, 27 Jahre jung, frisch

    verheiratet, seine junge Frau Magdalene hoch schwanger.Der Mann ist Rembrandt Harmensz van Rinjns, genannt Rembrandt.Trotz des schnen, warmen Septembertages frstelt es ihn. Er hat keineTrnen mehr, die den tief sitzenden Schmerz seiner Seele flieen lassenknnten. Seine Schwiegertochter berhrt sanft seinen Arm und mahnt zumGehen, doch er schttelt mde den Kopf und betrachtet weiter stumpf denin der Erde liegenden Sarg. Langsam vergeht die Zeit, gerne htte er siezurckgedreht...

    Wie ein kalter Nebel im November kriecht wieder dieses seit lngerembekannte Gefhl des baldigen Sterbens in ihn hinein. Mhsam schleppt ersich nach Hause, um sich erschpft auf sein Bett sinken zu lassen. SeineBrust krampft sich zusammen und ein stummer Schrei quillt aus seinerSeele: Warum hatte Gott nicht ihn statt Titus genommen? Sein Leben warschon lange verpfuscht und dahin. Titus hatte noch alles vor sich. Warum?Wie so oft, wenn er in seinem Herzen zu Gott schrie, blieb die heiersehnte Antwort aus. Er wusste nur zu gut, dass Gott ihm nicht direkt,sondern in seinen Bildern und im Lesen der Bibel antwortete.

    Unbewusst greift er zu seiner vllig zerlesenen Bibel, als wolle er einenHalt, einen Trost suchen, legt sie dann aber resigniert wieder zur Seite.Sein Blick schweift unruhig durch den Raum und bleibt an dem Bild

    Geboren aus Schmerzen

    Hans-Gerd Fischerlebt und arbeitet als

    Heilpraktiker inWaldbrl

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    hngen, das er kurz vor Titus' Tod gemalt hatte. Wiegenau kannte er diesen Bibeltext: Ein Mensch hattezwei Shne - Das Gleichnis vom verlorenen

    Sohn (Lukas 15,11-32).Er hatte beim Malen dieses Bildes alle, wirklichalle Hhen und Tiefen seines Lebens noch einmaldurchlebt. Er staunte selbst ber dieses von ihmgeschaffene Werk und war sich der gttlichen Gnade

    bewusst, die Heimkehr des Verlorenen Sohnes nocheinmal, ein letztes Mal, gemalt zu haben. Von Stufe zuStufe, von Farbschattierung zu Farbschattierung hatte es sich in seinemInneren entwickelt. Wusste er doch nur zu gut, dass er selbst dieserverlorene Sohn war.

    Sieben Jahre enttuschte HoffnungEr sieht sich stehen als achtes Kind seiner Eltern. Sie hatten fr eine

    sehr gute Ausbildung an einer strengen calvinistischen Lateinschulegesorgt. Er wurde Student der Literatur, brach aber das Studium ab und

    begann eine Malerausbildung. Zunchst verdiente er sich sein Geld alsPortrtmaler. Langsam entwickelte sich in ihm der Schwerpunkt,

    historische Bilder mit biblischen und mythologischen Themen zu malen.Um die Emotionen und Leidenschaften der Menschen ging es ihm dabeiimmer wieder besonders.

    Ein wehmtiges Lcheln huscht ber sein Gesicht, als Saskia, seinegeliebte Frau, in Gedanken vor ihm auftaucht. 1634 heiratete er sie. Wiegro war ihre Freude, als Rubartus geboren wurde! Aber schon zweiMonate spter trugen sie ihn zu Grabe. 1638 wird Cornelia geboren - unddrei Wochen spter begraben. Nun legte das junge Paar alle Hoffnungen in

    das 1640 geborene Mdchen - ebenfalls Cornelia -, das zwei Wochenspter starb. 1641 dann die hei ersehnte Geburt ihres Sohnes Titus.Unendliche Freude, die nur neun Monate spter von erneuter tiefer Trauerabgelst wird: Saskia, seine geliebte und hoch verehrte Frau, stirbt jungund schn. Noch einmal erlebt er den tiefen Verlassenheitsschmerz: Insieben Jahren drei Kinder und die Ehefrau verloren zu haben. Von da anwar etwas zerbrochen in ihm. Niemals wieder war er so richtig auf dieBeine gekommen.

    Geertge, die Kinderpflegerin von Titus, taucht in seinem Leben auf. Siewird seine Geliebte - und verklagt ihn 1649 wegen Bruchs desEheversprechens, als er sich dem neuen Hausmdchen Hendrickjezuwendet. Es gelingt ihm, sie nicht heiraten zu mssen, er wird aber zum

    Geboren aus Schmerzen

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    Unterhalt verpflichtet. Durch die Bestechung des Gerichtsdieners wirdGeertge in eine Besserungsanstalt eingeliefert, aus der sie 1655 gegenseinen erbitterten Widerstand entlassen wird. Kurz darauf stirbt sie.

    1654 wird Hendrickje vor den Amsterdamer Kirchenrat geladen. Siegesteht, Unzucht" mit ihm getrieben zu haben, wird streng bestraft, zurBue ermahnt und vom Abendmahl ausgeschlossen. Im Oktober kommtihre gemeinsame Tochter Cornelia zur Welt - neun Jahre spter stirbt auchsie.

    Gipfel und AbgrndeNoch einmal fhlt er die seligen Schauer, die ihn durchfliegen, wenn er

    whrend des Arbeitens die Gnade des Gelingens sprt - ebenso wie diefrchterlichen Zusammenbrche nach den Eingestndnissen derMisserfolge, die lodernden, leidenschaftlichen Aufschwnge seinerLiebesnchte ebenso wie die ausweglosen Finsternisse derGottverlassenheit. Die Gipfel und die Abgrnde, die Grten und dieSchlangengruben, die Himmel und die Hllen, das Lachen und dasWeinen.

    Bitterkeit steigt in ihm auf, als er seine Schuldensituation betrachtet.Ein Bettler ist er geworden. Was fr ein prchtiges Haus hatte er 1639 mit

    Saskia gekauft! Die Schulden, die er fr dieses Haus aufgenommen hatte,wurde er niemals mehr los - trotz seines rastlosen Schaffens.

    1656 macht er sich das Gesetz fr zahlungsunfhige Schuldner zunutze.Sein gesamtes Hab und Gut wird versteigert, aber es reicht bei weitemnicht aus, um alle Glubiger zufrieden zu stellen. Vllig verarmt, vomGeldverleiher bedrckt, erlebt er sich als umgetriebene, gequlte Kreatur.Was ist blo aus ihm geworden?

    Er erlebt sich aber auch als stolzen jungen Mann, der von seinem Genie

    fest berzeugt ist und alles gierig ausprobieren will, was die Welt zubieten hat. Extrovertiert ist er, liebt den Luxus und zeigt keinerleiMitgefhl fr die Menschen um ihn. Sein Hunger nach Bewunderung undRuhm, seine Geldgier taucht vor ihm auf - er verdient viel, gibt viel ausund verliert am Schluss alles.

    Wie viele Jahre und welch eine Lebenskraft hatte er mit endlosenGerichtsprozessen ber finanzielle Abfindungen und Bankrottklagenverbracht. Er schttelt den Kopf, als er in sich die Herrschsucht, den

    Machthunger und auch die eisige Klte sieht, die er vielen Menschengegenber empfand.Nun hatte er niemanden mehr, der ihm wirklich etwas bedeutete. Was

    sollte er also noch auf dieser Welt? Was hatte sein Leben noch fr einen

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    Sinn? Was stellte er denn noch dar? Einen Bettler, eine armselige,verlassenen Kreatur, voller Sorgen, hoch verschuldet und vonGeldverleihern bedrckt.

    Oh, er wollte nach Hause, wo immer das sein mochte - ein tiefesSehnen erfasste ihn. Ja, zurck zum Vater, das wollte auch er.

    Zurck zum VaterBeim Malen des Bildes erlebte er diesen Vater in seiner endlosen Gte

    und Barmherzigkeit. Ja, dieser Vater hatte auch mit ihm Erbarmen!Deswegen hatte er ihn in einer groen Hingabe und Liebe malen knnen.Dieser Vater hatte ihm vergeben. Dieser Vater war der gute Vater im

    Himmel, der auf das schaute, was er eigentlich war, nicht so sehr darauf,was er zurzeit darstellte.Beim Malen dieses Bildes hatte er gedacht, dies sei das

    letzte Bild was er malen wrde - doch er irrte. Andchtigbetrachtete er das zweite Bild, das neben dem mit demVerlorenen Sohn stand. Ein aufgeschwemmtesGreisengesicht dmmerte ihm entgegen mit dickenStirnfalten, verhangenen Augen, gerteten Lidern,knolliger Nase und eingesunkenem Mund. Ein Gesicht, in

    dem - besonders in den Augen das ganze bis dahin durchlittene Lebengeschrieben stand. Wie hatte es sich gegen die am linken Bildrandauftauchende schattenhafte Gestalt gestemmt, die in einer unheimlichenStarrheit ber ihn hinwegblickte. Zunchst wollte er sie wegstoen, dochim Lauf der Zeit hatte er seine Absicht gendert. Er ahnte, dass die Gestalteine Verkrperung des Endes war, der Tod klopfte an. Whrend desMalens begann sich in ihm etwas zu verndern. Aus einem, der sich gegendas Ende zur Wehr setzt, wurde ein sich Beugender. Dass der Tod aber

    zunchst Titus und nicht ihn holte, damit hatte er nicht gerechnet.Erschpft sank er in sich zusammen. Immer wieder stieg die Sehnsuchthoch, seinem Sohn Titus nachzufolgen. Immer noch frstelte ihn, mhsamzog er die alte Decke um sich und stierte vor sich hin. Ein Gedanke bliebimmer wieder in seinem mden Haupt hngen. Seit er den VerlorenenSohn begonnen hatte, verfolgte ihn dieser Gedanke. Selbst nach derFertigstellung kam er von ihm nicht mehr los. Er wusste nur zu gut, dassdieses Gleichnis im Lukasevangelium eine zentrale biblische Bedeutung

    hatte.Wer war der Vater? Bis jetzt hatte er keine Antwort auf diese fr ihnwichtige Frage bekommen. Resigniert versuchte er den Gedanken zurSeite zu schieben - aber es gelang ihm selbst durch Kopfschtteln nicht. Er

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    lie sich nach hinten auf sein Bett sinken. Nein, es war alles sinnlos,sterben war seine letzte Hoffnung und sein einziges Ziel. Aber als er amnchsten Morgen aufwacht, ist nichts mehr so wie frher.

    In den darauf folgenden Wochen verschlechtert sich sein Augenlichtimmer mehr. Die Tage qulen sich in seinem Inneren nur so dahin. Nichtskann ihn ermuntern. Mit Mhe kommt er noch ber den Winter. Diewrmende Frhlingssonne dann erwrmt auch etwas sein trauriges undresigniertes Herz. Bei Titus' Tod hat er sich vorgenommen, nicht mehr zumalen und sein langsames Sterben zu erleben. Doch der Tod kommt nichtwunschgem.

    Seit Wochen kmpft er gegen das im Inneren Erlebte und versucht eszu verdrngen. Eines Morgens, es ist um die Weihnachtszeit, sieht er vorseinem inneren Auge eine Farbschattierung auf sich zukommen, dielangsam immer grer wird. Es entsteht, wie er es schon so oft erlebt hat,ein Bild vor seinen Augen. Immer, wenn er diesen inneren Prozessdurchlebte, wusste er, das ein neues Bild von ihm verlangt wird.

    Alles in ihm schrie: Nein, kein Bild mehr, es ist genug. Aber das Bildblieb vor seinem Auge stehen und verfolgte ihn nun schon den ganzenWinter. Er musste es endlich malen, um es loszuwerden. Jetzt im Frhlingwird er wie von einer unsichtbaren Hand an die Leinwand gezogen.

    Zitternd und zaudernd und voller Selbstzweifel beginnt er zu skizzierenund zu malen. Der Titel war klar Simeon mit dem Jesuskind. Sein Herzsagte ihm, dass dies sein letztes Bild sein wrde.

    Endlich gefundenEndlich, nach so vielen Jahren der Rebellion, nimmt er das Gefhl der

    tiefen Sehnsucht nach Gott an und erlebt beim Malen das immer tiefereEintauchen in das Geheimnis Gottes. Er lsst die Geschichte von Simeon

    an sich vorberziehen Und siehe, ein Mann war in Jerusalem, mit NamenSimeon, und dieser Mann war fromm und gottesfrchtig und wartete aufden Trost Israels, und der Heilige Geist war mit ihm. Und ihm war einWort zuteil geworden von dem Heiligen Geist, er solle den Tod nicht

    sehen, er habe denn zuvor den Christus des Herrn gesehen. Und er kamauf Anregen des Geistes in den Tempel. Und als die Eltern das Kind Jesusin den Tempel brachten, um mit ihm zu tun, wie es Brauch ist nach demGesetz, da nahm er ihn auf seine Arme und lobte Gott und sprach: ,Herr,

    nun lsst du deinen Diener in Frieden fahren, wie du gesagt hast, dennmeine Augen haben deinen Heiland gesehen, den du bereitet hast vor allenVlkern, ein Licht, zu erleuchten die Heiden und zum Preis deines Volkes

    Israel. Und sein Vater und seine Mutter wunderten sich ber das, was von

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    ihm gesagt wurde. Und Simeon segnete sie und sprach zu Maria, seinerMutter: Siehe, dieser ist gesetzt zum Fall und zum Aufstehen fr viele inIsrael und zu einem Zeichen, dem widersprochen wird und auch durch

    deine Seele wird ein Schwert dringen, damit vieler Herzen Gedankenoffenbar werden ."Welch eine Freude durchlebte der alte Simeon, als

    er das Jesuskind in seinen Armen hielt - denn jetzthatten seine Augen den Heiland gesehen. Dieser alteMann, durchdrungen vom Geiste Gottes, lebte ja nurnoch auf diese Verheiung hin. Nun war sie inErfllung gegangen. Jetzt konnte er in seligemVertrauen auf Gott seinem leiblichen Ende entgegen-sehen.

    Wehmtig zuckt es in Rembrandts Gesicht. Wie oft hatte er dieses Bildschon skizziert und gemalt. Seit er sich mit der Darstellung der biblischenBilder beschftigte, hatte ihn besonders diese Geschichte angezogen. Jetztendlich erlebte er sich selbst in dem alten Simeon.Nicht Simeon, nein, er

    selbst trgt das Jesuskind auf seinen Armen. uerlich fast erblindet, ist erinnerlich endlich zum Sehenden geworden.

    Vorbei sind die Jahre des tief erlebten Leids, vorbei die Jahre der

    ueren und inneren verzweifelten Unruhe. Sein Gesicht leuchtet vollVertrauen auf Gott. Noch etwas linkisch, etwas unsicher, hlt er seinenHeiland, seinen Erlser auf seinen Hnden. Liebevoll schaut ihn derHeiland in dem Jesuskind unverwandt an, und sein Lcheln beginnt ihnimmer tiefer zu berhren und zu erwrmen.

    Nach vielen Jahrzehnten des Verlassenheitsgefhls, der Trauer und derBitterkeit beginnt wieder etwas in ihm zu flieen, was seit dem Tod seinergeliebten Frau Saskia vor ber 26 Jahren verschttet war. Liebe und

    Hingabe beginnen sein Herz zu fllen. Es ist so, als htte das Jesuskind zuihm gesprochen Wer mich sieht, der sieht den Vater.

    Nach Rembrandts Tod wird das Bild, auf seinerStaffelei stehend, gefunden. Vor einem dunklenHintergrund ist Simeon mit dem Jesuskind wie von innenleuchtend zu erkennen - sonst nichts.

    Fachleute bedauern, dass Rembrandt dieses Bild nichtfertig gestellt hatte und nennen es unvollendet. Jahre

    spter vollendet - nachweislich - ein anderer Maler dasBild und fgte die Hanna hinzu.(Quelle: Aufatmen 4/2006)

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    Gebet - und Gebetsleben

    Thomas Fischer

    Anton Gruber sagte einmal: Die echte christlicheMystik sei die Erneuerung des urchristlichenErfahrungschristentums. Diese Aussage deckt sich mit derseit Jahrtausenden unwidersprochenen Formulierung:

    Mystik ist erfahrungsmige Gotteserkenntnis. Wiegelangt man zu ihr? Die Antwort kann nur lauten: durchdas Gebet. Bei allen Mystikern, ob sie katholischen oder

    protestantischen Mutterboden entstammen, spielt das Gebet

    eine entscheidende Rolle. Ja, ihr mystisches Leben ist, mehr oder weniger,so ausschlielich Gebetsleben gewesen, dass man die Begriffe Mystik undGebetsleben ohne weiteres gleichsetzen kann.1

    Eines der schnsten Bcher zu diesem Thema ist wohl Dasimmerwhrende Herzensgebet2, zusammengestellt und bersetzt von AllaSelawry. Hier sind die 2000-jhrigen Erfahrungen der russischen Stareze(erleuchtete Mystiker) beschrieben, die durch das so genannte Jesus-Gebet:

    Herr, Jesus Christus, Sohn Gottes, erbarme Dich meiner

    immer und immer wieder im Inneren ohne Unterlass gebetet, praktisch dieVerschmelzung mit dem Gottesgeist im Herzen erreichten.Dieses Gebet hat seinen Ursprung in dem vom Zllner im Tempel an JesusChristus gerichteten Gebetes, mit dem Wortlaut:

    Jesus Christus, Sohn Gottes, sei mir Snder gndig.Hierin ist alles enthalten: die schmerzhafte Selbsterkenntnis, dass man

    nichts ist als ein Snder; und die Bitte um Gnade, Erbarmung und Heil,dass man ohne Gott nichts tun kann.

    Das immerwhrende Jesusgebet dient letztlich dazu, den Sinnimmerwhrend auf Jesus zu lenken, im Bewusstsein Seiner Gegenwart zuleben und das Herz fr Ihn zu erwrmen. Die Erwrmung kann man sogarwrtlich nehmen. Es ist eine unnatrliche (gttliche) stetig sich steigerndeErwrmung, die aus dem Herzen ausgeht, die dann letztendlich immernher zur Verschmelzung mit Ihm fhrt.

    Wie man nun dieses Jesusgebet fr sich selbst ausspricht bleibtnatrlich jedem selbst berlassen. Da fr mich Jesus und der Vater, dieewige Wahrheit, die aus der ewigen Liebe hervorgegangen ist, eines sind,

    so hat sich fr mich in meinem Gebetsleben auch ein eigenes Gebet ausdem Inneren entwickelt:

    Gebet und Gebetsleben

    1 zitiert in Josef Mahlberg: Heilige und Ketzer S.12, Turm-Verlag, Bietigheim2 Turm-Verlag, Bietigheim

    Thomas Fischer

    ist Heilpraktiker undlebt in Bayreuth

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    O, du Liebevollster himmlischer Vater Jesus ChristusDu ewige Liebe Du, bitte erbarme Dich.

    Und wenn ich Dich fr mich um etwas bitte,

    dann einzig und allein nur um ein Herz voller Liebewelches keine Grenzen mehr kennt.Amen.

    Ich sage am Ende der Bitte bewusst nicht mehr meiner, sondern bemhemich alles Leben darin einzuschlieen.Eine weitere Mglichkeit ist auch das Gebet:

    O Herr Jesus Christus, bitte erbarme Dich meinerund bitte durchflute meine kranke Seele mit dem Balsam

    Deiner heilenden, erquickenden ewigen Liebe.Amen.

    Dieses Gebet kann auch sehr gut bei der Krankenheilung eingesetztwerden. brigens: Beten kann man berall, auch im Alltag, man findetimmer einen Weg, wenn es einem wirklich ernst damit ist und wenn manwei was man will.

    Natrlich ist das Gebet nicht alles, so drckte es der deutscheGottesmann Georg Riehle einmal mit folgenden Worten aus: Unser Lebengleicht einem Schifflein. Dieses Schifflein hat zwei Ruder. Auf dem einen

    Ruder steht: Bete! und auf dem anderen Ruder steht: Arbeite! Rudertman einmal mit dem Ruder Bete!, so bewegt sich das Schifflein nicht vonder Stelle, denn es dreht sich nur im Kreis. Und rudert ihr dann mit demanderen Ruder Arbeite!, so dreht es sich nach der anderen Seite imKreise. Nur mit beiden Rudern Bete und Arbeite geht es vorwrts.

    Der groe belgische Mystiker Jan van Ruysbroeck sprach sogarfolgende Worte: Und dann kann er nicht anders, als aus der Flle desGuten, aus der Flle Gottes, die in ihm ist, allen zu schenken, die um ihn

    sind. Solchem Liebeswerk ist selbst die Meditation und Versenkungnachzustellen. Denn htte sich jemand noch hher als Petrus oder irgendeinHeiliger betend emporgeschwungen, und hrte er, dass ein Armer seinesBeistands bedrfe, so sollte er von seiner Andacht ablassen und zuvor demArmen den Liebesdienst erweisen. Denn Gottes Gebote stehen hher als diehchsten bungen, es ist Gott lieber, dass wir Seinetwegen selbst Ihnverlassen, um Seinen Gliedern in Liebe beizustehen.

    Wer sich in seinem geistigen Leben die Gebote Gottes nicht in einem

    gengend hohen Grad zu Eigen gemacht hat, bei dem wird auch das Jesus-Gebet nicht die geringste Frucht bringen. Gott lsst sich nicht versuchen,nur mit beiden Rudern Arbeite und Bete geht es vorwrts.

    Der Herr sagt durch Jakob Lorber: Wenn der Mensch Gott aus dem

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    freien Willen des Herzens sucht und bittet, so wird Gott dem Menschenauch allzeit auf dem krzesten Wege entgegenkommen, vorausgesetzt,dass es ihm vollkommen Ernst ist. Sucht und bittet aber der Mensch nur

    versuchsweise, um sich zu berzeugen, ob an Gott und an diesenVerheiungen etwas ist, so wird er von Gott auch nicht erhrtwerden.(Gr. Ev. Bd.1 Kap.92)

    Im Grunde ist es ja auch die vllige Bereitschaft, sich letztendlichdiesem gttlichen Leben hingeben zu wollen., um sich dann mehr undmehr aus dem neuen Leben, welches aus der Herzensverschmelzung mitIhm entsteht, - fhren zu lassen.

    Nikolaus von der Fle sagte einmal: Was dich von Gott und Gott vondir trennt und Ihn so lange hindert, Sein Werk in dir zu wirken, ist dieses,dass du etwas sein und durch deine Werke Gott gefallen willst. Er willSein Werk und darum all deine Angst und Not.

    Was wir auch immer tun in unserem geistigen Leben, dient es dochdazu, dem ewigen gttlichen Geist Jesu in unserem Herzen immer nherzu kommen.

    Der groe russische Starez, Seraphim von Sarow, drckte esfolgendermaen aus: Der heilbringende Wille Gottes fordert, alles Guteeinzig und allein deshalb zu tun, um den Heiligen Geist als unschtzbares,

    unversiegliches und hchstes Gut zu erlangen. Ohne Ihn gibt es kein Heil.Jede Seele wird durch Ihn belebt, durch Vereinen mit dem Dreieinigengeheimnisvoll durchlichtet.

    Im Folgenden noch einige Worte aus der christlichen Mystik zumThema Gebet:

    Der Herr selbst spricht durch Jakob Lorber im Groen Evangelium zuseinen Jngern: Es sollen sich die Menschen im wahren Beten allzeitben und darin nicht lass werden; denn ein rechtes und festes Vertrauen

    wird dem Menschen auch durch die rechte bung eigen, die noch stetsdem Jnger zur Meisterschaft verholfen hat. - Ein mit diesirdischen Gternwohlversehener Mensch verlernt das wahre und glaubensvolle Beten.Kommt endlich einmal eine Not ber ihn, so fngt er wohl auch an, durchsBeten bei Gott um Hilfe zu suchen; aber er hat bei sich wenig Vertrauendahin, dass er bei Gott werde Erhrung findet, und der Grund liegtoffenbar im Mangel an der bung des lebendigvollen Vertrauens an Gott.- Wodurch aber kann der Mensch sein Vertrauen zu Gott wohl besser

    krftigen, als durch bung, bestehend aus Beten und Bitten ohneUnterlass?! (Bd. 9, Kap. 87,4-6)In den Kstlichen Szenen von Max Seltmann, spricht Jesus, als er

    noch im Hause Josephs lebte, folgende Worte an seine Familie: Wie oft

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    wundert ihr euch ber mein Alleinsein. Jesus geht beten, sagt ihr wohl,knnt aber nicht verstehen, dass nur im Gebet und in der inneren Stilledas Hineinwachsen in Gott mglich ist! Htte Ich dieses unterlassen, so

    stnde Ich nicht so nahe am Ziel und she noch nicht so klar die Aufgaben,die Meiner harren. (Heft 5, S. 10)Madame Guyon spricht: Das innere Gebet ist ein so wichtiger Punkt,

    dass man sagen kann, es sei das einzige Mittel, um in diesem Leben zurVollkommenheit und zu einer lauteren, selbstlosen Liebe zu gelangen.

    Das innere Gebet bringt uns am schnellsten zur Vereinigung mit Gottund zur bereinstimmung mit Seinem Willen.

    Denn das Gebet muss eine immerwhrende Liebe sein, das eine Herzergiet sich ohne Unterlass in das andere, so dass zwei Herzen zu einemwerden.

    Ein russischer, erleuchteter Starez sagt: Das unablssige innerlicheJesusgebet ist das ununterbrochene, unaufhrliche Anrufen des gttlichen

    Namens Jesu Christi mit den Lippen, mit dem Geist und mit dem Herzen,wobei man sich Seine Anwesenheit vorstellt und Ihn um Seine Erbarmung

    bittet bei jeglichem Tun, allerorts, zu jeder Zeit, sogar im Schlaf. Es findetseinen Ausdruck in folgenden Worten: Herr Jesus Christus, erbarme Dichmeiner! Wenn sich nur einer an diese Anrufung gewhnt, so wird er einen

    Trost erfahren und das Bedrfnis haben, immer dieses Gebet zu verrichten,derart, dass er ohne dieses Gebet gar nicht mehr leben kann, und es wirdsich ganz von selber aus ihm lsen.

    Johannes Chrysostomos: Es mge doch keiner sagen, es wre freinen, der sich mit des Lebens Notwendigkeiten befasst oder der nicht dieKirche besuchen knnte, unmglich, immer zu beten. Wo du auch seinmagst, berall kannst du in deinem Geist Gott einen Opferaltar durch deinGebet errichten.

    Der heilige Johannes Klimakos: Bei Verfinsterung der Seele durchunsaubere Gedanken sollst du durch Jesu Namen die Widersacherberwinden, indem du den selben Namen hufig wiederholst. Eine strkereund erfolgreichere Waffe als diese wirst du weder im Himmel noch aufErden finden.

    Symeon, der neue Theologe: Im Verlaufe des Herzensgebetes steigstdu mit Hilfe des Heiligen Geistes vom werkttig verrichteten zumselbstttig schauenden Gebet empor.

    Das geschieht, wenn du alle Gebote erfllst und dich ganz in denWillen Gottes mit deinem Denken, Empfinden und Handeln stellst. Vorallem hilft dazu die tiefe Herzensdemut, welche deine Seele von allerleidenschaftlichen Verunreinigung subert. Dann ergreift die Gnade - diese

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    Mutter der Menschheit - deinen von Ihm gereinigten Verstand wie einKindlein bei der Hand, fhrt von Stufe zu Stufe der geistigen Schau underschliet ihm nach Magabe seiner Reinigung unaussprechliche

    Geheimnisse Gottes. Das ist das wahrhaft reine, schaubare Gebet, das mitEhrfurcht und Erschtterung erfllt.Georg Riehle: Was die verlorenen Menschen in ihrer Unkenntnis nicht

    suchen und finden knnen, es aber dann euer lebendes Herzensgebetschafft!

    Der ber 300 jhrige Maharishi vom Kailas spricht zu Sundar Singh:Seit jenen Tagen ist oft ein Heiliger bei mir und hilft mir bei derAusbung meiner Pflichten. Diese bestehen vorwiegend im Gebet undFrbitte. Ich bete fr alle ohne aufgefordert zu werden, denn mein ganzesLeben ist dem Dienste des Gebets geweiht.

    Jakob Bhmes Worte zum Herzensgebet: Gott, sei mir Sndergndig!

    Johannes Tennhardt zur bewhrtesten und besten Vorbereitung fr dasInnere Wort: Am allermeisten aber ein ernstliches und unablssigesinneres Gebet!

    Gerhard Tersteegen: Ferner, so mssen wir uns treulich ben durchGottes Gnade im inneren Gebet oder Einkehr, und uns die dazu ntige Zeit

    ohne erhebliche Ursachen nicht rauben lassen.Georg Riehle: Umschliet den Erdball mit betender Liebe fr alle

    Menschen, fr euresgleichen, damit die Engel Gelegenheit haben, somanches Menschenherz auf einen anderen Weg zu bringen!

    Miguel de Molinos ber Gregorius Lopes: Wie gut wurde jene reineArt von Liebe von dem tiefen und groen Mystiker, demverehrungswrdigen Gregorius Lopes, erkannt und ausgebt, dessenganzes Leben ein fortwhrendes Gebet und eine anhaltende

    Beschaulichkeit von so reiner und geistiger Liebe zu Gott war, dass erniemals Gefhlserregungen und sinnlichen Empfindungen Raum gab.

    Nachdem er drei Jahre hindurch bestndig innerlich gebetet hatte: DeinWille geschehe in Zeit und Ewigkeit, mit jedem Atemzug diese Wortewiederholend, offenbarte ihm die gttliche Allmacht den unerschpflichenSchatz reiner und stetiger Glaubens - und Liebenskraft.

    Im Anschluss noch einiges von und ber den durchgottetenKapuzinerpater Pio.

    So schreibt Pater Derobert von der unbestreitbaren Gebetskraft Pios:So wird es Pater Pio sein Leben lang machen, wahrhaftig im Vollsinn desWortes als ein Mann des Gebetes und der Frbitte.

    Pater Frederico war damals also noch recht jung, aber er erinnerte sich

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    genau, dass er tief beeindruckt war von der Tatsache, dass Pater Piounablssig betete und fast nichts a.

    Interessant ist auch eine Szene, als Pater Pio von den Gebetstechniken

    der Hindus sprach: Das Gebet oder das Mantra ist eine heilige Formel, diedie Macht des Wortes trgt... Die Wiederholung des Gottesnamens zumBeispiel setzt die Seele in Verbindung mit Ihm. Sri Ramakrishna zumBeispiel pflegte, zu sagen der Name Gottes und Gott selber sind identisch!

    Pater Pio hatte die Gewohnheit zu sagen: In den Bchern sucht manGott; im Gebet findet man Ihn!!!

    Er gab eindeutig zu, dass er die Einsamkeit liebte, aber dass er immerzu wenig Zeit gehabt habe zu beten und er gestand, dass beim Beten seinHerz berflutet wurde von einer zarten lieblichen Flamme, die vernichtet,aber nicht weh tut.

    Fr sehr wichtig halte ich auch eine Aussage Pater Pios zum ThemaGebetskreise. Ich warb schon des fteren fr einen reinen Gebetskreis,ohne Diskussionen. Da ich immer wieder erlebte, dass durch dieDiskussionen das aufbrechende Innenleben im Keim wieder ersticktwurde:

    Bei Pater Pio fand ich dann eine eindrucksvolle Besttigung: So heites ber seine Vorstellung eines Gebetskreises:

    In dieser Hinsicht haben wir ihn selber gefragt, ob man in diesenGruppen Vortrge halten und andere Ttigkeiten ausfhren drfe. DerPater schnitt uns das Wort ab, indem er sagte: Nur das nicht! dasGeschwtz, das Geplauder kann nur die Gruppe zerstren.

    Bruder Georg Riehle ging sogar noch weiter, indem er nach einer sehrinnigen Gnadenstunde sagte: Reicht euch heute nicht die Hand zumAbschied, jeder gehe still nach Hause, damit nicht ein weiteres Wort flltund die gewonnenen Eindrcke sich verwischen.

    Zum Abschluss mchte ich noch ein Wort aus dem Buch Dasimmerwhrende Herzensgebet hinzufgen, welches sehr zum

    Nachdenken einladen soll:Daraus folgt klar, dass es ein uerst verderbliches Unterfangen ist,

    vorzeitig nach dem Ort des Herzens, das heit, nach dem Erschlieen derGottesgnade zu suchen; das verstt gegen die Ordnung des Gebetesselbst.

    Bittet um nichts, als um ein Herz voller Liebe, welches keine Grenzen

    mehr kennt; damit wir diese leidende Welt einschlieen knnen in betendeLiebe. Und wenn diese Seine Liebe im Herzen die volle Erfllung erreichthat, dann wird uns diese Seine Liebe auch alles andere, was ntig ist, vonselbst dazu geben. Amen!

    Gebet und Gebetsleben

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    Das Wesen der Liebe

    Der erste Grund von allem ist die Liebe. Wie spricht sich aber die Liebeinwendig aus? Die Liebe spricht sich stets mit einem begehrenden Zugeaus, das heit, sie will alles an sich ziehen! Dieser edle Zug sieht nachallen Seiten um sich her, und was seinem Auge begegnet, das ergreift er inder Art, wie es ist, und bemht sich, den erschauten Gegenstand sich stetsnher zu bringen und endlich gar mit sich zu vereinen.

    Dieser Zug wird bei euch die Begierde genannt. Was liegt denneigentlich in dieser Begierde? Nichts als das Bedrfnis, sich stets mehr zuerfllen mit dem, was eben dieser Begierde vollkommen harmonischzusagt. Diese Begierde ist aber somit auch eine fortwhrend lebendige

    Empfindung, durch welche eben die Begierde in sich das Bedrfniswahrnimmt, sich stets mehr und mehr zu erfllen.

    Nun habet acht! Die Liebe zum Herrn und daraus zum Nchstenempfindet demnach das Bedrfnis nach dem Herrn und nach allem dem,was des Herrn ist.

    Bse Liebe aber ist, wie ihr wisst, in allem das Gegenteil. Wenn nundie gute, edle Liebe in sich die stets wachsende Erfllung mit demempfindet, was ihr ein einziges Bedrfnis ist, so fhlt sie in sich eine

    Sttigung. Und diese Sttigung ist das sich wonniglich selbstbewussteGefhl, welches eben durch seine Sttigung und die aus dieser Sttigungbewirkte Lebensttigkeit das Licht der Liebe in sich hervorbringt. Indiesem Lichte wird alles in sich Aufgenommene wie plastisch und geht inharmonische Formen erhabenster Art ber.

    Aus dem Bewusstsein der Sttigung und aus der Anschauung derlebendigen Formen in sich geht dann erst jenes wonnige Gefhl hervor,welches ihr unter dem Begriffe: Die Seligkeit des ewigen Lebens kennet.

    Nun gebet ferner acht! Wenn die lebendige Liebe einmal auf dieseWeise gesttigt und in ihr Licht bergegangen ist, so findet sie dann einzweites Bedrfnis, nmlich die Mitteilung. Und diese Mitteilung ist danngleich der Nchsten- oder Bruderliebe, welche aber nie eher vollkommendasein kann, als bis der Mensch in seiner Liebe zum Herrn eben vomHerrn diese gerechte Sttigung berkommen hat.

    Daher ist auch die wahre Ordnung der Nchstenliebe nur diejenige, sojemand seinen Bruder aus dem Herrn liebt. Im Gegenteil aber, wennjemand den Herrn liebt aus seinen Brdern, ist das dann eine umgekehrte

    Ordnung, welche mit der ersten Ordnung in keinem harmonischenZusammenhange steht. Warum denn? Weil es doch hoffentlich natrlicherist, in dem, in dem alles ist, auch alles zu suchen, als in dem, da noch bei

    Das Wesen der Liebe

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    weitem nicht alles ist, das vollkommenste Alles zu suchen. Oder nochdeutlicher gesprochen:

    Es ist doch sicher geordneter, in Gott alle seine Brder zu suchen, als in

    seinen Brdern den unendlichen Gott! In Gott wird sogar ein jeder allesfinden, aber in seinem Bruder drfte es wohl manchmal sehr stark imZwielichte stehen, das allerhchste Wesen Gottes zu finden. Er findet eswohl auch; aber es ist ein groer Unterschied zwischen dem Finden undFinden.

    Diesen Unterschied knnet ihr irdischermaen also bemessen, als so ihrda httet ein gutes Fernrohr. Sehet ihr am rechten Orte durch dasselbe, d.h.dass ihr das groe Objektivglas nach auen wendet und die kleinenOkularglser ans Auge setzet, so werdet ihr damit die Gegenstnde, die ihr

    beschauet auch in der natrlichen Vergrerung finden; denn hier schauetihr wie aus dem Zentrum des Objektivglases Strahlenweite hinaus. Wennihr aber das Fernrohr umkehrt, so werdet ihr zwar wohl auch dieGegenstnde erblicken, welche ihr frher erblickt habt; aber dieseGegenstnde werden ums eben so Vielfache verkleinert erscheinen, als sieehedem vergrert dastanden, und ihr werdet euch eine ganz entsetzlichgroe Mhe nehmen mssen, wenn ihr nur einigermaen entfernteGegenstnde werdet erblicken und dieselben vllig erkennen wollen.

    Ihr fraget, ob das geistig genommen gesndiget ist oder nicht. O nein!Gesndigt ist es durchaus nicht. Denn wenn ihr durch ein umgekehrtesFernrohr die Gegenden betrachtet, so werden sie euch auch gar schn undwunderlieblich vorkommen, nur wird es euch, wie gesagt, sehr viele Mhekosten, sie nur einigermaen zu erkennen als das, was sie sind.

    Also ist es auch mit der Liebe zum Herrn aus dem Nchsten. Der Herrist wohl in einem jeden Bruder, denn Er ist ja das Leben Selbst in einem

    jeden, aber im kleinsten Abbilde, also, wie der Mensch selbst des ganzen

    unendlichen Himmels kleinstes Abbild ist, oder - der Mensch ist einHimmel in kleinster Gestalt.

    Wer aber aus dem Herrn den Bruder liebt, der schaut aus dem Zentrumdes Strahlenbrennpunktes, vom Objektive seines Fernrohres ausgehend,alle seine Brder liebend an und sieht da in seinen Brdern viel mehr, alswas er ehedem gesehen hat.

    Ehedem sah und gewahrte er eigentlich vielmehr, dass in seinenBrdern ein gttlicher Funke wohne, und sah somit eine Menge gttlicher

    Fnklein. Jetzt aber sieht er in seinen Brdern, dass der Herr in ihnen allesin allem ist, und statt der Fnklein sieht er jetzt groe Sonnen in seinenBrdern flammen, aus deren Lichte sich fortwhrend neue herrlicheFormen gleich wunderbaren Schpfungen Gottes entwickeln. (GS 2; 5,3ff)

    Das Wesen der Liebe

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    Werk und Wesen

    Meister Eckehart (1260-1327)

    Die Leute sollten nicht immer soviel nachdenken, was sie wohl tunsollen, sie sollten lieber bedenken, was sie sein sollen. Wren Sie nur gutund ihre Art, so mchten ihre Werke sehr leuchten. Bist du gerecht, so sindauch deine Werke gerecht.

    Denke nicht, dein Heil zu setzen auf ein Tun: man muss es setzen aufein Sein. Denn die Werke heiligen uns nicht, sondern wir mssen dieWerke heiligen. Und seien's noch so fromme Werke, sie heiligen darum,weil wir sie verrichten, uns auch nicht im mindesten: sondern soweit wirSein und Wesen haben, soweit heiligen wir all unser Tun, gleich ob Essen,Schlafen, Wachen oder was sonst. Die nicht von groem Wesen sind, wasdie auch schaffen, da wird nichts draus.

    Entnimm hieraus, wie man allen Eifer darauf richten muss, dass manein Guter sei: nicht so sehr, was man tue, oder in welche Gattung dieWerke schlagen, sondern wie der Grund der Werke sei. Der Grund, aufdem es beruht, ob des Menschen Wesen gut sei, der Grund zugleich, vondem des Menschen Werke ihren Wert empfangen, ist: ob unser Gemtgnzlich zu Gott gekehrt sei.

    Darauf setz all dein studieren, dass Gott in dir gro werde und deinErnst und Eifer ihm gelte in allem Tun und Lassen! Um so besserfrwahr werden, welches Namens immer, auch deine Werke sein.

    Suche Gott, so findest du Gott und alles Gute dazu. Ja, du knntest insolcher Gesinnung auf einen Stein treten, und es wre eher ein frommesWerk, als wenn du blo um deinetwillen den Leib des Herrn nhmest,deine Gesinnung also der Abgeschiedenheit ermangelte.

    Wer sich an Gott hngt, dem hngt Gott sich an und alles Tchtige.

    Und was du zuvor suchtest, das sucht nun dich, welchem du zuvornachjagtest, das jagt nun dir nach, und was du zuvor fliehen musstest, dasflieht nun dich. Darum: zu dem, der sich an Gott hngt, zieht sich, wasgttlich ist, und weicht von hinnen, was Gott unhnlich und fremd ist.

    Es kann hilfreich sein, immer wieder den Tag ber sich zu sammelnund eine Minute lang einfach Gott gegenber zu sein,

    ohne viel zu Reden. Was wichtig ist, das ist, mit ganzem Herzen, mitganzer Seele und allen Krften ein paar Augenblicke in seinerGegenwart da zu sein. Und zuletzt kommt es darauf an, ohne die

    Gegenwart Gottes loszulassen, wieder mitten in der Arbeit zu sein.Jrg Zink

    Werk und Wesen

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    Vom inwendigen Einsammeln und Bleiben in Jesu

    Johann von Bernieres-Louvigni (1602-1659)

    Die meisten Seelen verwickeln sich zu sehr in das Gerusch der Weltund der Geschpfe und lassen sich dadurch hindern, die liebenswrdigeStimme Gottes in ihrem Innern zu vernehmen, wodurch sie zurvollkommenen Reinheit des Herzens und zur vollkommenen Liebe Gottes

    berufen und gefhrt werden sollten. Es fehlt ihnen die Ruhe, Stille,Abgeschiedenheit und Einsamkeit, wovon Gott spricht: Ich will sie in dieEinsamkeit fhren und freundlich zu ihrem Herzen reden. (Hos. 2,14)

    Es ist so schwer nicht, sich zu versammeln und ganz in sich selbst

    einzukehren, wenn man bei ueren Geschften sich nicht gnzlichauskehrt und darauf bedacht ist, dass man sich nicht zu sehr ausschtte,auch um keiner guten Absicht willen. Der Satan sucht durch scheinbareVerrichtungen, die er uns vorspielt, unser Inwendiges zu zerstren, weil erwei, dass im Inwendigen das groe und wichtigste Werk derVollkommenheit geschaffen wird, welches er hindern will. Ein weiser

    Mensch bewacht und bewahrt hauptschlich sein Inwendiges; seineuerlichen Geschfte verrichtet er, ohne sich darin zu sehr zu vertiefen,sondern nur so, dass sein Inwendiges keinen Schaden leidet. Allein man

    liebt das inwendige Leben nicht so sehr, weil es verborgen ist und nichtscheinet.

    Es gefllt mir besonders wohl, was Thomas von Kempen sagt:Verkehret euch zu dem Herrn von ganzem Herzen: verlasset die elendeWelt, so wird eure Seele Ruhe finden. Er ermahnt hiermit zuminwendigen Leben, welches so selten ist, weil man sich nicht ganz und garzu Gott wendet in seinem Inwendigen (Jes. 46,8). Man muss, fhrt er fort,verschmhen, was uns auer uns umhertreibt, und sich aufs Inwendige

    verlegen; dann wird das Reich Gottes in uns kommen, welches ist Freudeund Friede im Heiligen Geist (Rm. 14,17). Damit man aber die Weltverachten lerne, muss man tief in das Inwendige unseres Herrn JesusChristi eingehen, um von seiner brnstigen Liebe gegen seinen Vater undvon der Verachtung alles dessen, was nicht Gott ist, etwas zu verkosten.Dieser Eingang und dieses Innebleiben in dem Inwendigen des Herrn Jesu(Joh. 15,4-5), wirkt krftig und wunderbar und befrdert mchtig unsernFortgang im inwendigen Leben. Aber es ist sehr unbekannt, fremd und

    vergessen.Die Schnheit und Herrlichkeit der Seele ist eine inwendige (Ps. 45,14).Da hat Gott seine Lust. Und weil die Seele, wenn sie eine Gottes wrdige

    Vom inwendigen Einsammeln und Bleiben in Jesu

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    Wohnung geworden ist, in sein Bild verwandelt wird, so belustiget er sichin sich selbst in ihr. Dann ist sie von allen Geschpfen vollkommenentblt. Es ist gewiss, dass Gott im Grunde unserer Seele ist und da

    seinen Sitz, wie im Himmel, hat. Er offenbart sich aber in ihr nur, wenndie Seele recht rein ist (Mt. 5,8). Er hat unendlich groe und vieleSeligkeiten und Herrlichkeiten in sich und geniet sie unendlich. Weil aberdie Seele dieses berflusses nicht fhig ist, fallen ihr nur bisweilen einigeBrosamen von seiner Tafel zu.

    Ein inniger Mensch ffnet sein Herz Gott allein und verschliet esallen Geschpfen (Hohel. 4,12). Er beschaut oft das Inwendige des HerrnJesu Christi, er betet an, liebt und bewundert die Flle der gttlichenFreuden, wovon dasselbe berfliet. Es ist ihm, als sprche man zu ihm:Wenn du deinem ltesten Bruder, dem eingeborenen Sohn Gottes, in allemgleichfrmig wrest, wie er, so wrde auch dein Inwendiges mit ebendenselben Freuden erfllt sein, wie das seine, du wrdest, wie er, dieWonne des Paradieses schmecken. Denn gleichwie die Leiden Christi inuns berflssig (reichlich) sind, also ist auch durch Christum unser Trostberflssig (2. Kor. 1,5).

    Ein inniger Mensch bewahrt sich allezeit, so viel er kann, versammeltin sich selbst, frei von aller unordentlichen Neigung, deswegen kann er

    sich immer leicht ber sich selbst erheben und zu Gott kehren und ingroer Ruhe Gott genieen. Deswegen sagt Thomas von Kempen: Wenndu den auswendigen Trost verschmhest, wirst du den inwendigenerlangen. Der verderbte Stand des gegenwrtigen Lebens erfordert, dasswir allen Dingen bestndig absterben, denn der Genuss der Geschpfe hatso viele Macht ber uns, dass er uns leicht von Gott abzieht. Deswegenerfordert die Treue, dass man sich davon, soviel wie mglich, entferne,und alle Lust ausschlage, die nicht von Gott ist. Nur unser Verderben und

    die lange Gewohnheit, unsere Freude in vergnglichen Dingen zu suchen,machen uns diese Abttung so beschwerlich und zu einem bestndigenKreuz; aber ein Augenblick des Genusses Gottes ist mehr wert als allesLeiden.

    Ein inniger Mensch, der mit Aufmerksamkeit wacht ber alles, was inihm vorgeht, kann aus Erfahrung das Licht der Sinne und Vernunft leichtvom Licht der Gnade unterscheiden. Wenn ihn dieses einmal rechtdurchdrungen hat, kommen ihm die beiden andern wie Finsternisse vor.

    Und wer Gott einmal in seinem Inwendigen geschmeckt hat, kannkeinen Geschmack mehr an den Geschpfen finden. Der Gaumen derSeele ist schon zrtlich: er kann in nichts Geschmack finden, als in dem

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    inwendigen Leben. Die unendliche Schnheit Gottes, die Vortrefflichkeitder christlichen Tugenden, die Hoheit der Lehre Jesu und die bung seiner

    Nachfolge reizen die Seele so sehr, dass ihr alles brige widrig, nichtig

    und verchtlich wird.Wenn sich die Seele gewhnt, ihre inneren Augen zu gebrauchen, sokommt sie in einen fast bestndigen Umgang mit dem gegenwrtigen Gott;sie kann sich nicht mehr von ihm trennen, sie entdeckt immer mehrereVollkommenheiten in ihm, die sie immer fester an ihn binden, dass sieauer ihm nichts mehr anschauen mag.

    Was ist doch Gott? Und was ist das Geschpf? Gott sucht dich und willsich dir hingeben, und du willst dich ihm entziehen? Die Geschpfe stoendich so oft zurck und du willst dich ihnen hingeben? Wie, das Geschpfverweigert sich seinem Gott? Gott will dich besitzen, will in dir wohnenund dich wohnen lassen in ihm, um sich in dir zu beschauen, zu liebenund zu verherrlichen in dir und durch dich, und du verweigerst dichdennoch deinem Gott und willst dich lieber in die Verwirrung dergeschaffenen Dinge dahingeben? Welche Verkehrtheit! Wie schmhlichsetzest du deinen Gott zurck!

    O wie schmerzt es mich, dass ich so lange Zeit auer dir gelebt, und solange verzogen habe, mich dir zu ergeben, o mein Gott! Da ich dich aber

    nun gefunden habe, soll mich nichts mehr von dir und deiner Liebescheiden. Lieber sterben, mein Gott, als mich von dir abwenden! Dochwarum suchst du ein armseliges Geschpf? Was kann es dir geben, dass dunicht schon besitzest? Die Freuden, die in dir beschlossen sind, die sindunendlich und deine Vollkommenheiten unbegreiflich.

    Das VermchtnisErlsung kommt von innen, nicht von auen,und wird erworben nur und nicht geschenkt.Sie ist die Kraft des Inneren, die von drauenrckstrahlend Deines Schicksals Strme lenkt.Was frchtest Du? Es kann Dir nur begegnen,

    was Dir gem und was Dir dienlich ist.Ich wei den Tag, da Du Dein Leid wirst segnen,

    das Dich gelehrt, zu werden, was Du bist.Hella Zahrada

    Vom inwendigen Einsammeln und Bleiben in Jesu

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    Was Gott bereitet hat denen, die ihn lieben

    Wahrlich, wahrlich, wahrlich, kein uerer Sinn unserer Seele kann esje erfassen, was Gott, unser heiliger, liebevollster Vater, denen vorbereitethat, die Ihn allein ber alles lieben und ihre Herzen nimmerdar abwendenvon Ihm, und auch keines Menschen Zunge wird solches je wiedergebenknnen!

    Oh, wie wre solches auch da mglich, wo uns die Worte verlassen undsicher niemand mehr in sich ein Wort finden wird und kann, durch welcheser imstande wre, nie geahnte, viel weniger noch geschaute Dingevernehmlich zu bezeichnen! Und so er auch alsbald bilden mchte neueWorte, wer wird sie aber verstehen, und wer die endlos vielen sich dann

    erst merken?!Daher kann nur ein kleinster Teil eines kleinen Teiles allhier zum

    schwachen Verstndnisse kundgegeben werden. Ich sage, liebe Vter,Brder und Kinder, nicht umsonst zum schwachen Verstndnisse, dennein irdisches Wort ist ja kaum nur die uerste Rinde eines mehrereHunderte von Jahren alten Baumes.

    Wer aber kann aus derselben das innerste, wunderbarste Leben desBaumes erkennen, wer im Baume selbst den mchtig gewordenen Keim

    und in diesem die endlose Vielheit dessen, was da noch verborgen liegtund erst mit der Zeit zum Vorscheine kommt sichtbar unseren Augen?!Und wer mchte endlich erst erkennen aus dem uersten der Rinde

    die geistigen Wunder alle, welche eine allerkleinste Faser des Holzes insich birgt.

    Wie daselbst das Laub, die Blte, die Frucht mit allen ihren sieumgebenden und sie durchdringenden Teilen von vielen tausendGeisterhnden vorbereitet wird, von ihnen dann zur rechten Zeit durch alledie zahllos vielen Kanlchen zu den Ausmndungen an den Zweigleingefhrt und dort erst endlos wunderbarer ausgebildet wird nach der

    bestimmten Form und nach allen uns wie nur immer mglich fhl- undwahrnehmbaren Eigenschaften?!

    So wenig wir aber alles dieses und noch zahllos mehreres derAuenrinde des Baumes entnehmen knnen, - um noch viel weniger kann

    jemand das allerkleinste Teilchen dessen durch Zungenworte wiedergeben,was dieser unser aller heiligste, liebevollste Vater in den Herzen derervorbereitet hat, die Ihn ber alles lieben!

    O Liebe, Liebe, Liebe, du groe, heilige Liebe, welche Flle, welcheTiefe des Lebens und des Lichtes fassest du in dir!

    Gott, Gott Selbst ist die reinste Liebe, und diese Liebe ist vor uns allen;

    Was Gott bereitet hat denen, die ihn lieben

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    sie ist unser aller heiliger, liebevollster Vater, hier - in unserer Mitte, - da -in unseren Herzen!

    Vor den Augen des Fleisches und der Seele auch liegt es verborgen,

    aber nicht also vor denen des Geistes, in dem die Liebe wohnt, ja der selbstLiebe ist aus der endlosen Liebe unseres heiligen Vaters.Dem Geiste ist ein Sandkrnchen mehr denn dem fleischlichen Auge

    diese ganze Erde und der ganze gestirnte Himmel, so er auch geschautwerden knnte in aller seiner Auenpracht, gleich wie der Fleck der Erde,auf dem wir wandeln, also nahe!

    O Sandkrnchen, du groes Wunderwerk, was bist du, - wie gro undherrlich! Wer ahnt die unaussprechliche Majestt dessen, das daunbeachtet an seiner Fusohle kleben bleibt?! Es ist ja nur ein winzigesStubchen!

    O glaubet es nicht! Es ist kein Stubchen! Eine Welt, eine unermesslichgroe Welt ist es! In ihren weiten Rumen wallet Licht und Leben!

    Groe Strme durchziehen ihre weiten Kristalltler; auf ihren sehrhohen Bergen brennen tausend und tausend Sonnen, voll des herrlichstenLichtes aller Farben, und zahllose Wesen in den nie geahnten,wunderbarsten Formen beleben diese groe Welt! Licht und Wrme istihre Nahrung; ihre Bewegung gleicht einem Wanderer, dem ein hohes

    Reiseziel vorgesteckt ist.O du Krnchen, du Krnchen, du allein ja wrest mir genug fr die

    ganze Ewigkeit!O Vter, Brder und Kinder, - ich vermag nun nichts mehr zu reden;

    denn grer und herrlicher stets wird ja schon dies Stubchen!Was soll da erst sein eine ganze Erde und ihre stets herrlichere

    Vervielfachung im Ganzen, wie in allen ihren unzhligen Teilen.Was dann erst eine Sonne, was der ganze sichtbare Sternenhimmel, was

    dann erst der Geister- und Engelshimmel, was sie, was wir, was erst dieLiebe Gottes in uns?!

    Daher liebet, liebet, liebet Ihn; in der Liebe werdet ihr erst erfahren,was die Liebe ist, und wie unaussprechlich gut da ist unser heiliger Vater!

    O Liebe, du heilige Liebe! Du allein bist alles in allem! O Vater, Duheiliger Vater, Du bist ja diese heilige, groe Liebe Selbst!

    Daher liebet, liebet, Vter, Brder und Kinder, liebet die Liebe; liebetber alles den heiligen Vater!

    Denn Er allein ist die Liebe, die ewige, die unendliche! Daher auch Ihmallein alle unsere Liebe ewig! Amen.(Haushaltung Gottes Bd. 2; Kap. 87,2-23)

    Was Gott bereitet hat denen, die ihn lieben

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    Dein Schutzengel auch die Verletzungen in einen kostbaren Schatzverwandelt hat.

    Der Engel der Dankbarkeit schenkt Dir neue Augen, um die Schnheit

    in der Schpfung bewusst wahrzunehmen und dankbar zu genieen, dieSchnheit der Wiesen und Wlder, die Schnheit der Berge und Tler, dieSchnheit des Meeres, der Flsse und Seen. Du wirst die Grazie derGazelle bewundern und die Anmut eines Rehes. Du wirst nicht mehrunbewusst durch die Schpfung gehen, sondern denkend und dankend. Duwirst wahrnehmen, dass Dich in der Schpfung der liebende Gott berhrtund Dir zeigen mchte, wie verschwenderisch er fr Dich sorgt.

    Wer dankbar auf sein Leben blickt, der wird einverstanden sein mitdem, was ihm widerfahren ist. Er hrt auf, gegen sich und sein Schicksalzu rebellieren. Er wird erkennen, dass tglich neu ein Engel in sein Lebentritt, um ihn vor Unheil zu schtzen und ihm seine liebende und heilende

    Nhe zu vermitteln. Versuche es, mit dem Engel der Dankbarkeit durchdie kommende Woche zu gehen. Du wirst sehen, wie Du alles in einemandern Licht erkennst, wie Dein Leben einen neuen Geschmack bekommt.

    Du kannst Deinen Engel der Dankbarkeit auch bitten, dass er Dichlehrt, fr die Menschen zu danken, mit denen Du zusammen lebst. Wir

    beten oft nur fr die Menschen, die uns wichtig sind, wenn wir sie ndern

    mchten oder wenn wir wnschen, dass Gott ihnen hilft, dass Gott sie heiltund trstet. Manchmal ist unser Gebet fr die andern eher ein Gebet gegensie. Wir mchten, dass sie so werden, wie wir sie gerne haben mchten.Wenn wir fr einen andern Menschen danken, dann nehmen wir ihn

    bedingungslos an. Er muss sich nicht ndern. Er ist so, wie er ist, wertvoll.Oft merken es die Menschen, wenn wir fr sie danken. Denn von unseremDanken geht eine positive Bejahung aus, in der sie sich vorurteilslosangenommen fhlen. Ein amerikanischer Geistlicher berichtet von einem

    Ehepaar, das jahrelang fr den alkoholkranken Vater der Frau gebetet hat,damit er endlich von seinem Alkohol loskme. Und sie haben zahlreicheGebetsgruppen um ihre Frbitte gebeten. Aber alles war umsonst. Erst alssie den Mut aufbrachten, fr den Vater zu danken, dass er da ist, dass er soist, wie er ist, ermglichten sie ihm, dass er sich ndern konnte. Weil ernicht mehr den unbewussten Anspruch an sich sprte, sich ndern zumssen, konnte er sich ndern. Weil er sich bedingungslos bejaht fhlte,

    brauchte er den Alkohol nicht mehr. So bitte Deinen Engel der

    Dankbarkeit um das Wunder, dass Menschen sich durch Deinen Dankbedingungslos geliebt fhlen und so in dieser Liebe heil werden.

    (Quelle: 50 Engel fr das Jahr, Herder-Verlag)

    Der Engel der Dankbarkeit

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    Der Begriff Gelassenheit

    in Angelus Silesius: Cherubinischer Wandersmann

    Gerson Brea

    Angelus Silesius' Cherubinischer Wandersmann nimmt in denSammlungen der deutschen Literatur bzw. der Barockdichtung nicht nureinen festen Platz ein, sondern wird darber hinaus zu den grten undberhmtesten Dokumenten der christlichen Mystik gezhlt Diesallerdings nicht etwa wegen der Originalitt der mystischen berlegungen:im Cherubinischen Wandersmann wird bereits etabliertes mystischesGedankengut bernommen, ja ist nicht selten sogar eine fast wrtlichebereinstimmung mit anderen Autoren festzustellen. Seine Bedeutungerhlt er durch die Art und Weise, wie dieser alte Stoff bearbeitet wird.Angelus Silesius liefert keine originellen Antworten; aber er fragtoriginell, mit einer Originalitt, die provoziert ein Fragen, das zumWeiterfragen ntigt. Ein kurzer Blick auf die Wirkungsgeschichte seinergeistlichen Epigramme gengte, um zu demonstrieren, wie Denker undPhilosophen u. a. F. W.J. Schelling, M. Heidegger und J. L. Borges ,den Wandersmann weiterzudenken, ja Neues zu erfahren vermochten.

    Davon kann allerdings im vorliegenden Aufsatz nicht die Rede sein.Mir geht es hauptschlich darum, zu zeigen, wie im CherubinischenWandersmann, in seinen meistens in zweizeiligen Alexandrinerngeschriebenen Epigrammen, unter denen

    viel seltsame paradoxa oder widersinnische Reden, wie auch sehrhohe und nicht jedermann bekannte Schlsse (Vorrede)

    zu finden sind, eines der Hauptthemen der Mystik, nmlich dieGelassenheit ausgearbeitet wird. Dies soll geschehen, indem ich den Text

    immanent zu interpretieren und mich allein mit Hilfe der Epigramme, indenen Wrter wie lassen, Gelassenheit odergelassen vorkommen, derIdee der Gelassenheit zu nhern versuche.

    1. Eine mystische WanderungWenn wir uns dem mystischen Denken zuwenden, sollten die sich

    daraus ergebenden Schwierigkeiten gleich zur Sprache kommen. Dennwenn von Mystischem, ja von einer mystischen Erfahrung die Rede ist,

    dann ist etwas im Spiel, dem ein wissenschaftlicher Zugriff allein nichtgerecht werden kann. Wie eine Speise nicht dazu da ist, damit man bersie diskutiert, sondern um gegessen zu werden, so gilt im Bereich desMystischen:

    Der Begriff der Gelassenheit

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    Erfahrung ist besser als Wissenschaft.Iss doch / was redst du viel von Kraft der Wurzel Jesse:Mir schmecket nichts so gut als was ich selber esse. (V.115)

    Der Cherubinische Wandersmann ist den Liebhabern der geheimenTheologie zugedacht. Im Vordergrund diesergeheimen oder mystischenTheologie steht die Frage, wie sich der Mensch zu jenem, was ber allemWesen und aller Erkenntnis ist, verhalten kann, ja die Frage nach demEinswerden mit Gott. Um diese Vereinigung mit Gott oder GttlichemWesen, wie auch von Gttlicher Gleichheit und Vergottung oderGottwerdung und was dergleichen geht es hauptschlich im Cherubi-nischen Wandersmann nicht allerdings in der Weise des

    wissenschaftlichen Nachdenkens und modernen Erklrens. AngelusSilesius ist anscheinend gar nicht daran interessiert, ein Lehrgebude zukonstruieren, in dem alle Etappen des Menschen-Gott-Verhltnissessystematisch dargestellt zu lernen wren, sondern Diese Reimen, gleichwie sie dem Urheber meistens teils ohne Vorbedacht und mhsames

    Nachsinnen in kurzer Zeit von dem Ursprung alles Guten einig und alleingegeben worden aufzusetzen. (Vorrede)

    Haas hat also Recht, wenn er vom Titel inspiriert, dieses Werk alsAufzeichnung eines Wanderers verstehen will. Was man auf einermystischen Wanderung erlebt, ist nicht durch Begriffe und Logik zuartikulieren. Hier versagt die Sprache, insofern sie als Instrumentobjektiver Beschreibung zu fungieren hat. Auf der anderen Seite will undmuss der Wanderer anderen mitteilen, was er gesehen, gefhlt und erlebthat. Aus dieser Spannung kommt er nicht heraus. Er muss ja auf dasInstrument der Sprache zurckgreifen; sie wird aber modifiziert, adaptiertund gewissermaen mitteilbar gemacht Es entsteht nun eine neueAusdrucksweise, ja eine mystische Sprache.

    2. Gelassenheit: 'Gott um Gottes willen lassenDas berhaupt Unaussprechliche ist es, was man pflegt Gott zu

    nennen. Was aber Gott wirklich ist, bleibt Geheimnis. Gott ist dasKleinste und das Grte, ein ewiges Nun, Allgegenwrtiges, aberwiederum nichts Zeitliches. In ihm ist kein vor oder danach. Er istberall und nirgends, ist Finsternis und Licht. Gott ist zwar alles, aber anihm ist nichts Kreatrliches. Gott ist zwar der Allmchtige, kann aber ohne

    mich nicht leben; er ist nicht auer mir, auch wenn er alles fr sichselbst ist. Gott ist in mich verliebt, erliebet mich allein; mehr noch: erist die Liebe, wodurch alles leben kann. Doch er liebt nichts als sich selbst.

    Der Begriff der Gelassenheit

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    Durch diese Widersprche, diese Antithesen versucht der Wanderer dieUnbegreiflichkeit dieses Mysteriums, genannt Gott, zu veranschaulichen.

    Was Gott ist wei man nicht: Er ist nicht Licht, nicht Geist,

    Nicht Wonnigkeit, nicht Eins, nicht was man Gottheit heit.Nicht Weisheit, nicht Verstand , nicht Liebe, Wille, Gte,Kein Ding, kein Unding auch, kein Wesen, kein Gemte.Er ist was ich und du und keine Kreatur,Eh wir geworden sind, was Er ist, nie erfuhr. (IV.21)Gott ist ein Geist, ein Feuer, ein Wesen und ein Licht;Und ist doch wiederum auch dieses alles nicht. (IV.38)

    Die Zeit begreift nicht die Ewigkeit. Gott ist etwas, das nicht

    begriffen werden kann. Nein! Er ist auch kein Etwas. Die Frage nach dem,was Gott sei, ist schon unzulnglich. Gott ist noch nie gewesen und wirdauch niemals sein. Er ist wahrhaftig nichts, ein lauter nichts. Gott istweder etwas noch nichts, d. h., er ist jenseits von 'etwas' und 'nichts', er istzugleich alles und nichts. Aus diesem Grund ist jeder Versuch, Gottdurch Suchen zu finden, zum Scheitern determiniert.

    Gott findet man mit Nicht-Suchen.Gott ist nicht hier noch da: wer ihn begehrt zu finden,

    Der lass sich Hnd und F und Leib und Seele binden.(I.171)Wir werden hier auf ein Tun, das nichts tut, hingewiesen ein

    Nichtstun das sich uns als eine conditio erweist, ohne die jede Beziehungzu Gott ausgeschlossen bleibt. Wer Gott sucht, der findet ihn nicht. Wederdurch reflektierende Auseinandersetzung mit den Heiligen Schriften nochdurch intensive Betrachtung der Schnheit der Schpfung ist Gott zuerreichen. Es kommt nicht darauf an, wie genau er gesucht und betrachtet,ob eine geeignete Methode verwendet oder der richtige Weg beschritten

    wird.,Je mehr du nach ihm greifst, je mehr entwird Er dir. Wer sich aufden Weg zu Gott begibt, dann ist das Nichtstun unentbehrlich, das Lassen,die Gelassenheit, und vor allem: Gott um Gottes willen lassen.

    Die geheimste Gelassenheit.Gelassenheit fht Gott; Gott aber selbst zu lassen

    Ist ein Gelassenheit, die wenig Menschen fassen. (II.92)

    Das bedeutet: jedes menschliche Unternehmen, Gott in Gedanken zufassen, ihn irgendwie zu definieren oder zu benennen, verhindert wegen

    seines gegenstndlichen Charakters und der ihm anhaftendenVergnglichkeit , dass Gott das sein knnte, was er ist. Selbst ihn lieben,ist nicht mehr mglich. In Bezug auf Gott kann allein von einem

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    intransitiven Lieben die Rede sein, einem objektlosen Lieben.

    Das Etwas muss man lassen.Mensch so du etwas liebst, so liebst du nichts frwahr:

    Gott ist nicht dies und das, drum lass das Etwas gar. (I.44)

    3. Gelassenheit: Die Welt und das Ich verlassen sich Gott lassen

    Im Sinn von Gott lassen treffen wir auf die ausgezeichnete, abernicht die einzige Form der Gelassenheit. Im Versuch, sich zu Gott zuverhalten, haben wir ein anderes Lassen im Auge zu behalten. Dabei gehtes darum, dass der Mensch damit er Gott gleich wird auf die Dingeund das Wissen dieser Welt verzichten, seinen eigenen Wille, der alles

    strzt, aufgeben, ja sich selbst vernichten

    soll.In diesem Zusammenhang nimmt die Gelassenheit drei verschiedene

    Dimensionen an. Einerseits muss der Mensch die Welt und deren Produkteverlassen:

    Alles Weltliche muss weg.Mensch wrfest du nicht weg, dein liebstes auf der ErdenSo kann dir nimmermehr des Himmels Hafen werden. (VI.104)

    Demzufolge gilt die Armut als der unvergleichbare Schatz und dasWesen aller Tugenden. Es lohnt sich nicht, in dieser Welt reich zu sein undsich zu grmen. Wie eine Rose an ihrer Schnheit nicht interessiert ist,nicht daran denkt, auf sich zu achten und von anderen geachtet zu werden,so hat sich der Mensch weder um sein uerliches noch um Reichtum undEhre zu kmmern. Wer so lebt, der muss der Gelassenegenannt werden.

    Aber es gengt dem Menschen nicht, allein die Welt, das Irdische, dasuerliche zu verlassen. Wenn du dich selbst wirst hassen,dann schtzich dich, dass du erst etwas hast verlassen (VI.192). Fr den Menschenkommt es auch darauf an, seinen eigenen Willen aufzugeben, sich selbst zuverleugnen, zu verkleinernund zu verachten. Er muss gekreuzigt werden.Das heit: er muss konstant von sich selbst Abschied nehmen, aus sichgleichsam hinausgehen, damit Gott hereinkommen kann.

    Je mehr du aus, je mehr Gott ein.Je mehr du dich aus dir kannst austun und entgieenJe mehr muss Gott in dich mit seiner Gottheit flieen. (I.138)

    Auer dass der Mensch Gott sein lassen und die Welt mit ihren Dingenverlassen muss, gibt es in diesem Zusammenhang noch ein Lassen,nmlich das Sich-Gott-lassen. Wer sich selbst und die Dinge lsst, lsstsich damit nicht in das Leere, er lsst sich Gott. Dies kann so gesehen

    Der Begriff der Gelassenheit

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    werden, als sprnge der Mensch in Gott hinein, um mit ihm so eine Einheitzu bilden, dass es keinen Unterschied zwischen dem Menschlichen unddem Gttlichen mehr gibt. Zeit und Ewigkeit werden Eins. Wer die Welt

    gelassen und sich Gott bergeben hat, der ist ein grundgelassenerMensch.

    Der Grundgelassene.Ein grundgelassener Mensch ist ewig frei und ein:Kann auch ein Unterscheid an ihm und Gotte sein? (II.141)

    4. Gelassenheit: Das Leben aus dem TodIn dieser Erfahrung, das Ich preiszugeben und sich mit Gott zu

    verschmelzen, spielt der Begriff des Todes eine entscheidende Rolle.Gerade der Tod? Zweifellos mit keinem Phnomen tat und tut sich dasabendlndische Denken so schwer wie mit dem Tod. Der Grund dafrmag daran liegen, dass der Tod als etwas Negatives angesehen wird.

    Normalerweise denkt der heutige Mensch, dem Tod werde eine einzigeAufgabe gestellt, das Leben erbarmungslos zu beenden. Ansonsten seizwischen ihnen Tod und Leben keine Beziehung mglich. Wieknnen wir den Tod anders begreifen? Nicht als etwas Schlechtes,Unsinniges?

    Im Cherubinischen Wandersmann wird nicht selten dieses Phnomenthematisiert. Der Horizont allerdings, in dem es zu betrachten ist, wirdstets erweitert, bis der Tod als etwas Seliges, ja als das Beste unter allenDingen, betrachtet wird. Hier haben wir zwei verschiedene Momente zudifferenzieren. Auf der einen Seite bezieht sich der Tod auf etwas, das wiroben schon besprochen haben: die Vernichtung des Ichs, damit Gott lebenkann. Der Mensch muss hier unaufhrlich geistlich sterben.

    Das immerwhrende Sterben.Ich sterb und lebe Gott: will ich ihm ewig leben,So muss ich ewig auch fr ihn den Geist aufgeben. (I.31)

    Der Tod hat aber darber hinaus eine gleichsam hermeneutischeFunktion. Er versetzt den Wanderer in die Lage, das Unfassbare zuverstehen. Er ermglicht ihm, das Leben anders zu interpretieren, ja ein

    besseres Leben zu fhren. Der Tod kann so nicht etwas Unsinniges sein,sondern den Sinn des Lebens berhaupt enthalten. Erst der Tod macht dasLeben.

    Das Leben und der Tod.Kein Tod ist herrlicher, als der ein Leben bringt:Kein Leben edler, als das aus dem Tod entspringt. (IV.103)

    Der Begriff der Gelassenheit

  • 8/2/2019 Geistiges Leben 2007-6

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    GL 6/2007 37

    Wir knnen diese letzten Bewegungen zusammenfassen: Der Menschlsst sich selbst, verlsst die Welt und berlsst sich Gott. Dies wirddurch und mit dem Tod vollzogen, der darber hinaus dem Leben einen

    Sinn gibt, ja es berhaupt macht. Daraus entsteht die Gleichheit. DemMenschen, der immerwhrend stirbt, ist alles Ein / Ort / Unort /Ewigkeit/ Zeit / Nacht / Tag / Freud / und Pein. Mit einfachen Wortenknnten wir sagen, dem Mensch, der Hand in Hand mit dem Tod geht, seialles gleich. Das alles muss nicht unbedingt als resigiatto ad infernumverstanden werden. Im Gegenteil: es geht eher um eine gelassene Haltung,die fr den Wanderer ein Leben in der Welt berhaupt mglich macht.

    Die unvollkommne Gelassenheit

    Wer in der Hlle nicht kann ohne Hlle leben,Der hat sich noch nicht ganz dem Hchsten bergeben. (I.39)

    Was ist aber Gelassenheit? O. F. Bollnow stellt sorgenvoll fest, dieGelassenheit sei eine veraltete Tugend. Nicht nur, dass in unseren

    bewegteren Zeiten die Gelassenheit in hohem Ma verloren gegangen ist,sie ist darber hinaus weitgehend auch als Ziel aus den Augengekommen. Die Frage ist, ob damit nicht etwas Wertvolles, vielleichtsogar Unentbehrliches unentrinnbar dahinzuschwinden droht.

    Im Cherubinischen Wandersmann lassen sich wie wir gesehenhaben einige Momente feststellen, in denen wir Spuren derGelassenheit finden knnen. Eine einheitliche Definition oder konkreteVorstellung suchen wir vergebens. Und auf die Frage Was ist berhauptGelassenheit? haben wir auch keine Antwort bekommen. Aber mssenwir es nicht gerade dabei belassen? Stoen wir nicht auf ein Geheimnis,das als solches nicht zu lsen ist?Wrde die Gelassenheit noch existieren,nachdem sie genau definiert worden wre? Und wenn sie begleitet vomBegriff des Todes in absolute Vergessenheit gert, sind wir berhauptnoch imstande, unsere wahrscheinlich schwierigste Aufgabe zu

    bewltigen, nmlich unser Leben zu leben?