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in Vorbereitung für „Theorie und Praxis der Sozialpädagogik“ Themenheft „Herzensbildung“, 2017, Klett-Verlag [email protected], www.tps-redaktion.de

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Nils Altner: Oasen der Hoffnung. Kindergärten als Freiräume fürs achtsam Sein

Der Zauber des Da-Seins Richard ist anderthalb. Er sitzt beim Fenster zum Garten. Draußen scheint die Sonne und der Wind weht. Die Sonne scheint durch die winterlich kahlen Äste der alten Kastanie vorm Haus ins Zimmer. Richard betrachtet das Spiel von Licht und Schatten auf der weißen Wand neben dem Fenster. Die dunklen Formen auf dem weißen Grund scheinen zu leben. Richard sitzt und schaut und ist ganz in das Auf und Ab der Schemen vertieft. Mal bewegen sie sich rhythmisch hin und her. Dann folgt eine Pause bis die Schatten mit einer heftigen Bewegung wieder zu tanzen beginnen. Richard sitzt und schaut und ist ganz glücklich dabei. Irgendwann hat er genug und greift zum Spielzeugtrecker. In solchen Momenten wachsen wir, wie Mais in der Nacht, schreibt Henry David Thoreau in seinem 1854 erschienen Buch „Walden“. Viele Kinder überlassen sich gern hin und wieder solchen Momenten des stillen Schauens. Sie scheinen dann von einem ganz besonderen Zauber umgeben zu sein. Haben Sie sich schon einmal von einem Kind zu solch stillem Innehalten inspirieren lassen? Probieren Sie es aus, wenn Sie mögen. Es gibt fast keine Arbeit, die nicht eine Minute warten könnte. Gönnen Sie sich den Luxus und lassen Sie sich von dem Zauber des ganz im Moment Gegenwärtig Seins berühren. Es entstehen dann besonders kostbare Erlebnisse des gemeinsamen Da-Seins mit dem Kind. Nehmen Sie sie wie wertvolle Geschenke entgegen und freuen Sie sich an ihnen. Das Interesse an der Kultivierung einer achtsamen Haltung hat in unserem Kulturkreis in den letzten Jahren enorm zugenommen, motiviert von der Sehnsucht nach Ruhe, Frieden und freudvoll verbundener Gelassenheit. Ist doch das Leben Vieler von Rastlosigkeit und dem Gefühl einer ständig zunehmenden Beschleunigung des Lebenstempos bestimmt. Besonders schmerzhaft ist es zu erleben, dass auch viele Kinder ruhelos und wie getrieben durch ihr Leben hetzen. Dafür sind wir Erwachsenen mit unserer eigenen Rastlosigkeit verantwortlich! Von Natur aus bringen die meisten Kinder ein gesundes Maß an Ausgeglichenheit zwischen Aktivität und Entspannung mit. Je beschleunigter der Lebenstakt der Erwachsenen aber wird, desto wichtiger ist es, dass Kinder Ruheoasen finden und Spielräume nutzen können, um sich ihren eigenen Takt zu bewahren. Im Kindergarten und in den Familien können wir wesentlich zur Bewahrung von Eigenzeitlichkeit und Muße beitragen, wenn wir bewusst Entscheidungen treffen, die das ermöglichen. Von diesen Ruhe-Oasen im Kindergarten können dann Impulse ausgehen, die für die Gesellschaft als Ganzes beruhigend und heilsam wirken. Achtsamsein und Lernen Achtsamkeit bezeichnet eine Haltung unseres Bewusstseins, die von wohlwollender Präsenz oder Gegenwärtigkeit sowie von Akzeptanz geprägt ist. Diese Qualitäten stehen im Gegensatz zu dem kritischen Blick, der im Alltag fast immer unsere erwachsene Wahrnehmung bestimmt und unser Tun antreibt. Doch scheinen wir ein tiefes Bedürfnis nach diesem Gegenwärtigsein zu haben, das wir, wenn wir Gelegenheit dazu haben, oft mit einer wieder und wieder wiederholten Tätigkeit

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verbinden. Ganz bei der Sache sein und etwas so oft zu wiederholen, bis wir es gemeistert haben, damit schaffen wir uns die idealen Bedingungen für erfolgreiches und bedeutsames Lernen. Denn die Wiederholung bahnt und stärkt die neuronalen Verknüpfungen und das konzentrierte Glücksempfinden bündelt unsere Aufmerksamkeit in lustvoller Weise. Damit verbinden wir das Lernerlebnis mit positiven Gefühlen, die uns für weitere Lernerfahrungen in der Zukunft motivieren. Kinder suchen sich von sich aus solche wiederholten Erfahrungen und meistern aus eigenem Antrieb die damit verbundenen Anforderungen. Wieder und wieder stehen sie beim Laufen lernen auf und machen Schritte. Immer wieder greifen sie zum Stift uns malen ein Haus. Immer wieder wollen sie die gleichen Geschichten hören. Unverdrossen steigen sie aufs Fahrrad oder stellen sich aufs Skateboard bis sie einen Grad der Meisterschaft erreichen, mit dem sie zufrieden sind. Maria Montessori erkannte die fundamentale Bedeutung dieser „Polarisation der Aufmerksamkeit“ für unser lebenslanges Lernen und baute ihr pädagogisches Konzept darauf auf. Die Lernangebote, die wir den Kindern und auch uns selbst heute machen, sollten auf alle Fälle möglichst großzügig Gelegenheit, Raum und Zeit für dieses natürliche und freudvolle Lernen schaffen bzw. lassen. Achtsamkeit und Gesundheit Achtsamkeit ist en vogue, allerorten liest man davon, sogar im „Tatort“ wurde schon ein Achtsamkeitskurs erwähnt. Achtsamkeitsbasierte Programme für Erwachsene wie MBSR (Mindfulness-based Stress Reduction) und MBCT (Mindfulness-based Cognitive Therapy) werden z.B. empfohlen in der Behandlungsleitlinie zur Rückfallprophylaxe von an Depression erkrankten Erwachsenen sowie in der Interdisziplinären S3-Leitlinie für die Diagnostik, Therapie und Nachsorge des Mammakarzinoms. Die Mind-Body-Medizin nutzt sie vor allem in der Behandlung von PatientInnen mit chronischen Erkrankungen [1]. Und von der Zentralen Prüfstelle Prävention werden seit 2014 Achtsamkeitskurse nach §20, SGB V zertifiziert und von den gesetzlichen Krankenkassen als Präventionsmaßnamen im Bereich Stressbewältigung anteilig refinanziert. Auch in der Therapie und Prävention bei Kindern finden sich zunehmend achtsamkeitsbasierte Interventionen, so z.B. in der Leitlinie für die Behandlung für Depressionen bei Kindern und Jugendlichen [2] In Anlehnung an achtsamkeitsbasierte Gruppenprogramme für Erwachsene sind in den letzten Jahren adaptierte mehrwöchige Programme für Kinder entwickelt worden, z.B.:

• Mindfulness-based Cognitive Therapy for Children with Depression [3] • Acceptance and Commitment Therapy (ACT) für Kinder [4] • Dialektisch Behaviorale Therapie für Jugendliche [5] • Learning to Breathe auf der Basis von MBSR [6]

Achtsamkeit ein- und ausüben Achtsamkeitsbasierte Verfahren und Programme betonen die direkt-sinnliche Erfahrung im gegenwärtigen Moment. In diesem Sinne mögen Sie sich vielleicht einen Moment Zeit für eine solche Erfahrung nehmen:

Setzen oder stellen Sie sich aufrecht hin. Erlauben Sie Ihren Augen sich zu schließen. Spüren Sie Ihre Füße am Boden. Nehmen Sie Ihren Körper wahr, so wie er sich jetzt von innen her anfühlt.

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Lassen Sie mit einem tiefen Einatemzug Ihre Körperräume sich weiten. Und begleiten Sie den tiefen Ausatemzug mit Ihrer Aufmerksamkeit bis ganz zum Ende des Ausatmens. Nehmen Sie die Geräusche um sich herum wahr und spüren Sie Ihre Kleidung auf der Haut. Gönnen Sie sich dieses wache Wahrnehmen für ein paar Atemzüge lang. Wenn Sie bemerken, dass Ihr Geist Gedanken erzeugt, nehmen Sie diese wahr und lassen Sie sie ziehen, indem Sie freundlich und bestimmt die Aufmerksamkeit auf das Spüren des Atems zurück lenken... Begleiten Sie noch einen Atemzug vom Beginn der Einatmung bis zum letzten kleinen, feinen Aushauch der Ausatmung. Entlassen Sie dann Ihre Aufmerksamkeit, öffnen Sie die Augen, um mit Ihrem alltäglichen Tun fortzufahren.

Diese Grundübung der Achtsamkeitspraxis vereint wichtige Aspekte aller achtsamkeitsbasierten Methoden und Programme:

• Bewusste Lenkung der Aufmerksamkeit auf aktuelle Sinneseindrücke Moment für Moment

• Offene, freundlich (selbst-)zugewandte, achtungsvolle Haltung • Bewusstheit für und Abstinenz von quasi-automatischen

Bewertungsprozessen

Die Entwicklung einer achtsamen Haltung sich selbst und anderen gegenüber ist das Ziel all dieser Interventionen. Sie eröffnen Da-Seins Räume für das im gegenwärtigen Moment präsent sein und schulen die Kinder und Jugendlichen mittels altersangepasster meditativer Übungen in Stille und Bewegung, die Elemente aus Yoga, Qigong, Taiji sowie kognitiven Methoden vereinen, ihre Aufmerksamkeit willentlich zu lenken und zu halten. Anstatt quasi-automatisch mit ihren Wahrnehmungen (z.B. Schmerzen) oder Gefühlen (z.B. Ärger) identifiziert zu sein, lernen sie die Aufmerksamkeit auf ihre momentanen Sinneswahrnehmungen sowie auf das ständige Entstehen und Vergehen von Wahrnehmungen, Gedanken und Gefühlen zu lenken. Dabei können sie erkennen, dass Wahrnehmungen und Gefühle wandelbare und vorübergehende Erscheinungen sind. Wirkzusammenhänge Achtsamkeitsbasierte Interventionen werden aktuell als Teil der „dritten Welle“ der verhaltensbezogenen Therapien und Lebensstilprogramme in einer großen Bandbreite der therapeutischen und präventiven Anwendungen evidenzbasiert vermittelt [7]. Dabei zeigt sich, dass die Fähigkeit, bewusst und für einen bestimmten Zeitraum die Aufmerksamkeit wertfrei zu den gegenwärtigen Sinnesempfindungen lenken zu können, mit der gleichzeitigen Desidentifikation von den aktuellen emotional kognitiven Inhalten einhergeht. Dabei harmonisieren sich akute stressbedingte Erregungsparameter wie Muskelspannung, Blutdruck, Puls, respiratorische Sinusarhythmie etc.. Immunologische, hirnphysiologische und epigenetische Stressmuster regulieren sich ebenfalls. Gelassenheit nimmt zu. Die dabei immer wieder eingeübte zugewandte, nicht abwertende und nicht reaktive Haltung zu den wahrgenommenen Erscheinungen ermöglicht den Achtsamkeit praktizierenden Kindern und Jugendlichen einen Interpretations- und

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Handlungsspielraum, der über quasi automatische Abwehr-, Kampf-, Flucht- oder Erstarrungsreaktionen hinausgeht. Mit zunehmender Internalisierung einer achtsamen Haltung werden dabei zunehmend Wahrnehmungen und Beziehungen möglich, die von Akzeptanz, Zuwendung, Mitgefühl, Humor und Verbundenheit geprägt sind. Die Achtsamkeitspraktizierenden können dadurch einen Zuwachs an Selbstwirksamkeit und Empowerment erleben, die sie im Umgang mit akuten schwierigen und belastenden Situationen und auch im Leben mit einer chronischen Belastung oder Erkrankung stärken.

Hölzel et al. [8] fassen die Erkenntnisse über die Veränderung von Hirnstrukturen bei Erwachsenen, die Achtsamkeitsmethoden praktizieren, zusammen und weisen darauf hin, dass die bislang in funktionalen und strukturanalytischen Neuroimaging-Studien identifizierten neuroplastischen Änderungen im anterioren cingulären Kortex, in der Insula, in der temporo-parietalen Verbindung, im frontal limbischen Netzwerk sowie in den Strukturen des Default-Mode Netzwerks synergistisch wirken und gemeinsam einen Prozess der erweiterten Selbstregulation ermöglichen. Ähnliche Effekte bei Kindern und Jugendlichen scheinen plausibel. Sie identifizieren als Wirkkomponenten der Achtsamkeitsschulung:

• Gezielte Aufmerksamkeitsregulation • Erhöhtes Körperbewusstsein • Verbesserte Emotionsregulation • Perspektivwechsel bezüglich Selbst

Wirkevidenz Zu bisher untersuchten physiologisch pädiatrischen Indikationen für achtsamkeitsbasierte Interventionen zählen:

• Schmerz und Schmerzverarbeitung [9] • Schlafqualität [10] • Bluthochdruck [11] • Übergewicht [12] • Krebserkrankungen [13]

Studien zeigen auch, dass Achtsamkeitsschulungen vor, während und nach der Geburt werdende sowie junge Mütter und Väter unterstützen [14]. Zudem liegen Untersuchungen vor, die die Evidenz für die Sinnhaftigkeit und Wirksamkeit der Achtsamkeitsschulung von Eltern und Pflegepersonal (chronisch) kranker Kinder belegen [15] [16] [17]. Sie zeigen, dass sich Stresssymptome reduzieren und die Beziehungsqualität sich verbessert. Die Schulung von Achtsamkeit für pädiatrisches Personal und für Eltern bildet dabei die Basis für die Integration achtsamkeitsbasierter Therapien in die Behandlung erkrankter Kinder und Jugendlicher. Hier besteht Schulungsbedarf. Zu den in psychiatrischen, psychotherapeutischen und pädagogischen Kontexten beschriebenen Effekten von Achtsamkeitsinterventionen bei Kindern und Jugendlichen zählen:

• Freude bei der Ausführung und Abnahme von Stresssymptomen [18] • Gewachsene Konzentrationsfähigkeit [19] [20] • Weniger ADHS Symptome [21] • Zunahme der Fähigkeiten für Stressregulation und Entspannung [22]

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• Verbesserte Emotionsregulation und sozial-emotionale Resilienz [23] • Zunahme von Wohlbefinden [24] • Weniger PTBS Symptome [25] • Abnahme von Angstsymptomen und Depressivität [26] • Reduzierte Symptome von Angst, Depression und somatischem Stress bei

Zunahme von Selbstwert und verbessertem Schlaf [27] • Verbesserte soziale Kompetenz [24] • Weniger Aggressivität und größere Impulskontrolle [28] • Größere Akzeptanz der eigenen Gedanken, Gefühle und Verhaltensweisen

[29] • Zunahme der Bewusstheit und Regulationsfähigkeit bezüglich eigener

kognitiver und physiologischer Zustände [18] • Verbesserte exekutive Funktionen d.h. Arbeitsgedächtnis, Konzentration,

logisches Denken, geistige Flexibilität, Problemlösefähigkeit, Planung und Durchführung kognitiver Prozesse, Impulskontrolle [30] [31]

• Zunahme an Kreativität, kognitiver Flexibilität, Merkfähigkeit für Unterrichtsstoff [32] auch schon bei Kindergartenkindern [33] [34]

• Zunahme an Wohlbefinden und persönlicher Entwicklung [35] • Bessere interkulturelle Kompetenzen sowie Bewusstheit für selbst und andere

[36] In einer Stichprobe von 1200 LehrerInnen fanden wir Zusammenhänge zwischen Achtsamkeitspraxis, Gesundheit und schülerorientiertem Unterrichtsstil [37]. Die LehrerInnen, die eine Form der Achtsamkeitspraxis wie z.B. Meditation, Yoga oder Kontemplation ausübten, waren deutlich gesünder als ihre KollegInnen und waren in ihrem Unterricht viel mehr auf die SchülerInnen und deren Lernprozesse bezogen als ihre KollegInnen. Zu möglichen Synergien zwischen achtsamkeitsbasierten Interventionen bei PädagogInnen und GymnasialschülerInnen liegen aktuell erste Untersuchungen mit geringen Fallzahlen aus dem DFG Projekt „Muße“ von KollegInnen der Universität Freiburg vor [38]. Für die intuitiv plausible Vermutung von Zusammenhängen zwischen den Stressbelastungen von LehrerInnen und GrundschülerInnen findet eine aktuelle kanadische Studie physiologische Entsprechungen [39]. Dort änderten sich Parameter für Stressbelastungen bei den Kindern in dem Maße, in dem sie bei den LehrerInnen variierten. Das legt die auch intuitiv plausible Erkenntnis nahe, dass wir unsere Kindergärten und Schulen zu Oasen des Da-Seins und des freudvollen Lernens machen können, wenn es uns gelingt, die Kräfte des Innehaltens und gegenwärtig Seins in unseren Herzen und Hirnen wahrzunehmen, zu stärken und zu nutzen. Lassen wir uns auch von den Kindern dazu inspirieren! Die Arbeitsgruppe „Gesundheit und Prävention“ am Lehrstuhl für Naturheilkunde und Integrative Medizin der Universität Duisburg-Essen untersucht derzeit, wie sich Achtsam-Sein sowohl individuell als auch systemisch organisational in der Grundschullandschaft einer ganzen Stadt stärken lässt. In Planung ab 2018 ist ein universitär zertifiziertes Weiterbildungsangebot „Gesundheit, Achtsamkeit und Mitgefühl in der menschenbezogenen Arbeit - GAMMA“. Informationen dazu beim Autor. Fazit Die vorhandenen Erfahrungen und Forschungsergebnisse legen nahe, dass

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achtsamkeitsfördernde Freiräume sowie altersangemessene achtsamkeitsbasierte Interventionen gesundheitsrelevante selbstregulative Fähigkeiten bei gesunden, belasteten und erkrankten Kindern und Jugendlichen anregen und fördern können. Diese mit sogenannten top-down-Prozessen verbundenen Fähigkeiten betreffen u.a. die Vigilanz, d.h. das wache Aufmerksamsein, die bewusste Lenkung der Aufmerksamkeit, die Spannungsregulation und Selbstberuhigung bei emotionaler Erregtheit [40]. In einer Welt, die für viele Kinder und Jugendliche zunehmend von Virtualisierung, sinnlicher Fehl- bzw. Überstimulation, Naturentfremdung sowie von fehlender Rhythmisierung zwischen Aktivität und Ruhe geprägt ist, lassen sich durch achtsamkeitsbasierte Angebote die Fähigkeiten zu Selbstwahrnehmung, Selbstregulation und Selbstverantwortung nachhaltig stärken. Damit stärken wir auch Fähigkeiten unserer menschlichen Natur für freudvolles lebenslanges Lernen, die in der „Zuvielisation“ allzu oft verschüttet werden [41]. Entsprechende Fähigkeiten sollten daher verstärkt Eingang in pädagogische und therapeutische Aus- und Weiterbildungen finden. verwendete Literatur [01] Altner, N (2011) Achtsamkeit. in: Dobos G, Paul A (Hrsg.) Mind-Body-Medizin.

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Autor Dr. phil. Nils Altner, AG Gesundheit & Prävention, Klinik & Lehrstuhl für Naturheilkunde & Integrative Medizin, Kliniken Essen-Mitte/Universität Duisburg-Essen. [email protected], www.achtsamkeit.com Literaturhinweise NILS ALTNER (Hrsg.): Achtsamkeit im Kindergarten. Wie das Miteinander gelingt. Beltz Verlag, 2012. € 17,95 NILS ALTNER: Achtsam mit Kindern leben. Wie wir uns die Freude am Lernen erhalten. Ein Entdeckungsbuch. Mit einem Vorwort von Jon Kabat-Zinn. München: Kösel Verlag, 2009, € 16,95 NILS ALTNER: Rieche das Feuer, spür den Wind. Wie Achtsamsein in der Natur uns und die lebendige Welt stärkt. Essen: KVC Verlag, 2016, € 20,00