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Burnout - Modebegriff oder Diagnose
Wie man seine Prinzipien aufgibtund gesund wird
Dr. Günther Possnigg© 2015
2Burnout © Possnigg 2015
Modewort Burnout• Im allgemeinen Sprachgebrauch inflationär und
missverstanden gebraucht• Überdruss, Unzufriedenheit• Missstände im Berufsleben• Klingt auf wie Ausrede für Faulheit,
sagt sich leichter als „Depression“Aber• Krise, Persönliche Katastrophe,
Ende einer Karriere?• Schwere Probleme in Familie u. sozialen Umfeld
Burnout © Possnigg 2015 3
Wissenschaftlich ungeklärt, ob Burnout…• … eine Krankheit für sich (Autonomie postulat) oder• eine „normale“ Reaktion auf Belastungen• … Teil bzw. Folge anderer Krankheiten• … ein Phänomen unserer Arbeitswelt• …. Prozess oder ein Zustand ist.
o Läuft der Burnout-Prozess immer gleich ab?o Ist der Zustand reversibel oder irreversibel?
Burnout © Possnigg 2015 4
Krise
Ein Prozess…
StressBelastung
Eigene Ansprüche
Primäres Defizit
Veränderung
Negative Entwicklung
Somatische und psychiatrische
Symptome
Sucht, Komorbidität
Folgekrankheiten
Positive Entwicklu
ngChanc
e
Externe Ansprüche
5Burnout © Possnigg 2015
Krise und Akuthilfe… wenn durch ein akutes Ereignis klar wird, dass es „so nicht mehr weitergehen“ kann. • Krise, Dekompensation• Panikattacken, Kreislaufkollaps• Akute Schlafstörung• Unfall, Verletzung• Akute Krankheit (Herzinfarkt, schwere
Infektion…)• rezidivierende Infekte• Selbstmordversuch – Selbstschädigung
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Unterscheiden...• reine“ Erschöpfungssymptomatik oder• Primäre Erkrankung (vorbestehend) – zusätzlicher
Stressor oder Komorbiditäto Angststörung, Zwänge o (komplex) traumatisierte Persönlichkeito Depression, bipolare Störungo Suchtkrankheit(z.B. Alkohol)
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Impliziert ist• Schwerwiegende Erkenntnis• Endpunkt einer langen multifaktoriellen
Entwicklung• emotionale, vegetative, körperliche Erschöpfung• Entfremdung von sich selber, seinen Freunden,
seinen Werten, Dissoziation• Leistungsminderung – Verlust von spezifischen
Fähigkeiten
Burnout © Possnigg 2015 8
Herbert J. Freudenberger (1927- 1999)Vater des Burnout-Begriffes 1974
• 8 – 18 Uhr Psychoanalytiker in eigener Praxis • 18 – 23 Uhr ehrenamtlich in
einer free clinic in Spanish Harlem (Klientel: jugendliche, drogenabhängige Aussteiger)
• nach 23.00 Uhr Besprechungen und Übungen. „Je müder ich wurde, desto mehr trieb ich mich an.“
• Für seine Frau und drei Kinder blieb wenig Zeit...
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Freudenberger: Erstbeschreibung der
Burnout-Symptomatik
Subjektiv: Gefühl der Verausgabung, Müdigkeit, Infektanfälligkeit, häufige Kopfschmerzen, Magen-Darm-Problemen, Schlaflosigkeit, Kurzatmigkeit...
„In short, one becomes too somatically involved with one´s bodily functions.“
Im Kontakt mit Kollegen: emotionale Ausbrüche,
leichte Reizbarkeit, wissen alles besser, Denken rigide, unflexibel, keine konstruktive Lösungen
Burnout © Possnigg 2015
10Burnout © Possnigg 2015
Herbert FreudenbergerWer brennt aus?„...that individual who has a need to give. A
need that is excessive and in time unrealistic.“
d.h.:…jemand der ein exzessives und unrealistisches
Bedürfnis zu geben hat.
Nur wer entflammt war kann ausbrennen (?)Freudenberger, H. (1974): Staff Burn-Out.
J. of Social Issues, 159-165
Christina MaslachBurnout ist „ein Syndrom
• emotionaler Erschöpfung,
• Depersonalisierung und• reduzierter persönlicher
Leistungsfähigkeit,
das bei Individuen, die in irgendeiner Weise mit Menschen arbeiten, auftreten kann“
(Maslach & Jackson (1984) )
Burnout © Possnigg 2015 11
Maslach Burnout-Inventory
„Burnout-Autonomie-Postulat“
Burnout weder Neurose noch seelische Erkrankung
sondern Kategorie eigener Art, die ausschließlich durch Überlastung in einer (sozialen) Tätigkeit resultiert.
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Zwei ModelleFolgestörung Autonome Störung
• Was ist das ursprüngliche Problem?(Basiserkrankung, Primäres Defizit)
• Erkennen des eig. Entwicklungsbedarfs
• Persönliche Veränderung• Psychotherapie• Pharmakologische
Therapie
• Ansatz der Veränderung am Arbeitsplatz
• Achtsamkeits-, Entspannungs- u. Kommunikations-trainings
• Organisations-entwicklung
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Folge einer Basiserkrankung?Für anhaltenden Stress sorgen:• Posttraumatische Belastungsstörung,
Traumafolge-Störung• Angststörungen• Zwangsstörungen, Leistungszwang,
Perfektionismus • narzisstische Störungen• Depressive Störung, die durch
Beschäftigungszwang kompensiert wird• Bipolare Störung • Sucht
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A.M.54a Buchhändler
Erstkontakt März 2013• Schwere Schlafstörung. Lustlosigkeit. Kreisgedanken (zu
viel an Arbeit) - Depression• Seine Sicht: Sehr chaotische Firma, fin. Mittel reduziert,
keine Hilfe – obwohl alle sehr zufrieden, gute Arbeit: plant und veranstaltet literarische Ereignisse
• Immer wieder Jobwechsel, nie arbeitslos (Ehrgeiz)• 2009 bereits 8 Monate wg. Burnout in Krankenstand• Verh.(33j)Kinder erwachsen, Frau hat MS, arbeitet• Ressourcen: Radfahren und Saxophonspielen• Ärztl. Int.: Trittico; Angebot zu Psychotherapie (1x/Mo)
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A.M.54a Buchhändler 2
März – August 2013• Hochfunktional, angespannter Zustand, subj. „gut, aber
gefährlich“September• Rasche Verschlechterung: durch Arbeit massiv überfordert,
Sinnlosigkeit, wieder massive SMG, Schlafstörung• Ärztl. Int.: Beginn med. Therapie, Arbeitsunfähigkeit. Oktober• Weitere Verschlechterung, somatische Beschwerden,
Schwäche• Stationäre Aufnahme: psychosomatische Abteilung –
6Wochen. Entscheidende Veränderung
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A.M.54a Buchhändler 3
Dezember 2013• Wesentlich besser, Erkenntnis, den Beruf komplett zu
verändern. Seine Projekte werden auch ohne ihn laufen
Jänner – März 2014• Krankenstand, Gespräch mit Ex-Chef, Kündigung• Verbesserung priv. Kontakte u, Ressourcen (Saxophon).
Planung der Rehabilitation• Kränkung, da ihm Frühpension nahegelegt wurdeEnde April – Juni• Rehabilitation ambulant, private Vernetzung besser• Auftritte Solo-Saxophon und in Bands
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A.M.54a Buchhändler 4
September – November 2014• Arbeitslosigkeit• Regelmäßige Auftritte• Events, Kontakte – aber nur in geringem Ausmaß• Vorsichtiges Herantasten an neue ArbeitsstelleAb Dezember• Fixes Anstellungsverhältnis 24 Wochenstunden• Tw. Heimarbeitsplatz• Vernetzung und Selbstdarstellung sind Teil der berufl.
TätigkeitAuch jetzt: Empfindsam, achtsam gg. Übergriffe, Chaos und Überforderung
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Krise
Was hält ihn am Laufen?
StressBelastung
Eigene Ansprüche
Primäre Störung
Veränderung
Negative Entwicklung
Somatische und psychiatrische
Symptome
Sucht, Komorbidität
Folgekrankheiten
Positive Entwicklu
ngExterne Ansprüche
Ein Prozess…
Stress und die Folgen
Stressreaktion ursprünglich• Antwort auf Gefahr• Flucht oder KampfHeute• Dauerstress• Keine Gefahr für
Leben• Ängste und Zeitdruck• Anteile in uns selber• Primäre Defizite
Burnout © Possnigg 2015
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Stress & vegetatives Nervensystem
Sympathikotonuso Blutdruck, Herzfrequenz, o Muskeltonuso Schweissekretiono Noradrenalin, Cortisolspiegel
Erhaltende und schützende Funktioneno Verdauung (Motorik, Sekretion)o Immunabwehro Regenerationskraft
steigen
sinken
Burnout © Possnigg 2015
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Singulärer Stress, Eustress
körperliche Reaktion
Minuten
15 30 45 60
Burnout © Possnigg 2015
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Dauerstress, Distresskörperliche Reaktion
Minuten
15 30 45 60
Burnout © Possnigg 2015
23Burnout © Possnigg 2015
Stressfolgen• Vegetativ • Bewegungsapparat• Hormonell• Immunologisch• Psychisch
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Stressadaptation• Alarmreaktion
o Sympathikotonus, Noradrenalin, ACTH, Cortisol• Widerstandsphase
o Erhöhung des Zuckerstoffwechsels,o Gefäßmuskulatur kontrahierto Hormonelle Veränderung
• Erschöpfungsphaseo Zusammenbruch der Infektabwehr, der
Reproduktion- und Wachstumsfunktionen,o Vergrößerung der Nebeniere,o Reduktion der Lymphozyten, o Magengeschwüre
25Burnout © Possnigg 2015
Hormonelle Veränderungen
• Cortisol erhöht (Blut, Harn, Speichel)• Katecholamine (Noradrenalin, Serotonin,
Dopamin)• Prolactin, TSH(Schilddrüse)• Sexualhormone • Melantonin
Folgen• Sexualstörungen, Schlafstörungen• Immunsystem• Schweiß (Menge und Zusammensetzung),
Blutdruck • Diabetes r
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Psychische Veränderungen
• Schlafstörungen • Panikattacken, Existenz- u.
Versagensängste• Emotionales Erschöpfungsgefühl• Depression: Antriebsstörung,
Übererregbarkeit, Selbstwertminderung
• Entfremdung, Dissoziation• Leistungsminderung, kognitive
Störungen r
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Symptome Körper• Blutdruck: Hypo- und Hypertonie• Reizmagen, Magengeschwür, Reizdarm• Niere, Blase, Urethra• Temperaturstörungen, Schwitzen• Häufige Infekte – ohne (seltener mit)
Fieber, Erkältungsgefühl, Herpes• Tagesmüdigkeit, Abgeschlagenheit• Chronic fatique syndrom• Sexualstörungen r
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U.B.48a Projektmanagerin im Umweltamt
Erstkontakt Mai 2014• Seit 22 Jahren im Bundesdienst• Unklare Aufgabendefinition, Auslandsaufenthalte,
Veränderung der Werte (Privatisierung), Mobbing• Scheidung, 7jr. Sohn, Alleinerzieherin, neuer Partner• Angstattacken, Durchschlafstörung seit 8 Mo.• Sehstörungen (Blickfeld „verpixelt“), Panikattacken• Vorgeschichte: keine psychiatrischen Probleme. Sie
selber immer hoch funktionalFA: Mutter war depressivÄrztl. Intervention: Antidepressiva, Psychotherapie, Krankenstand (AU) ab Anf. Mai 2014
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U.B.48a Projektmanagerin im Umweltamt 2
Juni 2014• Arbeitsunfähig. Große Emotionen, „alles schlechter“• Traurigkeit, bes. wenn sie nahe Arbeitsplatz ist• Verlangsamung, Kraft- u. Antriebslosigkeit, kognitive
Beeinträchtigung: Konzentration, Merkfähigkeit• Schwindelattacken bes. in der U-Bahn• Ängste vor vielen, • Gefühl nicht durchzuhalten – nicht belastbar sein• Somatische Probleme (Blase, Regel)• Keine Psychopharmaka: Tryptophan, Passelyt
Burnout © Possnigg 2015 30
U.B.48a Projektmanagerin im Umweltamt 3
Juli, September 2014Arbeitsunfähig. • Besserer Schlaf, weniger und schwächere Panikatt.• Langsam allgemein besser, aber nicht belastbar• Fasst berufliche Veränderung ins Auge Oktober, November• Geringe Belastungen (Ortswechsel): anstrengend,
Blasenentzündungen• Schlaf wesentlich besser• Berufl. Veränderung: Coachingausbildung• Kompetenzenliste: Sprachen, Projekte, Tanzen Backen
Burnout © Possnigg 2015 31
U.B.48a Projektmanagerin im Umweltamt 4
Jänner 2015• Ganz vz. Panikattacken• Entschluss: zurück ins Amt. Schwieriger Abschied, • Erkenntnis: „nach 20 Jahren gehöre ich nicht mehr
dazu“- hat sich viel engagiert, für Amt und Mitarbeiter (die Mama der Abteilung) - fragt sich: Warum?
• Beginn Bildungskarenz ab 1.3.März• Sehr gut. In Coachingausbildung viele Erkenntnisse • Wirkt voll leistungsfähig, • Plant ab 2016 halbtags, andere Abteilung…
„Es war nie die Menge der Arbeit, die mich krank gemacht hat!“
Burnout © Possnigg 2015 32
Viele Wege, aus Burnout zu lernen
Es kann unser Leben komplett verändernEs zeigt uns Grenzen und Begrenzungen
Es wirft uns auf unsere Basis zurück
Es reicht nicht nur die Umgebung, die Arbeit, die Fähigkeiten zu verändern sondern auch unsere
Werte
Burnout © Possnigg 2015 33
Werte & Prinzipien• Mit Leistungsprinzip aufgewachsen, ausgebildet• Leistung, Erfolg und Selbstwert verknüpft• Arbeitshaltung von unseren Werten geprägt• Arbeitgeber macht implizit oder explizit Druck• Veränderung der Wertehierarchie des
Arbeitgebers (z.B. durch Privatisierung, strukturelle Veränderungen)
• Mismatch • Chaos• Intrigen, Fehlinformation und Mobbing r
Burnout © Possnigg 2015 34
Glaubenssätze: Prinzipien und Werte, die krank machen• Nur Leistung führt zum Erfolg• Zuständig sein – unentbehrlich sein• Ich bin auf jeden Fall letztendlich für Alles
verantwortlich• Rund um die Uhr da sein, auch wenn ich nicht am
Arbeitsplatz bin arbeite ich• Ich muss alles allein machen• Ich lebe nur für die Arbeit• Freizeit ist unwichtig, immer im Dienst• Zu viel reden verringert die Produktivität r
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Burnout Prozess bedeutet:Überprüfe deine Werte,
gib deine Prinzipien auf !
….und lebe!
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Burnout Forschung• Staff-Burnout: Freudenberger 1974• Maslach Burnout Inventory (Maslach, Jackson 1981)• Deskriptive Beschreibung 130 Symptome
(Matthias Burisch 1989)• André Büssing, Wilmar Schauffeli• Bibeau 1989Literatur• Maslach, Leitner Die Wahrheit über Burnout
Springer 2001• Hillert, Marwitz Die Burnout Epidemie, Beck 2006• Ratheiser et al. Burnout und Prävention,
Springer 2011• Rösing Ina Ist die Burnout-Forschung ausgebrannt?
Asanger 2008
Burnout © Possnigg 2015 37
www.burnoutnet.atwww.burn-out.at