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Physikalische Chemie IV Biophysikalische Chemie Stefan Seeger Skript: Michael Rankl Physikalisch-Chemisches Institut der Universität Zürich SS 2002

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Physikalische Chemie IV

Biophysikalische Chemie

Stefan Seeger

Skript: Michael Rankl

Physikalisch-Chemisches Institut der Universität Zürich

SS 2002

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Einführung:

Allgemein beschreibt die biophysikalische Chemie die physikalisch-chemischen Grundlagen

biologischer Prozesse und die Methoden, die in den Biowissenschaften Anwendung finden.

Ziel dabei ist eine umfassende Beschreibung der Lebensvorgänge auf der Grundlage

molekularer und supramolekularer Strukturen und Wechselwirkungen. Unter molekularen

Strukturen mit spezifischen Funktionen und Aufgaben versteht man insbesondere biologische

Makromoleküle, die sogenannten Biopolymere. Supramolekulare Strukturen sind

entscheidend für die Definition eines Organismus, dessen Kompartimentierung und die

mechanischen Eigenschaften. Als Beispiel seien Zellwände, das Cytoskelett und

Biomembranen als strukturbildende Elemente von Zellen erwähnt. Im Rahmen dieser

Vorlesung beschränken wir uns deshalb auf die molekulare Struktur und die Dynamik von

Biopolymeren, Methoden zur Analyse der Struktur und Funktion biologisch relevanter

Moleküle und deren Wechselwirkungen sowie supramolekulare Strukturen wie z.B.

Biomembranen.

1. Biopolymere

1.1 Was sind Biopolymere?

Als Polymere bezeichnet man allgemein chemische Verbindungen, die durch Verknüpfung

von mehreren Einzelmolekülen als Grundbausteinen oder Monomeren entstehen. Häufig

werden Polymere aus weniger als 20 Monomeren als Oligomere bezeichnet. Die Monomer-

Einheiten können entweder alle identisch (Homopolymere) oder aber verschieden

(Copolymere) voneinander sein. Periodisch sich wiederholende Molekülgruppen aus zwei

oder mehreren Grundbausteinen bezeichnet man als Strukturelemente.

Zu den wichtigsten Biopolymeren gehören:

- Polypeptide (Proteine)

- Polysaccharide

- Polynukleotide (Nukleinsäuren)

- Polyisoprene

- Lignin

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Hiervon stellen die Polyisoprene im allgemeinen Homopolymere dar. Ebenso sind die auch

mengenmässig sehr bedeutenden Polysaccharide Cellulose und Stärke im wesentlichen aus

einem einzigen Grundbaustein, der D-Glucose, aufgebaut. Polypeptide und Proteine können

aus bis zu etwa 20 verschiedenen Grundbausteinen, den L-Aminosäuren, bestehen, während

die Nukleinsäuren aus mehreren Strukturelementen, den Nucleotiden zusammengesetzt sind.

Bei Polymeren, die nur einen Grundbaustein enthalten, werden die Eigenschaften im

wesentlichen durch drei Parameter beeinflusst, und zwar:

- durch die Art der Verknüpfung der Monomere

- durch die Zahl der Grundbausteine pro Molekül, d.h. Polymerisationsgrad bzw.

Molekülmasse

- durch Verzweigung bzw. Vernetzung linearer Ketten

Homopolymere dienen in der Natur im allgemeinen als Gerüst- und Speichersubstanzen, so

dass ihre vergleichsweise geringe Variabilität von Struktur und Eigenschaften kein Nachteil

ist.

Bei Makromolekülen, die aus mehreren Grundbausteinen bestehen, sind die Eigenschaften

zusätzlich noch von der Reihenfolge, der Sequenz, der Monomereinheiten abhängig. Daraus

folgt, dass man bei den Proteinen mit der grössten Zahl verschiedener Grundbausteine (~20)

auch die grösste Variationsmöglichkeit findet.

1.2 Polyisoprene: Kautschuk, Guttapercha, Balata

Der Name Kautschuk entstammt der indianischen Tupi-Sprache und bedeutet soviel wie

„weinender Baum“, da er in dem Milchsaft von Bäumen enthalten ist, so dass im Prinzip unter

Kautschuk das Naturprodukt zu verstehen ist.

Chemisch handelt es sich beim Kautschuk um 1,4 cis-Polyisopren. Die 1,4 trans-Polyisoprene

kommen als Guttapercha und Balata ebenfalls im Milchsaft verschiedener Pflanzen vor.

Kautschuk, 1,4-cis-Polyisopren

1,4-trans-Polyisopren,Guttapercha, Balata

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1.3 Lignin

Wie der Name andeutet (lat.: lignum = Holz) wird Lignin bei der Verholzung pflanzlicher

Gewebe in Interzellularspalten und interfibrillären Zwischenräumen gebildet. Es wird in allen

höheren Pflanzen einschliesslich der Farne gefunden. Lignin kann man als die druckfeste

Matrix des Holzes betrachten, in die die zugfesten Cellulosefibrillen eingelagert sind. Das

Lignin ist kovalent mit Cellulose und Hemicellulosen verbunden und wird von Pflanzen in

grossen Mengen synthetisiert. Es handelt sich bei Lignin im wesentlichen um dreidimensional

vernetzte Mischpolymerisate von Phenylpropan-Derivaten. Grundkörper ist z.B. beim

Fichtenholzlignin nahezu ausschliesslich der Coniferylalkohol (4-Hydroxy-3-methoxy-

zimtalkohol):

OHH

CH2OH

OMe

1.4 Grösse und Form der Biopolymere

Obwohl viele Gesetze der Physikalischen Chemie für Biopolymere genauso gelten wie für

kleine Moleküle, treten bei den Makromolekülen spezielle Fragestellungen und Probleme auf.

Dazu gehören auch die Bestimmung ihrer Grösse, Form und der mittleren Molekülmassen.

Die Bestimmung der Molekülmasse wird häufig dadurch erschwert, dass die Probe aus

Molekülen mit verschiedenen Massen bestehen kann. Ein reines Protein ist beispielsweise

eine definierte Substanz mit einer einheitlichen Molmasse. Die Massenverteilung nennt man

dann monodispers. Ein synthetisches Polymeres ist dagegen eine Mischung aus Molekülen

verschiedener Kettenlänge und damit verschiedenen Molekülmassen. Man spricht dann von

einem polydispersen System. Je nach Verfahren der Molekülmassenbestimmung kann es

dabei zu verschiedenen Mittelwertbildungen kommen.

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- Osmometrie

Aus dem osmotischen Druck erhält man die über die Teilchenzahl gemittelte relative

Molekülmasse NM (zahlengewichtete mittlere Molmasse). Man nimmt an es seien Ni

Moleküle mit der relativen Molekülmasse Mr,i vorhanden, und insgesamt seien es N

Moleküle. Dann ergibt sich die über die Teilchenzahl gemittelte relative Molekülmasse durch

Addition aller relativen Molekülmassen, jeweils gewichtet mit dem Faktor NNi , der angibt,

welcher Bruchteil aller Moleküle gerade die entsprechende Molekülmasse hat:

- Viskosimetrie

Aus viskosimetrischen Messungen erhält man die viskositätsgewichtete mittlere Molmasse

VM .

- Lichstreuung

Mit der Methode der Lichtstreuung ermittelte Molmassen nennt man massengewichtete

mittlere Molmassen MM .

- Sedimentation

Sedimentationsexperimente führen zur sogenannten Z-gewichteten Molmasse ZM .

2. Kolligative und hydrodynamische Eigenschaften von Biopolymeren

2.1 Osmose

Die klassischen Methoden zur Bestimmung der relativen Molekülmassen beruhen auf ihren

kolligativen Eigenschaften, d.h. die Eigenschaften der Lösung hängen nur von der Anzahl der

Teilchen des gelösten Stoffes und nicht deren Art ab. Bei Makromolekülen ist die Anzahl der

Moleküle in einer Lösung in der Regel sehr klein, auch wenn gewichtsmässig hohe

Konzentrationen vorliegen. Deshalb ist lediglich die Osmometrie noch genügend empfindlich.

Das Phänomen der Osmose ist das Bestreben eines Lösungsmittels, durch eine semipermeable

Membran in eine Lösung hineinzuwandern. Im Versuch (siehe Abbildung 2-1) bewirkt die

Osmose, dass Wasser in die Lösung hineinfliesst. Man kann die Richtung des Flusses

umkehren, wenn man auf die Lösung Druck ausübt. Der osmotische Druck Π ist der Druck,

der diesen Fluss gerade zum Stillstand bringt. In Abbildung 2-1b erkennt man, wie die

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Osmose die Lösung ansteigen lässt und so selbst einen Gegendruck erzeugt. Das

Gleichgewicht ist erreicht, wenn der hydrostatische Druck der Lösung gerade gleich dem

osmotischen Druck ist. Das Problem in diesem Versuchsaufbau ist die Verdünnung der

Lösung durch einströmendes Lösungsmittel.

Abbildung 2-1: Osmose

Zur thermodynamischen Betrachtung der Osmose betrachtet man den Aufbau in Abbildung 2-

1. Im Gleichgewicht muss das chemische Potential des Lösungsmittels auf beiden Seiten der

Membran gleich Null sein. Auf der Seite des reinen Lösungsmittels ist sein chemisches

Potential , auf der anderen Seite ist es erniedrigt aufgrund der Anwesenheit der

gelösten Substanz und erhöht aufgrund des höheren Druckes. Im Gleichgewicht lässt sich

deshalb schreiben:

)(* pAµ

),()(* Π+= pxp AAA µµ

Unter Berücksichtigung der gelösten Substanz wird daraus:

)ln()(),( *AAAA xRTppx +Π+=Π+ µµ

und mit der Druckabhängigkeit des chemischen Potentials erhält man:

∫Π+

+=Π+p

pMAA dpVpp )()( ** µµ

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Aus diesen drei Gleichungen ergibt sich dann:

∫Π+

=−p

pMA dpVxRT ln

Diese Gleichung beschreibt die Abhängigkeit des osmotischen Drucks vom Molenbruch der

gelösten Substanz (xB = 1- xA). Für stark verdünnte Lösungen, d.h. xA → 1, kann man ln xA

durch ln(1-xB) ≈ -xB ersetzen. Setzt man noch voraus, dass der Druck sich im

Integrationsbereich nicht wesentlich verändert, kann man das Molvolumen VM des

Lösungsmittels als konstant ansehen und man bekommt:

MB VRTx ∏=

Der Molenbruch ist definitionsgemäss )( BAB nnn + , was für eine verdünnte Lösung

praktisch dasselbe ist wie AB nn . Das Volumen des Lösungsmittels ist V . AM nV=

Damit vereinfacht sich obige Gleichung zu:

RTnV B=∏

Diese Formel nennt man die van’t Hoffsche Gleichung.

Schreibt man ][BVB =n für die Konzentration der gelösten Substanz, so kann man die van’t

Hoffsche Gleichung einfacher darstellen als:

RTB][=∏

Diese Gleichung gilt nur für verdünnte Lösungen die sich ideal Verhalten. Für

Makromoleküle ist die van’t Hoffsche Gleichung nur das Anfangsglied einer

Virialentwicklung

...][1][ ++=∏ BRTB β

bei der die weiteren Glieder die Abweichungen vom idealen Verhalten beschreiben.

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Die Konzentration des Makromolekül [B] hängt über [B]=cp/Mm von der

Massenkonzentration cp ab, wobei Mm die Molmasse des Polymers ist.

Die van’t Hoffsche Gleichung wird damit zu:

...)/(1)/( ++=∏ pmmp cMMRTc β

Wenn man pc∏ gegen aufträgt und gegen =0 extrapoliert, erhält man aus dem

Achsenabschnitt die Molmasse M

pc pc

m und der Steigung der Kurve den osmotischen

Virialkoeffizienten β.

Lösungen von Makromolekülen weichen stark von idealem Verhalten ab. Das liegt zum Teil

daran, dass die grossen Moleküle jeweils eine grosse Lösungsmittelmenge verdrängen,

während kleine Moleküle nur einzelne Lösungsmittelmoleküle ersetzen und damit die

Struktur der Flüssigkeit viel weniger stören. Ein gelöstes Makromolekül kann sich aber auch

viel weniger frei bewegen als ein kleines Molekül, weil der Raum, der von anderen ähnlich

grossen Molekülen besetzt ist, nicht mehr zur Verfügung steht. Man spricht deshalb auch vom

besetzten Volumen. Thermodynamisch gesehen spielt daher beim Auflösen von

Makromolekülen die Entropieänderung eine entscheidende Rolle. Daneben tragen aber auch

enthalpische Effekte zur Nicht-Idealität makromolekularer Lösungen bei (anziehende und

abstossende Kräfte zwischen den Molekülen). In den meisten Lösungssystemen gibt es eine

Temperatur, bei der sich diese beiden Effekte gerade aufheben. Diese Temperatur ist ein

Analogon zur Boyle-Temperatur der realen Gase. Sie heisst Flory-Temperatur und ist

definiert als diejenige Temperatur, bei der der osmotische Virialkoeffizient gleich Null ist.

2.2 Dialyse von Polyelektrolyten

Eine Komplikation bei der osmometrischen Molmassenbestimmung ergibt sich aus der

möglichen elektrischen Ladung mancher Makromoleküle. Dabei können sich sowohl

Polyanionen, Polykationen oder Polyampholyte bilden. Bei Polyelektrolyten muss man daher

den Ionisationszustand kennen um die Ergebnisse osmotischer Messungen quantitativ

interpretieren zu können.

Wir nehmen an, eine Lösung eines Natriumsalzes eines Polyelektrolyten NaνP enthalte

zusätzliches NaCl und stehe über eine semipermeable Membran mit einer anderen Salzlösung

in Kontakt. Die Membran sei sowohl für das Lösungsmittel als auch für die Salz-Ionen

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durchlässig, aber undurchlässig für das Polyanion. Damit lässt sich der Einfluss des Salzes auf

den osmotischen Druck leicht berechnen und der Ionisationsgrad des Polyelektrolyten

bestimmen, da wegen des Elektroneutralitätsprinzips Anionen und Kationen nicht in

beliebiger Menge durch die Membran wandern dürfen, sondern mit jedem Anion auch ein

Kation durch die Membran wandern muss.

Liegt NaνP auf der einen Seite der Membran in der Konzentration [P] vor und auf beiden

Seiten wird NaCl zugefügt, dann befinden sich auf der linken Seite (L) die Ionen Pν-, Na+, Cl-

und auf der rechten Seite (R) gibt es nur Na+ und Cl-. Im Gleichgewicht ist das chemische

Potential von NaCl auf beiden Seiten der Membran gleich. Deshalb müssen Na+ und Cl—

Ionen wandern, bis die Gleichgewichtsbedingung erfüllt ist. )()( RL NaClNaClΘΘ = µµ

Es muss also gelten:

RClNaNaClLClNaNaCl aaRTaaRT )ln()ln( −+−+ +=+ ΘΘ µµ

Wenn man die Aktivitätskoeffizienten vernachlässigt, ist das gleichbedeutend mit:

[ ][ ] [ ][ ] RL ClNaClNa −+−+ =

Die Natrium-Ionen stammen sowohl vom Polyelektrolyten als auch vom zugegebenen

Kochsalz. Damit die Elektroneutralität erhalten bleibt, müssen die Bedingungen:

[Na+]L = [Cl-]L + ν[P] und [Na+]R = [Cl-]R

erfüllt sein. Wenn man diese Beziehungen miteinander kombiniert, erhält man Formeln für

die Konzentrationsunterschiede der Ionen beiderseits der Membran:

][][2]][[

][][]][[][][

PClNaP

NaNaNaPNaNa L

RL

LRL ν

νν+

=+

=− −

+

++

+++

][2]][[

][][]][[][][ −

−−

−−− −

=+

−=−

ClClP

ClClClPClCl L

RL

LRL

νν

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Dabei ist :

RL ClClCl ][][][ 21 −−− +=

Berücksichtigt man nun noch dass der osmotische Druck vom Unterschied in der

Teilchenzahl auf beiden Seiten der Membran abhängt, so folgt aus der van’t Hoffschen

Gleichung:

][1][)][]([)][][]([ PPRTClNaClNaPRT RRLL β+=−++=Π −+−+

mit: ][][4(2 PCl ννβ += −

Ist die zugegebene Salzmenge so gross, dass 1][ <<Pβ gilt, so vereinfacht sich diese

Gleichung zu Π , und das ist unabhängig von ν. Wenn man also den osmotischen

Druck in Gegenwart hoher Salzkonzentrationen misst, kann man die relative Molekülmasse

direkt bestimmen.

][PRT=

2.3 Sedimentation

Im Schwerefeld der Erde setzen sich schwere Teilchen allmählich im unteren Teil einer

Lösung ab. Wie schnell diese Sedimentation erfolgt, hängt von der Stärke des

Gravitationsfeldes, der Masse der Teilchen und deren Form ab. DNA z.B. sedimentiert in der

natürlichen Helix-Form viel schneller als wenn sie zu einem ungeordneten Knäuel denaturiert

ist. Die Sedimentationsgeschwindigkeit kann somit auch zur Untersuchung von

Denaturierungsprozessen eingesetzt werden. Da die Höhenverteilung der Teilchen im

Gleichgewicht einer Boltzmann-Verteilung entspricht und von der Masse der Teilchen

abhängt, eignet sich die Sedimentation ebenfalls zur Bestimmung von Molekülmassen.

Normalerweise verläuft die Sedimentation sehr langsam. Man kann sie aber beschleunigen,

indem man das Gravitationsfeld durch ein Zentrifugalfeld, z.B. das einer Ultrazentrifuge,

ersetzt. Eine Ultrazentrifuge (siehe Abbildung 2-2) besteht im Prinzip aus einem Zylinder, der

mit hoher Geschwindigkeit um seine Achse rotiert.

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Abbildung 2-2: Zentifugation

Die zu untersuchende Probe befindet sich in einer Zelle, die im äusseren Teil des Zylinders

angebracht ist. Dabei sind Beschleunigungen bis zum 105-fachen der Erdbeschleunigung

erreichbar. Zu Beginn ist die Probe homogen, und die obere Grenzfläche der Lösung bewegt

sich bei der Sedimentation allmählich nach aussen. Verfolgen lässt sich dies am besten an

Hand der Änderung des Brechungsindex der Lösung, der von der Konzentration abhängt.

Eine Möglichkeit dazu bietet die sogenannte Interferenz-Technik. Dabei werden zwei

Strahlen miteinander zur Interferenz gebracht, der eine, nachdem er durch die Probe gelaufen

ist, der andere, ohne dass er ein Hindernis durchläuft. Eine räumliche Änderung des

Brechungsindexes erzeugt dann ein charakteristisches Muster.

2.4 Sedimentationsgeschwindigkeit

Wegen des Auftriebs hat ein Teilchen der Masse m in einer Lösung nur die effektive Masse

meff =b·m mit b=1-ρνs·ρ ist die Dichte der Lösung, νs das spezifische Volumen der gelösten

Substanz. Wenn die Zentrifuge mit der Winkelgeschwindigkeit ω rotiert und sich die Probe

im Abstand r von der Achse befindet, so wirkt auf die Probe die Zentrifugalkraft meff·r·ω2.

Dieser nach aussen gerichteten Kraft wirkt die Reibung entgegen, die proportional zur

Geschwindigkeit s der Teilchen gegenüber dem Medium ist. Wenn wir mit f den

Reibungskoeffizienten bezeichnen, so ist f·s die Reibungskraft. Wenn die Reibungskraft

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gerade gleich der Zentrifugalkraft ist, kann man aus der Gleichung meff·r·ω2=f·s die

Wanderungsgeschwindigkeit s berechnen:

fmbr

frm

s eff22 ωω

==

Sie hängt von der Winkelgeschwindigkeit und vom Radius ab. Man benützt deshalb

üblicherweise die Sedimentationskonstante S:

A

m

fNbM

rsS == 2ω

Für kugelförmige Teilchen mit dem Radius a in einem Lösungsmittel mit der Viskosität η

wird der Reibungskoeffizient f durch die Stokes'sche Gleichung gegeben:

f=6·π·a·η

Dann gilt:

A

m

aNbM

Sπη6

=

und man kann aus S entweder Mm oder a berechnen. Wenn die Teilchen nicht kugelförmig

sind, hat man für f andere Werte einzusetzen.

Wenn man aus der Sedimentationsgeschwindigkeit die relative Molekülmasse berechnen will,

braucht man eigentlich den Molekülradius a und auch den Reibungskoeffizienten f. Dieses

Problem löst sich unter Verwendung der Stokes-Einsteinschen-Beziehung:

DkTf =

Der Diffusionskoeffizient D gibt an, wie schnell Moleküle in der Richtung eines

Konzentrationsgradienten wandern.

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Aus obiger Gleichung für S folgt dann:

bDSRT

bDkTSN

bfSNM AA

m ===

Das Ergebnis ist unabhängig von der Form der gelösten Moleküle und erlaubt es, die

Molmasse zu bestimmen, wenn die Sedimentations- und Diffusionsgeschwindigkeiten

gemessen wurden.

2.5 Das Sedimentationsgleichgewicht

Die Bestimmung der relativen Molmasse über die Sedimentationsgeschwindigkeit ist etwas

problematisch, weil sich die Diffusionskoeffizienten oft nicht genau bestimmen lassen. So

wird z.B. die Beobachtung der Grenzflächen in vielen Fällen durch Konvektionsströme

gestört. Man kann diese Schwierigkeit umgehen, wenn man das System im Gleichgewicht

untersucht, da D dann keine Rolle mehr spielt. Weil die Anzahl der gelösten Moleküle mit der

potentiellen Energie E proportional zu kTE

e−

ist, kann man aus dem Verhältnis der

Konzentrationen in verschiedenen Höhen bzw. in der Zentrifuge in verschiedenen Abständen

von der Achse, ihre Masse berechnen. Im Zentifugalfeld mit der Winkelgeschwindigkeit ω

hat ein Molekül der Masse meff im Abstand r die potentielle Energie 22

21 ωrmeff . Das

Verhältnis der Konzentrationen bei r1 und r2 ist danach gegeben durch:

kTrrbm

kTE

kTE

ee

eNN

cc 2

)(

2

1

2

1

21

22

2

2

1−

===ω

Damit erhält man:

=1

222

12

2

ln)(

2cc

brrRTMm ω

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2.6 Elektrophorese

Viele Makromoleküle tragen elektrische Ladungen und wandern somit im elektrischen Feld.

Diesen Vorgang nennt man Elektrophorese. Die Lösung wird dabei entweder auf Papier

aufgebracht oder wie bei der Gel-Elektrophorese auf ein vernetztes Polyacrylamid-Gel. Die

Beweglichkeit der Makromoleküle hängt von der Masse und von ihrer Form ab. Wenn die auf

die Teilchen wirkende Kraft e·z·E (z ist die Anzahl der Ladungen an einem Molekül, E ist die

Feldstärke) gleich der Reibungskraft f·s ist, beobachtet man eine konstante

Wanderungsgeschwindigkeit fqEs = ( zeq ⋅= ). Die Wanderungsgeschwindigkeit ist somit

proportional der angelegten Spannung. Als charakteristische Grösse für die Mobilität des

Moleküls führt man die elektrophoretische Beweglichkeit ein:

fq

Esu ==

Der Reibungskoeffizient f hängt sowohl von der Masse und der Form des wandernden

Moleküls als auch von der Viskosität des umgebenden Mediums ab.

Das Protein Albumin z.B. hat eine elektrophoretische Beweglichkeit von u = 4·10-9 m2 V-1 s-1

bei pH = 4. Mit einer Spannung U = 2000 V und einer Laufstrecke von d = 20 cm ergibt sich

hieraus eine Wanderungsgeschwindigkeit von s = 4·10-5 m s-1 = 14.4 cm h-1 auf dem Gel.

Empirisch wurde für die Beweglichkeit der Komponente i folgender Zusammenhang

gefunden:

Geliirelirel ckuu −= )lg()lg( 0,,

mit , der elektrophoretischen Beweglichkeit ohne den retardierenden

Matrixeinfluss des Gels. In den sog. Ferguson-Plots wird dieser Zusammenhang graphisch

ersichtlich.

)0(,0

, == Gelirelirel cuu

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Abbildung 2-3: Ferguson-Plot

1) kleine Makromoleküle mit hoher Ladung

2) grosse Makromoleküle mit hoher Ladung

3) kleine Makromoleküle mit geringer Ladung

Eine exakte Berechnung von elektrophoretischen Beweglichkeiten ist häufig jedoch nicht

möglich, da der effektive Wert der elektrischen Ladung eines wandernden Moleküls von

seinem hydrodynamischen Verhalten und seinen Solvatationsbedingungen abhängt und die

genaue Form des Moleküls i.a. unbekannt ist. Deshalb ist auch eine Absolutbestimmung der

Molekülmasse eines Makromoleküls mit der Elektrophorese nicht möglich. Doch kann man

mit ihrer Hilfe in relativ einfacher Weise Mischungen von Makromolekülen schnell und

schonend trennen und quantitativ analysieren.

Proteine lassen sich im denaturierten Zustand auch aufgrund ihrer Masse in

Polyacrylamidgelen trennen. Das Proteingemisch wird dabei zunächst unter Zusatz des

anionischen Detergenzes Natriumdodecylsulfat (SDS) gelöst. Die SDS-Moleküle umhüllen

die denaturierten Peptidketten und bilden gestreckte Micellen (siehe Abbildung 2-4)

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Abbildung 2-4: Proteinmolekül in SDS-Lösung

Die SDS-Moleküle schirmen die Proteinladungen im Inneren der Micelle ab. Es entsteht dabei

ein Komplex aus SDS und Protein, dessen stark negative Ladung der Masse des Proteins in

etwa proportional ist. Kleine Moleküle wandern dann rasch durch das Gel, während die

grossen Moleküle kleine Wanderungsgeschwindigkeiten haben. Mit Hilfe von

Relativmessungen lässt sich somit die Molekülmasse des unbekannten Proteins ermitteln.

2.7 Isoelektrische Fokussierung

Proteine lassen sich auch aufgrund ihres relativen Gehalts an sauren und basischen Resten

elektrophoretisch trennen. Am isoelektrischen Punkt eines Proteins, also dem pH-Wert, bei

dem seine Nettoladung Null ist, wird die elektrophoretische Beweglichkeit u des Teilchens

gleich Null. Betrachten wir die Elektrophorese eines Proteingemisches nun in einem pH-

Gradienten. Jedes Protein wandert so weit, bis es die Position im Gel erreicht hat, deren pH-

Wert seinem isoelektrischen Punkt entspricht. Diese Methode der Proteintrennung aufgrund

ihrer isoelektrischen Punkte nennt man isoelektrische Fokussierung. Der pH-Gradient im Gel

lässt sich mit Trägerampholyten erzeugen oder durch sogenannte Immobiline die in die

Trägermatrix einpolymerisiert werden (siehe Abbildung 2-5)

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Abbildung 2-5: Immobilisierte puffernde Gruppen

Immobiline sind nicht amphoter, sondern bifunktionell und weisen folgende allgemeine

Strukturformel auf:

O

NHR

Dabei enthält R eine puffernde Gruppe, entweder eine Carboxy- oder eine tertiäre

Aminogruppe wie in Abbildung 2-6 gezeigt.

Abbildung 2-6: Strukturformeln der sauren und basischen Immobiline

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Diese Immobiline sind Acrylamidderivate und zugleich schwache Säuren oder schwache

Basen. Um einen bestimmten pH-Wert puffern zu können, benötigt man eine Mischung von

mindestens zwei verschiedenen Immobilinen, einer Säure und einer Base.

2.8 Das Zeta-Potential

Bei Kenntnis der Partikelgeschwindigkeit kann man auch die Nettoladung bzw. das

Oberflächenpotential der Teilchen relativ zur umgebenden Lösungsmittelphase bestimmen.

An der Oberfläche elektrisch geladener Teilchen mit Oberflächenpotential Ψ0 bildet sich

durch Adsorption von Gegenionen oder durch Adsorption von Dipolen aus der Umgebung

eine sog. elektrische Doppelschicht aus (siehe Abbildung 2-7), die relativ fest mit dem

Teilchen verbunden ist (STERNsche Doppelschicht). Sie wird von einer beweglichen,

diffusen Ionenschicht (Gouy-Chapman-Schicht) umhüllt. An diese diffuse Doppelschicht

schliesst sich das elektrisch neutrale Lösungsmittelmedium an. Das Oberflächenpotential Ψ0

ist hier auf den Wert Null abgesunken.

Abbildung 2-7: Oberflächenpotentiale eines negativen Dispersionsteilchens

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Bei der Diffusionsbewegung der Teilchen im elektrischen Feld wird aufgrund der

Reibungskräfte ein Teil der diffusen Doppelschicht abgestreift, und es entsteht eine

Abreissebene. Das Potential ζ an dieser Stelle bezeichnet man Zetapotential. Es kann

näherungsweise aus der Wanderungsgeschwindigkeit s der Teilchen im elektrischen Feld

nach Helmholt-Smoluchowski ermittelt werden:

Es

εηζ ≈

Dabei ist ε = εr ε0 die Dielektrizitätskonstante des Lösungsmittels, η der Viskositätskoeffizient

des Lösungsmittels und E die elektrische Feldstärke.

2.9 Viskosität

Jeder konvektive Transport ist mit Reibung verbunden. sie äussert sich durch den widerstand,

den das strömende fluide Medium der Antriebskraft entgegensetzt. durch die Reibung wird

die Strömungsgeschwindigkeit begrenzt und damit die Einstellung eines stationären

Strömungszustandes ermöglicht. Zur Erläuterung des von Newton aufgestellten

Elementargesetzes der inneren Reibung soll zunächst die laminare Strömung einer Flüssigkeit

über einer ebenen Bodenfläche betrachtet werden (siehe Abbildung 2-8).

Abbildung 2-8: Innere Reibung

Die in der Abbildung durch die Länge der parallelen Pfeile anschaulich dargestellte

Strömungsgeschwindigkeit w nimmt in Richtung der y-Achse zu, wobei die Geschwindigkeit

der unmittelbar an der Bodenfläche haftenden Flüssigkeitsschicht gleich Null zu setzen ist.

Durch die Impulsübertragung zwischen den Teilchen der mit verschiedener Geschwindigkeit

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aneinander vorbeigleitenden Schichten entsteht innere Reibung. Sie bewirkt, dass die

oberhalb einer Fläche A befindliche Schicht auf die darunter liegende Schicht beschleunigend

einwirkt, wobei die Bewegung der oberen Schicht durch die hemmende Wirkung der unteren

Schicht verzögert wird. Nach Newton ist die an der Fläche A angreifende Kraft durch die

Gleichung:

dydwAK η=

gegeben. K ist proportional der Fläche A und der Änderung der Geschwindigkeit in Richtung

der Flächennormalen. Der Proportionalitätsfaktor η wird als Viskositätskoeffizient bezeichnet.

Unter den einfachen Bedingungen der ebenen Strömung bildet sich im Strömungsfeld ein

lineares Geschwindigkeitsgefälle aus, d.h. es gilt:

dw

AK 0η=

wenn man die Geschwindigkeit der obersten Flüssigkeitsschicht mit w0 und ihren Abstand

von der Bodenfläche mit d bezeichnet. Für den Viskositätskoeffizienten gilt damit:

sPabzwmNs

AwKd

= .2

0

η

Soweit η unabhängig von w0 ist, liegt eine Newtonsche Flüssigkeit vor.

Bei Viskositätsmessungen an Lösungen makromolekularer Stoffe zeigen sich deutliche

Unterschiede zur Viskosität des reinen Lösungsmittels. Als Konzentrationsmass wählt man

bei diesen Messungen in der Regel die in g/cm3 angegebene Massenkonzentration cm der

gelösten makromolekularen Komponente. Es nach Einstein für kugelförmige Teilchen die

Beziehung:

ϕηη

ηηKsp ==

0

0

mit η0 als Viskosität des reinen Lösungsmittels.

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Den Quotienten 0

0

ηηη − nennt man die spezifische Viskosität. Der Faktor φ ist der

Volumenbruchteil des gelösten Stoffes, d.h. es gilt:

vNvp=ϕ

wobei N die Teilchenzahl, v das Volumen und vp das Eigenvolumen der gelösten Teilchen

darstellt.

Mit:

Mvc

NN mL=

erhält man:

pmL

sp vMcN

K=η

Diese Beziehung für kugelförmige Teilchen lässt sich auch auf ein zylinderförmiges

Fadenmolekül anwenden, indem man das Eigenvolumen vp durch das Volumen π(d/2)2h

ersetzt, mit d als Durchmesser und h als der Höhe des Fadenmoleküls. Man erhält:

hdMcN

K mLsp

2)2/(πη =

Dabei ist h dem Molekulargewicht M proportional. Bei konstantem Durchmesser d lassen sich

alle konstanten Faktoren auf der rechten Seite der Gleichung zu einer neuen Konstanten

zusammenfassen und man kann die Gleichung mit der auf das Grundmol bezogenen

Konzentration cgm in der einfachen Form

gmsp cK '=η

schreiben. Nach dieser Gleichung sollte die spezifische Viskosität einer Lösung von

Fadenmolekülen nur von der Konzentration, nicht aber der Kettenlänge der Moleküle

abhängig sein. Die Praxis zeigt jedoch, dass dies nicht der Fall ist. Vielmehr ist die

spezifische Viskosität bei gleicher Grundmolarität dem Molekulargewicht des Gelösten direkt

proportional, wenn die gelösten Moleküle in Form lockerer, gut solvatisierter Knäuel

vorliegen. Dann ist die Annahme zulässig, dass das mittlere Knäuelvolumen mit dem Quadrat

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der Moleküllänge wächst. In diesem Fall lässt sich vp durch das Volumen einer Scheibe mit

der Grundfläche π(h/2)2 und der Dicke d beschreiben Man erhält dann für die spezifische

Viskosität:

dhMcN

K mLsp )4/( 2πη =

Da h bei Fadenmolekülen proportional M ist und alle anderen Faktoren auf der rechten Seite

der Gleichung mit Ausnahme von cm zu einer Konstanten Km zusammengefasst werden

können, ergibt sich die einfache Gleichung:

McK mmsp =η

Km wird als Viskositätmolekulargewichtskonstante bezeichnet. Da bei endlichen

Konzentrationen zwischenmolekulare Wechselwirkungen zwischen den Knäueln auftreten, ist

der Quotient msp c/η konzentrationsabhängig. Für den Grenzfall der ideal verdünnten Lösung

resultiert daraus die Beziehung:

MKc mmspcm==

→][)/(lim

0ηη

D.h. es besteht eine Proportionalität zwischen dem Molekulargewicht und der

Grenzviskositätszahl [η]. Diese Gleichung wurde zuerst empirisch von Staudinger gefunden.

Eine genaue Betrachtung des Knäuel-Zustandes gelöster Makromoleküle erfordert allerdings

die statistische Berücksichtigung der durch die Segmentbeweglichkeit der Kettenelemente

vorgegebenen Vielfalt von Anordnungsmöglichkeiten. In einem Fadenmolekül sind der

Abstand zwischen zwei Kettenatomen und der Valenzwinkel im Bereich von drei

aufeinanderfolgenden Kettenatomen festgelegt. In einem einfachen Segmentmodell, das die

behinderte Rotation benachbarter Gruppen und das Eigenvolumen der Kettenelemente

vernachlässigt, muss jedes Segment so viele Strukturelemente enthalten, dass es die

Bedingung der freien Orientierung seines Endpunktes im Raum erfüllt. Dies bedeutet, dass

die Länge l eines Kettensegments von der Kettensteifigkeit des jeweiligen Polymeren

abhängt.

___________________________________________________________________________ 23

Für das mittlere Anstandsquadrat der Fadenenden eines aus n frei orientierbaren

Segmenten bestehenden Fadenmoleküls gilt die Beziehung:

−2s

−−

= 22 lns

Die maximale Länge h der gestreckt gedachten Fadenmoleküle ist gegeben durch: −

= lnh

Daraus folgt:

2/12/12 2/1

)( hls−−

=

Die maximale Fadenlänge h ist dem Molekulargewicht M proportional. Für eine vorgegebene

konstante Segmentlänge ergibt sich damit das Kuhn’sche Wurzelgesetz: −

l

Mconsts ⋅=−2

Nach diesem Gesetz sind der wahrscheinlichste Fadenabstand und damit auch der

Trägheitsradius r proportional der Wurzel aus dem Molekulargewicht. Demnach hat man in

der Beziehung für die spezifische Viskosität für das Eigenvolumen vp eines statistisch

geknäuelten Fadenmoleküls einen zu M3/2 proportionalen Faktor einzusetzen. Man gelangt

damit zu einer Beziehung der Form:

2/1][ MKθθη =

Diese Gleichung heisst auch das Kuhn’sche Viskositätsgesetz für Lösungen idealer

statistischer Knäuel. Es gilt für ein gegebenes Polymeres in bestimmten Lösungsmitteln nur

bei einer definierten Temperatur Θ (Flory-Temperatur). Mit zunehmender Temperatur steigt

der Wert des Exponenten von M an, das Knäuel erfährt eine Aufweitung.

Mark und Houwink haben den Einfluss des Lösungsmittels und der Temperatur auf die

Knäuel-Konformation durch die Einführung eines allgemeinen Exponenten a in die

Beziehung:

a

mMK=][η

berücksichtigt.

___________________________________________________________________________ 24

Der Wert von a liegt in der Regel zwischen 0.6 und 0.8. Im Gegensatz zur

Kurzkettenverzweigung hat die Langkettenverzweigung einen starken Einfluss auf die Grösse

von Km und a. Langkettenverzweigte Polymere haben bei gleichem Molekulargewicht

geringere [η]-Werte und einen kleineren Wert des Exponenten a.

Wenn die gelösten Teilchen die Form von Rotationsellipsoiden haben, wirkt sich das

Achsenverhältnis der stäbchen- oder scheibenförmigen Ellipsoide in charakteristischer Weise

auf die Werte der Grenzviskositätszahl [η] aus.

Wie oben gezeigt gilt nach Einstein:

ϕηη

ηηKsp ==

0

0

Dabei ist für kugelförmige Teilchen K=2.5. Für assymetrische Teilchen ist K und damit die

Viskosität hoher. Für Rotationsellipsoide findet man K in Abhängigkeit des

Achsenverhältnisses a/b angegeben (siehe Abbildung 2-9). Stäbchenförmige Teilchen erhöhen

die Viskosität wesentlich stärker als scheibenförmige Teilchen.

Abbildung 2-9: Formfaktor K für Rotationsellipsoide in Abhängigkeit des

Achsenverhältnisses

___________________________________________________________________________ 25

3 Konformationsumwandlungen von Biopolymeren

Die meisten Biopolymere besitzen im nativen Zustand eine wohl definierte Konformation.

Alle die Wechselwirkungen, die die Sekundär- und Tertärstrukturen der Biomoleküle und

damit die Konformation der Moleküle stabilisieren, hängen vom Lösungsmittel, dem pH-

Wert, der Ionenstärke, der Temperatur und dem Druck ab. Die native Konformation ist

entscheidend für die biochemische Funktion des Biomoleküls. So ist z.B. mit dem Verlust der

nativen Konformation bei der Proteindenaturierung ein Verlust der Enzymaktivität

verbunden. Untersuchungen der Konformationsumwandlungen biochemischer Systeme

liefern wertvolle Informationen über die Stabilität der Systeme und über molekulare

Mechanismen biochemischer Prozesse.

Die Konformationsumwandlungen biologischer Makromoleküle lassen sich mit einer Reihe

experimenteller Methoden, wie z.B. spektroskopisch oder kalorimetrisch, verfolgen.

Als Beispiel für eine Konformationsumwandlung betrachten wir die durch eine

Temperaturänderung hervorgerufene Knäuel-Helix Umwandlung eines Homoplypeptids wir

in Abbildung 3-1 dargestellt.

Abbildung 3-1: Knäuel-Helix-Umwandlung eines Polypeptids

Dazu nimmt man an, dass die Umwandlung eines Segments vom ungeordneten Knäuel-

Zustand A in die α-Helix-Konformation B als ein Zwei-Zustands-Gleichgewicht

A B

angesehen werden kann. A steht dabei für das Segment im ungeordneten Knäuel und B für

das Segment im α-Helix-Zustand.

___________________________________________________________________________ 26

Wendet man das Massenwirkungsgesetz auf dieses Gleichgewicht an, dann ist die

Gleichgewichtskonstante dieses Gleichgewichts gegeben durch:

A

B

nnK =

Führt man noch einen Helixbildungsgrad φ ein, der beschreibt wie gross der Anteil der

Segmente im Helixzustand im Vergleich zur Gesamtzahl an Segmenten ist, dann ergibt sich

für die Gleichgewichtskonstante:

ϕϕ−

=1

K

Die Temperaturabhängigkeit der Gleichgewichtskonstanten ist durch die van’t Hoff’sche

Gleichung gegeben:

2

0lnRTH

TK mU∆

=∂

Sie ist mit der molaren Umwandlungsenthalpie im Standardzustand verknüpft. Man

bezeichnet die dem Helixbildungsgrad φ = 0.5 (hier ist K=1) zugeordnete Temperatur T

0mUH∆

U als

Umwandlungstempeartur. Bei dieser Temperatur liegt die Hälfte aller Segmente in der

Helixkonformation vor.

Ein möglicher Verlauf von φ als Funktion der Temperatur ist in Abbildung 3-2 dargestellt.

___________________________________________________________________________ 27

Abbildung 3-2: Schematische Darstellung der Temperaturabhängigkeit des

Helixbildungsgrades

Die Steilheit der Umwandlungskurve, d.h. die Steigung der in Abbildung x dargestellten

Kurve bei TU ist damit gegeben durch:

2

0

4 U

mU

T RTH

dTd

U

∆=

ϕ

Man findet z.B. für die Knäuel-Helix-Umwandlung des Polypeptids Poly-γ-benzyl-L-

glutamat bei TU = 313 K einen experimentellen Wert von UT

dTd

ϕ = 0.28 K-1.

Wasserstoffbrückenbindungen zwischen den Peptidgruppen einer Polypetidkette sind

massgeblich für die Stabilität der α-Helix-Konformation. Die Umwandlungsenthalpie

sollte daher in der Grössenordnung einer Wasserstoffbrückenbindung von etwa 16 kJ mol

0mUH∆

-1

liegen, woraus sich ein Wert für UT

dTd

ϕ von 5 x 10-3 K-1 ergäbe. Offensichtlich ist der

experimentell erhaltene Wert für die Steilheit der Umwandlung wesentlich grösser. Die

Umwandlungsenthalpie muss somit viel grösser sein als der oben angenommene Wert.

___________________________________________________________________________ 28

Das bedeutet, dass der oben angenommene Mechanismus einer Einzelsegmentumwandlung

nicht richtig ist. Die Wechselwirkung mit den Nachbarsegmenten der Polypeptidkette bei der

Umwandlung ist offensichtlich nicht zu vernachlässigen. dies bedeutet, dass benachbarte

Segmente der Kette gemeinsam (kooperativ) aus dem Knäuel- in den Helix-Zustand

übergehen.

Unter Beibehaltung des bisherigen Formalismus führt man zur Beschreibung der

experimentellen Daten die sogenannte mittlere kooperative Wellenlänge N0 ein. sie entspricht

der mittleren Anzahl der bei TU kooperativ vom Knäuel- in den Helix-Zustand übergehenden

Segmente und kann damit als stöchiometrische Einheit für die kooperative

Konformationsumwandlung bezeichnet werden. Die in der van’t Hoffschen Gleichung auf das

einzelne Segment bezogene molare Umwandlungsenthalpie muss durch das Produkt

, die sogenannte ‚scheinbare’ Umwandlungsenthalpie (pro Mol kooperative

Einheiten), ersetzt werden. Die van’t Hoffsche Umwandlungsenthalpie ist somit

und es gilt:

0mUH∆

00 mU HN ∆⋅

00vH NH =∆ 0

mU H∆⋅

2

0lnRTH

TK vH∆

=∂

Die wahre, auf ein Mol Einzelsegmente bezogene Umwandlungsenthalpie ∆ erhält man

aus kalorimetrischen Messungen. Da durch die Enthalpieänderung dH der sich pro

Mol umwandelnden Segmente A gegeben ist:

0mUH

0mUH∆

AmU dn

dHH =∆ 0

und da sich mit der Gesamtzahl n = nA + nB an Segmenten sowie ϕ

ϕ−

=1

K und A

B

nnK =

folgender Zusammenhang ergibt:

dTdn

ndTd B1

erhält man für den auf ein Mol bezogenen Umwandlungsteil der Wärmekapazität C:

___________________________________________________________________________ 29

dTdH

dTdH

nC muum

ϕ0,

1∆==

Die Steilheit des Übergangs bei TU ist gegeben durch:

2

00

4 U

mU

T RTHN

dTd

U

∆=

ϕ

0mUH∆ erhält man experimentell aus der Fläche unter der Wärmekapazitätskurve Cm,u (T)

(siehe Abbildung 3-3):

∫=∆1

0

)(,0

T

TummU dTTCH

Abbildung 3-3: Temperaturverlauf des Helixbildungsgrades und des Umwandlungsanteils der

molaren Wärmekapazität in der Nähe der Phasenumwandlungstemperatur

Für den Maximalwert von C bei der Phasenübergangstemperatur Tum, U erhält man somit:

2

200max

, 4)(

U

mUum RT

HNC

∆=

___________________________________________________________________________ 30

Aus den kalorimetrisch bestimmbaren Grössen TU, und lässt sich somit die

kooperative Einheit N

max,umC

0mUH∆

0 bestimmen.

Der Prozess der Proteindenaturierung ist ein kooperativer Prozess und man findet Werte für

N0 bis zu 104. Die Kooperativität und damit die Steilheit des Übergangs ist umso grösser, je

länger die Polypeptidkette ist. Die thermisch induzierte Helix-Knäuel-Denaturierung wird

häufig mit einem Schmelzvorgang verglichen, obwohl es sich hierbei streng genommen nicht

um einen Phasenübergang erster Ordnung handelt. Aus den experimentell bestimmbaren

Denaturierungskurven lassen sich Aussagen über die relative Stabilität von Proteinstrukturen

ableiten. Die meisten Proteine haben TU-Werte weit unter 373 K. Ausnahmen bilden Proteine

thermophiler Bakterien, die heisse Quellen mit Temperaturen von annähernd der

Siedetemperatur des Wassers gewohnt sind.

Ein weiteres Beispiel für eine kooperative Phasenumwandlung von Biomolekülen ist das

durch pH-Änderung oder Temperaturerhöhung induzierte Aufschmelzen (Aufwinden) der

DNA-Doppelhelix (DS) in zwei Einzelstränge (ES):

DS 2 ES

Dabei werden die Wasserstoffbrückenbindungen zwischen den Stickstoffbasen der beiden

DNA-Stränge aufgebrochen. Der Übergang lässt sich mit Hilfe spektroskopischer Messungen

leicht verfolgen, da Doppel- und Einzelstrang bei einer Wellenlänge von 260 nm

unterschiedlich stark adsorbieren.

4 Konformation und Konfiguration von Biopolymeren

Unter der Primär-Struktur eines Makromoleküls versteht man die Folge der chemischen

Bausteine, aus denen die Kette aufgebaut ist. die Sekundärstruktur beschreibt die räumliche

Anordnung der Struktureinheiten eines Moleküls und die Tertärstruktur beschreibt den

gesamten dreidimensionalen Aufbau des Moleküls. Die Quartärstruktur gibt an, in welcher

Weise manche Moleküle durch Zusammenlagerung anderer Moleküle entstehen.

___________________________________________________________________________ 31

4.1 Ungeordnete Knäuel

Bei der Besprechung der verschiedenen Strukturmerkmale betrachten wir die

wahrscheinlichste Struktur, die eine Kette aus identischen Bausteinen annimmt, die weder

Wasserstoffbrücken noch irgendwelche anderen speziellen Bindungen ausbilden können. Als

Modell legen wir eine bewegliche Kette zugrunde, bei der nur die Abstände der Bausteine

vorgegeben sind, während die Bindungswinkel völlig beliebig sind (siehe Abbildung 4-1).

Abbildung 4-1: bewegliche Molekülkette

Das ist natürlich eine starke Vereinfachung, denn in der Regel sind die Bindungswinkel fest

vorgegeben, und die Beweglichkeit der Kette kommt durch die Drehbarkeit der Molekülteile

um die Bindungen zustande.

Die Wahrscheinlichkeit, dass die Enden der Kette einen Abstand voneinander haben, der

zwischen R und R+dR liegt ist gleich f dR mit:

22232/1 )/(4 RaeRaf −= ππ und )2/(3 22 Nla =

Bei der ungeordneten Bewegung ist das die Wahrscheinlichkeit, dass das wandernde Teilchen

in einer beliebigen Richtung eine Strecke zwischen R und R+dR zurückgelegt hat. N ist die

Anzahl der Bindungen und l die Länge eines Bausteins.

Nach dieser Gleichung gibt es Knäuel, deren Enden weit voneinander entfernt sind (wie viele

das sind, gibt der Wert von f für grosses R an), aber auch Knäuel, deren Enden nahe

beieinander liegen. Danach geht ein Knäuel ständig von einer Konformation in die andere

über, und f dR gibt die Wahrscheinlichkeit an, dass in einem gegebenen Augenblick der

Abstand der Enden gerade zwischen R und R+dR liegt.

___________________________________________________________________________ 32

Der quadratisch gemittelte Abstand Rrms (rms =root mean square) ist ein Mass für den

durchschnittlichen Abstand der Enden eines ungeordneten Knäuels.

Rrms ist die Quadratwurzel aus dem Mittelwert von R2, der berechnet wird, in dem jeder

mögliche Wert von R2 mit der Wahrscheinlichkeit f, dass R auftritt, gewichtet wird:

lNfdRRRrms2/1

0

2 == ∫∞

Dieses Modell des ungeordneten Knäuels ist nur eine grobe Näherung, da die Annahme

beliebiger Bindungswinkel und die Annahme dass die Atome keine Ausdehnung haben noch

im Modell enthalten sind und bei realen Systemen zu einem zu kleinen Wert für Rrms führt.

4.2 Helix- und Faltblattstruktur

Für die Sekundärstrukturen von Proteinen gelten die von Linus Pauling und Robert Corey

formulierten Regeln, die im wesentlichen darauf beruhen, dass die Strukturen durch

Wasserstoffbrückenbindungen stabilisiert werden, an denen die Peptid-Bindungen beteiligt

sind. Die Peptidbindungen können als H-Donoren oder als H-Akzeptoren wirken.

Die Regeln lauten:

(1) Die Atome einer Peptid-Bindung liegen in einer Ebene

(2) Die Atome N, H und O einer Wasserstoffbrücke liegen auf einer Geraden, wobei

Auslenkungen von H bis zu 30° von der N-O-Linie toleriert werden

(3) Alle NH- und CO-Gruppen sind an den Bindungen beteiligt

Wenn die Wasserstoffbrücken zwischen den Peptid-Bindungen derselben Kette gebildet

werden, sprechen wir von einer α-Helix. Wenn die Wasserstoffbrücken zwischen den Peptid-

Bindungen verschiedener Ketten bestehen, sprechen wir von einem ß-Faltblatt.

Die Geometrie einer Kette wird durch zwei Winkel beschrieben, den Torsionswinkel Φ der N-

C-Bindung und den Torsionswinkel Ψ der C-C-Bindung. Abbildung 4-2 zeigt die Winkel an

einem α-L-Polypeptid.

___________________________________________________________________________ 33

Abbildung 4-2: Torsionswinkel Φ und Ψ in einer Kette

In dieser Abbildung ist die all-trans-Form des Polypeptids wiedergegeben, in der Φ = Ψ =

180° ist. Die Vorzeichenkonvention lautet, dass bei einem positiven Winkel das vordere Atom

im Uhrzeigersinn zu bewegen ist, damit die Bindungen am vorderen Atom mit denjenigen am

hinteren Atom zur Deckung kommen. Wenn alle Ψ und alle Φ gleich sind, erhält man eine

Helix. Für eine Rechts- α-Helix ist Φ=-57° und Ψ = -47°, für eine Links- α-Helix sind beide

Winkel positiv.

5 Thermisch-kalorische Messverfahren

Phasenumwandlungen von Biopolymeren sind im allgemeinen thermisch induzierbar. Zur

Untersuchung dieser Umwandlungen liegt es daher nahe, kalorimetrische Messeverfahren

einzusetzen. Dazu gehören die Differenz-Thermoanalyse (DTA) und die Difference Scanning

Calorimetry (DSC).

5.1 Differenz-Thermoanalyse (DTA)

Messgrösse bei der DTA ist die Temperaturdifferenz ∆T zwischen der Messprobe und einer

Vergleichsprobe. Abbildung 5-1 zeigt schematisch den Aufbau eines DTA-Geräts.

___________________________________________________________________________ 34

Abbildung 5-1: Schematische Darstellung eines DTA-Geräts

Referenz und Probe werden in Reaktionsgefässe gefüllt, die in einen beheizbaren Ofenblock

eingepasst sind. Zur Messungen von Proben- und Referenztemperatur befinden sich

Thermoelemente an den Reaktionsgefässen. Über eine programmierbare Regelungseinheit

wird die Heizung des Ofenblocks derart angesteuert, dass seine Temperatur langsam linear

ansteigt oder abnimmt. Dazu wird die Temperatur des Blocks über ein weiteres

Thermoelement gemessen und mit dem momentanen Sollwert verglichen. Die Heizleistung

wird entsprechend der Differenz der beiden Werte geregelt. Zu Beginn einer Messung

besitzen Probe und Referenz dieselbe Temperatur. Wenn beim Aufheizen in der Probe z.B.

ein endothermer Phasenübergang erfolgt, hinkt die Probentemperatur solange der

Referenztemperatur hinterher, bis die Phasenumwandlung abgeschlossen ist. Eine von Null

verschiedene Temperaturdifferenz ∆T tritt auf, die elektronisch verstärkt und von einem

Computer aufgezeichnet wird. Die Darstellung der Temperaturdifferenz erfolgt in der Regel

als Funktion der Probentemperatur oder der Zeit. Durch das Auftreten der

Temperaturdifferenz ändern sich auch die Wärmeströme im Ofenblock. Bis ∆T wieder Null

ist, wird der Probe zusätzlich die Umwandlungswärme zugeführt. Daher ist die Fläche unter

dem Messsignal ein Mass für die zusätzlich zugeführte Wärme, allerdings nur qualitativ, da

bei den meisten DTA-Geräten die Wärmeübergänge in der Messanordnung nicht definiert

erfolgen.

Abbildung 5-2 zeigt als Beispiel die DTA-Messkurve einer Phosphatidylcholin-Dispersion.

___________________________________________________________________________ 35

Abbildung 5-2: DTA-Messkurve einer Phospahtidylcholin-Dispersion

Aufgetragen ist die Temperaturdifferenz beim Aufheizen als Funktion der Probentemperatur.

Man erkennt einen ‚kleinen’ Übergang bei niedriger Temperatur und den Hauptübergang bei

höherer Temperatur. Beide Phasenübergänge sind endotherm, aber der Hauptübergang besitzt

eine weitaus grössere Phasenumwandlungsenthalpie als der Vorübergang.

5.2 Difference Scanning Calorimetry (DSC)

Wie oben erwähnt, besteht kein quantitativer Zusammenhang zwischen der Fläche unter dem

DTA-Signal und der Phasenumwandlungsenthalpie. Für eine Reihe von Fragestellungen, wie

z.B. die Bestimmung der Kooperativität eines Phasenübergangs, ist die quantitative

Bestimmung von notwendig. Daher wird für biophysikalische Untersuchungen eine

Technik benutzt, die sich aus der DTA entwickelt hat, aber einen komplizierteren Aufbau

besitzt, die Difference Scanning Calorimetry (DSC).

0mUH∆

Abbildung 5-3 zeigt schematisch den Aufbau eine DSC-Geräts.

___________________________________________________________________________ 36

Abbildung 5-3: schematische Darstellung einer DSC-Apparatur (1 Probe, 2 Referenz, 3

Heizplatten, 4 thermisch isolierte Gefässe, 5 isolierter Mantel, 6 Temperaturmessstellen)

Proben- und Referenz-Gefäss befinden sich jeweils auf einer Heizplatte. sie enthalten eine

Lösung der zu untersuchenden Substanz bzw. das reine Lösungsmittel. Beide Gefässe

befinden sich in einem thermisch isolierten Gefäss und ein thermisch isolierter Mantel sorgt

dafür, dass keine Wärme das System nach aussen verlassen oder von aussen aufgenommen

werden kann. Beide Gefässe werden getrennt beheizt und ihre Temperaturen von je einem

Temperaturfühler erfasst. Das Aufheizen von Probe und Referenz erfolgt mit einer vor

Messbeginn eingestellten Heizrate β = ∆T/ ∆t. Die Temperatur des Systems ist damit gegeben

als:

T = T0 + β t mit T0 Temperatur zum Zeitpunkt t = 0

Das Messprinzip der DSC-Methode fordert, dass die Temperaturen von Probe (TP) und

Referenz (TR) während der Messung gleich bleiben, d.h.:

T = TP = TR

___________________________________________________________________________ 37

Findet in der Probe z.B. eine endotherme Phasenumwandlung statt, muss diese im Vergleich

zur Referenz stärker aufgeheizt werden, damit die Temperaturen gleich gehalten werden

können. Die Heizleistung für die Probe (PP) wird also grösser als die Referenz (PR). die daraus

resultierende Differenz ∆P der Heizleistung ist die Messgrösse:

∆P = PP - PR

Diese Differenz ist dem Unterschied ∆C(T) der Wärmekapazitäten proportional:

∆C(T) = CP – CR = β

)(TP∆

In DSC-Themogrammen wird ∆P gegen T aufgetragen. Bei bekannter Heizrate lässt sich aus

den Thermogrammen die Wärmekapazitätsdifferenz ∆C(T) zwischen Probe und Referenz

bestimmen.

5.3 Beispiele für kalorimetrische Messungen

Typische Beispiele für die Anwendung kalorimetrischer Messverfahren sind z.B. die

Untersuchungen von Phasenumwandlungen von Lipid-Doppelschichten die als

Modellmembran-Systeme dienen. Auch die Denaturierung von Proteinen bei Temperaturen

oberhalb von 330 K lässt sich mit diesen Verfahren gut messen. Aus Messungen der

Denaturierungsenthalpie lassen sich wichtige Hinweise über die Stabilität von

Proteinstrukturen und die Natur der Helix-Knäuel-Phasenumwandlung gewinnen. Auch bei

Poly-Nucleotiden erhält man wichtige Informationen über deren Primär- und

Sekundärstruktur. So liess sich z.B. für DNA-Moleküle ein systematischer Zusammenhang

zwischen der Doppelhelix-Einzelstrang-Umwandlungsenthalpie und dem Gehalt an den

Nucleinsäuren Guanin und Cytosin feststellen. Ausserdem können kalorimetrisch erhaltene

Enthalpiewerte als analytische Methode zur Bestimmung der relativen

Basenzusammensetzung von Polynucleotiden herangezogen werden.

___________________________________________________________________________ 38

6 Rastertunnel- und Rasterkraftmikroskopie

Einen grossen Fortschritt beim Vordringen in die direkte Abbildung atomarer Dimensionen

brachte die Entwicklung des Rastertunnelmikroskops (Scanning Tunneling Microscope,

STM) durch G. Binning und H. Rohrer im Jahr 1981. Mit diesem Instrument gelang es den

atomaren Aufbau der Materie direkt abzubilden. In der Folgezeit wurde eine ganze Reihe von

Varianten entwickelt, von denen insbesondere das Rasterkraftmikroskop (Atomic Force

Microscope, AFM) für Untersuchungen biologischer Proben eine weite Anwendung gefunden

hat.

Die Kernstücke von STM und AFM sind sehr ähnlich. Zunächst ist dies eine sehr feine Spitze,

die in einem geringen Abstand d der Probenoberfläche gegenübersteht. Abbildung 6-1 zeigt

den schematischen Aufbau eines Rastertunnelmikroskops.

Abbildung 6-1: Schematische Darstellung des Rastertunnelmikroskops

Der Abstand der Spitze von der Probe kann durch einen piezoelektrischen Antrieb sehr genau

eingestellt werden. Zwei weitere piezokeramische Stellelemente erlauben eine sehr genaue

Positionierung der Probe in x-y-Richtung und damit ein rasterförmiges Abtasten.

Beim STM ist der Abstand der metallischen Spitze und der ebenfalls elektrisch leitenden

Probe so klein, dass die Elektronenwolken der Atome von Spitze und Probe sich sehr nahe

kommen. Wird zwischen beiden eine kleine Spannung angelegt, so fliesst trotz dieses

Abstands ein geringer Strom. Ursache hierfür ist der quantenmechanische Tunneleffekt. Es

fliesst ein Tunnelstrom It der exponentiell vom Abstand d abhängt. Wird die Probe relativ zur

Spitze bewegt, dann variiert dieser Tunnelstrom entsprechend dem Oberflächenprofil und auf

___________________________________________________________________________ 39

diese Weise wird ein Bild der Höhenkontur der Oberfläche erzeugt. die Anwendung des

Tunnelmikroskops ist jedoch auf leitende und halbleitende Materialien beschränkt.

Um das Messprinzip auch zur Untersuchung von Isolatoroberflächen anzuwenden wurde das

STM zum Rasterkraftmikroskop modifiziert. Diese Modifikation bestand darin, dass zwischen

Tunnelspitze und Probe eine mir Federkraft auf die Probe gedrückte Spitze gebracht wird.

Diese Spitze ist in unmittelbarem Kontakt mit der Oberfläche der Probe. Beim Abrastern der

Oberfläche folgt die Spitze dem Oberflächenprofil und bewegt sich auf und ab. Diese

Bewegung wurde bei den ersten AFM mit Hilfe einer aufgesetzten Tunnelspitze gemessen.

Bei den heute kommerziell erhältlichen Geräten hat sich als Nachweismethode der Bewegung

der Spitze eine optische Methode durchgesetzt (siehe Abbildung 6-2).

Abbildung 6-2: Ablenkung des Kraftsensors eines Rasterkraftmikroskops

Der Lichtstrahl eines Lasers wird von der Blattfeder reflektiert und von einer meist

viergeteilten Photodiode detektiert. Die Bewegung der Spitze und damit auch der Feder führt

zu einer Veränderung des Reflexionswinkels. Folglich liefern die einzelnen Segmente der

Photodiode ein Differenzsignal, dass in eine Höheninformation umgerechnet werden kann.

Mit diesem Kontakt-AFM ist eine nahezu atomare Auflösung der Oberfläche erreichbar. Der

grosse Vorteil der AFM-Methode ist, dass die nichtleitenden biologischen Proben nicht mit

___________________________________________________________________________ 40

leitfähigen Materialien bedampft werden müssen, wodurch eine direkte und unverfälschte

Beobachtung möglich ist.

Eine andere Variante des AFM (siehe Abbildung 6-3) arbeitet nahezu kontaktfrei.

Abbildung 6-3: Aufbau eines kontaktfreien Rasterkraftmikroskops

Diese Gerät besitzt ebenfalls eine federn aufgehängte Spitze, jedoch in einem Abstand zur

Oberfläche in dem zwischen Probe und Spitze anziehende van-der-Waals-Kräfte wirken. Die

Abstandsabhängigkeit des van-der-Waals-Potentials wird in analoger Weise wie die

Abstandsabhängigkeit des Tunnelstroms beim STM verwendet. Dabei geht man so vor, dass

man nicht das Potential oder die daraus resultierende Anziehungskraft direkt misst, sondern

man verwendet eine dynamische Methode, bei der es auf den Kraftgradienten des van-der-

Waals-Potentials, also dessen zweite Ableitung nach dem abstand r, ankommt. Diesen kann

man mit einer schwingenden Spitze messen. Bringt man die Spitze nahe oder bei der

Eigenfrequenz in einem Abstand von der Oberfläche zum Schwingen, der ausserhalb des

Wirkungsbereichs des Potentials liegt, so ist die Amplitude der Schwingung durch die

Federkonstante und die Anregungsenergie der Biegefeder gegeben. Nähert man nun die

___________________________________________________________________________ 41

Spitze der Oberfläche, so überlagert sich diesem Spitzenpotential der Eigenfrequenz das van-

der-Waals-Potential. Dies führt zu einer Erniedrigung der Resonanzfrequenz und die

Amplitude der Schwingung bei der Eigenfrequenz nimmt ebenfalls ab. Die

Schwingungsamplitude ist damit ein mass für den Abstand der Spitze von der Oberfläche.

Eine andere Weiterentwicklung der Rastersondemikroskopie stellt auch das optische

Rasternahfeldmikroskop (Scanning Near Field Optical Microscope, SNOM) dar. Hier besteht

die Messsonde aus einer nach vorn zulaufenden Glasfaser, deren Wand mit einer

Aluminiumschicht bedampft ist. Das vorderste Ende wird dabei nicht mit Al beschichtet, so

dass eine Öffnung mit einem Durchmesser von ca. 50 nm bleibt, durch die in die Glasfaser

eingekoppeltes Laserlicht wieder austreten kann. Bewegt man diese Sonde in einem Abstand

von einigen nm über eine Probe, kann man Mikroskopie mit einer im Vergleich zum gängigen

Lichtmikroskop weitaus höheren Auflösung betreiben. Begrenzt wird die Auflösung durch

den Durchmesser der Sondenöffnung. Mit dieser Methode ist dann sogar Spektroskopie an

einzelnen Molekülen möglich.

7 Sequenzanalyse von Biopolymeren

Die Primärstruktur von Polysacchariden, Proteinen und Nukleinsäuren entsteht wie bereits

erwähnt aus kovalenten Bindungen von Monomereinheiten und lässt sich leicht durch

geeignete Reagenzien rückgängig machen. Deshalb gehen die Verfahren zur Aufklärung der

Primärstruktur von Biopolymeren in den meisten Fällen von einer hydrolytischen Spaltung

der Bindungen aus, da die physikalisch-chemischen Eigenschaften eines Biopolymers

weitgehend von der Sequenz unabhängig sind und eine Sequenzanalyse nur so möglich ist.

Dabei wird immer mit Markierungsmethoden gearbeitet, um die einzelnen Positionen exakt

lokalisieren und zuordnen zu können. Gängige Markierungssubstanzen sind

Fluoreszenzfarbstoffe oder Radionukleotide.

7.1 Sequenzanalyse von Proteinen

Zur schrittweisen Sequenzbestimmung von Proteinen benutzt man heute meist den Edman-

Abbau. Wie in Abbildung 7-1 dargestellt wird dabei ein Polypeptid mit Phenylisothiocyanat

umgesetzt.

___________________________________________________________________________ 42

Abbildung 7-1: Edman Abbau eines Tripeptids vom Amino-Ende her

___________________________________________________________________________ 43

Die Reaktionsfolge kann mehrmals wiederholt werden, so dass im Prinzip schrittweise vom

Amino-Ende her eine Aminosäure nach der anderen als Phenylthiohydantonin-Dervat

abgespalten wird. Man hat die Methode technisch noch verfeinert, indem man die

Carboxylgruppe der C–terminalen Aminosäure mit einem makromolekularen Träger

verknüpft, wodurch die Abtrennung de verbleibenden Peptids aus den einzelnen

Reaktionsansätzen sehr erleichtert wird. Das Verfahren kann weitgehend automatisch in

sogenannten Sequenzern durchgeführt werden.

Da bei der Sequenzbestimmung längerer Peptide fast immer Schwierigkeiten infolge

unerwünschter Nebenreaktionen auftreten, wird man ein zu sequenzierendes Peptid durch

mindestens zwei unterschiedliche Partialhydrolysen möglichst spezifisch in kleinere Peptide

zerlegen, deren Sequenz man dann bestimmt.

7.2 Sequenzanalyse von DNA

Bei der Sequenzanalyse von DNA haben sich in den letzten Jahren besonders zwei Methoden

herauskristallisiert: die basenspezifische chemische Spaltung nach Maxam und Gilbert und

die mit Primern gestartete enzymatische Synthese nach Sanger.

7.2.1 Sequenzanalyse von DNA nach Maxam und Gilbert

Ausgangsmaterial für die chemische Spaltmethode von Maxam und Gilbert sind

einzelsträngige DNA-Fragmente, die an einem Ende radioaktiv markiert werden. In vier

getrennten Ansätzen modifiziert man jeweils Purin- oder Pyrimidinbasen oder nur Guanin

bzw. Thymin durch spezifische chemische Reaktionen. Anschliessend wird an diesen Stellen

die n-glykosidische Bindung gespalten, wodurch es hier sekundär zu einem Strangbruch

kommt, also an der Position der ursprünglichen A+G-, G-, C+T- oder C-Nukleotide. Wie in

Abbildung 7-2 gezeigt, erfolgt die Trennung der Fragmente in parallelen Lauflinien

entsprechend den vier Ansätzen. Nach Autoradiographie kann die DNS-Sequenz anhand des

Elektrophoresegels direkt in aufsteigender Reihenfolge ermittelt werden. Bei DNA-

Fragmenten liegt die Genauigkeit der Trennung noch unter ± 1 Nukleotid.

___________________________________________________________________________ 44

Abbildung 7-2: Sequenzierung nach Maxam und Gilbert

In Abbildung 7-2 wird schematisch das Prinzip der Sequenzierung des DNA-Fragments

AACAGGTC mit Hilfe der Gelelektrophorese gezeigt. Die Laufrichtung ist durch die Pfeile

markiert. Im oberen Teil der Abbildung sind diejenigen Nukleotide angegeben, an denen die

chemischen Spaltungen stattfanden. Rechts ist die Sequenz aller produzierbaren radioaktiv

markierten DNA-Fragmente angegeben, mit angenommener Markierung durch 32P am 5’-

Ende. Die Linien symbolisieren die Lage der tatsächlich gefundenen Fraktionen. Da die

Wanderungslänge streng der Kettenlänge proportional ist, gibt die jeweilige Laufstrecke die

Grösse der Fragmente an. Das 5’-terminale Nukleotid (hier A) muss gesondert identifiziert

werden.

7.2.2 Sequenzanalyse von DNA nach Sanger

Im Kettenabbruchverfahren nach Sanger wird das zu sequenzierende einzelsträngige DNA-

Stück zusammen mit einem kurzen Primer, den vier Deoxyribonucleosidtriphosphatasen von

denen je eines in vier Ansätzen radioaktiv markiert ist und der DNA-Polymerase inkubiert.

Jedes Inkubationsgemisch enthält zusätzlich ein 2’,3’-Dideoxyanalogon eines der

Nucleosidtriphosphate. Wird das Analogon eingebaut, kommt es zum Kettenabbruch. Jedes

Gemisch enthält nun verschieden lange radioaktiv markierte Oligonucleotide, die ein

gemeinsames 5’-Ende haben, sich aber in der Länge unterscheiden. Die entstandenen

___________________________________________________________________________ 45

komplementären Fragmente werden ebenfalls elektrophoretisch nach ihrer Grösse

aufgetrennt, ihre Sequenz ist dem Autoradiogramm zu entnehmen.

Abbildung 7-3: Sequenzierung nach Sanger

Im oberen Teil der Abbildung sind diejenigen Nukleotide angegeben, deren 2’, 3’-

Didesoxyanaloga den Abbruch der Kettenverlängerung bewirkt haben. Im Gegensatz zur

Methode von Maxam und Gilbert wird hier die Sequenz des komplementären Stranges der zu

untersuchenden DNA bestimmt. Ein Primer der mindestens aus zwei Nukleotiden bestehen

muss und gleichfalls komplementär zur Matrizen-DNA ist, muss bereits vorhanden sein.

Hieran werden die weiteren im Bild bezeichneten Nukleotide nacheinander gebunden. Bei der

Positionierung der einzelnen DNA-Fragmente wurde angenommen, dass in den vier Ansätzen

jeweils nur das am oberen Ende angegebene 2’, 3’-Dideoxyanlogon radioaktiv markiert war.

7.3 Einzelmolekülsequenzierungskonzepte

Die zeitaufwendige Sequenzbestimmung der herkömmlichen Methoden und Fortschritte in

der ultrasensitiven Laserfluoreszenzspektroskopie veranlassten Keller 1998 dazu, ein neues

DNA-Sequenzierungsverfahren basierend auf der Einzelmoleküldetektion zu entwickeln.

Dabei wird ein einzelner DNA-Strang bestehend aus mit Farbstoff markierten Nukleotiden in

einer Strömungsapparatur auf einem Träger befestigt. Dazu gibt man eine Exonuclease,

___________________________________________________________________________ 46

welche die DNA in Einzelnukleotide zerlegt. Die markierten Nukleotide strömen dann in

Abbaureihenfolge durch ein Messvolumen, in dem sie mit Laserlicht bestrahlt und zur

Fluoreszenz angeregt werden. Die Fluoreszenzsignale werden durch einen Detektor

aufgefangen und die Strömungsreihenfolge der Nukleotide bestimmt die Sequenz der

abgebauten DNA.

Abbildung 7-4: Schema der DNA-Sequenzierung nach der Abbaumethode

Ein weiterer Ansatz zur Einzelmolekülsequenzierung beruht auf dem Aufbau eines

komplementären DNA-Stranges mit Hilfe von fluoreszenzgelabelten dNTPs. Die zu

sequenzierende DNA wird auf der Oberfläche als Einzelstrang fixiert und der Einbau der

fluoreszenzmarkierten dNTPs durch die Polymerase detektiert. Die Reihenfolge der

Fluoreszenzsignale ergibt die Sequenz der DNA.

___________________________________________________________________________ 47

Abbildung 7-5: Schema der DNA-Sequenzierung nach der Aufbaumethode

Weit verbreitete Methoden zur Detektion von Fluoreszenz sind die konfokale Mikroskopie

oder TIRF-Mikroskopie (Total Internal Reflection Fluorescence). Beim konfokalen

Mikroskop wird Licht, das nicht aus der Brennebene des Objektivs kommt, ausgeblendet. Die

einfachste Konstruktion ist in Abbildung 7-6 gezeigt.

Abbildung 7-6: Prinzip der konfokalen Detektion

Die Kondensorlinse wird durch eine Linse ersetzt, die der Objektivlinse identisch ist. Die

Ausleuchtung des Objekts wird durch eine Lochblende (A) beschränkt, die auf dem Objekt

scharf abgebildet wird. Eine zweite Lochblende (C) beschränkt das Sichtfeld auf einen Punkt.

___________________________________________________________________________ 48

Durch den symmetrischen Aufbau dieses Systems sind beide Blenden und ein Punkt des

Objekts in der Brennebene der Linsen konfokal. Der Durchmesser der Blenden wird so klein

gewählt, daß Licht aus Bereichen des Objekts, die nicht in der Brennebene liegen, nicht in die

Apertur der Blende C fallen und damit ausgeblendet werden (hier: grüne und blaue Strahlen).

In den Photomultiplier (PMT) gelangt deshalb nur Licht aus der Brennebene des Objekts.

Im Unterschied zum konventionellen Mikroskop erzeugt das konfokale Mikroskop also

zunächst nur einen Bildpunkt, der allerdings genau einen Punkt aus der Brennebene des

Objektivs darstellt.

8 Massenspektroskopische Methoden in der Bioanalytik

Für die Peptid- und Proteinanalytik wird inzwischen verstärkt die Massenspektroskopie (MS)

eingesetzt. Die MS ist eine Analysemethode zur Ermittlung der Molekülmasse freier Ionen im

Hochvakuum. Massenspektrometer bestehen aus einer Ionenquelle, in der aus der Probe

gasförmige Ionen erzeugt werden. Im Massenanalysator werden die Ionen nach ihrem

Masse/Ladungs- Quotienten (m/z) aufgetrennt. Ein Detektor liefert ein Massenspektrum, aus

dem abgelesen werden kann, welche Ionen in welchen relativen Mengen erzeugt werden. Die

zur Erzeugung der Ionen verwendeten Energien waren lange für die Peptidanalytik

unbrauchbar, weil sie die biologischen Proben zerstörten. Mit der Entwicklung schonenderer

Techniken, bspw. MALDI (matrix assisted laser desorption ionisation), wurde die MS zu

einer wichtigen Protein- Analysemethode. Bei bekannter Aminosäuresequenz kann bspw. aus

dem Vergleich zwischen der theoretischen Masse und der Masse des untersuchten "nativen"

Proteins auf posttranslationale Modifikationen geschlossen werden.

___________________________________________________________________________ 49

Abbildung 8-1: Prinzip der Massenspektroskopie

Bei der MALDI-Methode wird die Probe für wenige Nanosekunden mit kurzwelligem

Laserlicht bestrahlt. Die elektronische Anregungsenergie führt zu einer lokalen Auflösung der

Festkörperoberfläche (Matrix + Probe). Die Moleküle treten in die Gasphase über. Eine

Elektrode, die sich in geringem Abstand gegenüber der Probe befindet, erzeugt ein

elektrostatisches Feld. Je nach Polarität der Elektrode werden positive oder negative Ionen

von der Probenoberfläche in Richtung des Analysators beschleunigt. Für MALDI-

Untersuchungen werden Flugzeitmassenspektrometer (TOF, time of flight) als Analysatoren

benutzt. Die Massenbestimmung erfolgt über die genaue Messung der Zeit, die zwischen dem

___________________________________________________________________________ 50

Start der Ionen in der Probe bis zum Eintreffen am Detektor vergeht. Ionen mit

unterschiedlichen m/z-Werten werden, bei gleicher kinetischer Energie, in der

Beschleunigungsstrecke auf unterschiedliche Geschwindigkeiten gebracht. Bei bekannter

Beschleunigungsspannung (U) und Flugstrecke (L) der Ionen in der feldfreien Driftstrecke

läßt sich durch Messung der Flugzeit der Ionen (t) das m/z-Verhältnis bestimmen. Die

Kalibrierung erfolgt über Referenzsubstanzen mit bekannten Massen. Typische Flugzeiten bei

der MALDI liegen zwischen wenigen bis einigen 100 µs. Die Driftstrecken sind 1 - 4m lang.

Abbildung 8-2: Lineares Flugrohr

Das Detektionssystem für Ionen besteht in der Regel aus einem Sekundärelektronen-

vervielfacher (SEV) mit einer separat davor liegenden Konversionsdynode. Die

Verstärkungswirkung besteht darin, dass der Ionenstrom beim Auftreffen auf diese

Konversionsdynode einen Sekundärelektronenstrom erzeugt. Jedes der Sekundärelektronen

schlägt aus der folgenden Dynode wieder Sekundärelektronen heraus, wodurch eine

Elektronenkaskade entsteht. Abbildung 8.3 verdeutlicht das Prinzip des

Sekundärelektronenvervielfachers.

___________________________________________________________________________ 51

Abbildung 8.3: Sekundärelektronenvervielfacher

Eine wichtige Eigenschaft eines Massenanalysators ist das Auflösungsvermögen, d.h. Ionen

mit geringen Massendifferenzen noch getrennt voneinander registrieren zu können.

Unter dem Begriff Auflösungsvermögen R wird im allgemeinen das Verhältnis von einer

Ionenmasse m zur Massendifferenz m verstanden:

R = m/∆m

∆m gibt den kleinsten Massenabstand, bei dem Massenlinien gleicher Intensität noch getrennt

erscheinen. Um verschiedene Auflösungen miteinander vergleichen zu können, muss die

Trennung zunächst definiert werden. In der hochauflösenden Massenspektrometrie wird

normalerweise eine Auflösungsdefinition verwendet, bei der das Tal zwischen zwei gleich

großen Signalen nicht mehr als 10 % der Signalhöhe ausmachen darf. In der

niederauflösenden Massenspektrometrie wird dagegen oft der Begriff der Peakhalbwertsbreite

(auch FWHM = full width at half maximum) für m (also bei 50 % Peakhöhe) verwendet.

___________________________________________________________________________ 52

Abbildung 8.4: a) % Tal-Definition b) Halbwertsbreite FWHM

9 Neutronen- und Röntgenkleinwinkelstreuung

Erste Antworten auf die wichtige Frage nach der Struktur biologischer Makromoleküle, wie

z.B. Proteine, wurden durch Ergebnisse der Proteinkristallographie gegeben. Mit den

klassischen Verfahren der Kristallographie liessen sich eine Vielzahl von Proteinstrukturen

bis hin zu atomarer Auflösung aufklären. Voraussetzung für die Durchführung von

Kristallstrukturuntersuchungen ist jedoch die Fähigkeit des Moleküls genügend grosse

Einkristalle zu bilden. Leider kristallisieren nur wenige Proteinmoleküle. Die meisten rein

dargestellten Proteine liegen nur in Form verdünnter wässriger Lösungen vor. Es gibt jedoch

Untersuchungsmethoden, mit deren Hilfe die Struktur grösserer Biomoleküle auch in Lösung

studiert werden kann. Für die Untersuchung der Lösungsstrukturen von Molekülen wird die

Lichtstreuung herangezogen. Für Moleküle in der Grössenordnung 1-100 nm eignet sich

besonders die Neutronen- und Röntgen-Kleinwinkelstreuung. Diese Moleküle weisen statt

einer Vielzahl von Beugungsreflexen, die typisch sind für eine kristalline Struktur, bei kleinen

Streuwinkeln ein im allgemeinen diffuses Streubild auf. Aus dem diffusen Streubild lassen

sich Informationen über die Grösse und Form der gelösten Makromoleküle gewinnen. Eine

atomare Auflösung wird bei dieser Technik jedoch nicht erreicht.

___________________________________________________________________________ 53

9.1 Prinzip des Streuexperiments

Das Prinzip eines Streuexperiments ist in Abbildung 9-1 dargestellt.

Abbildung 9-1: Prinzip eines Streuexperiments

Der einfallende Strahl mit Wellenvektor (0

k λπ2=

k ), Wellenlänge λ und Energie E0 trifft

auf die zu untersuchende Probe. Gemessen wird die Intensität der gestreuten Strahlung mit

Wellenvektor und Energie E1

k 1 unter dem Streuwinkel 2θ im Raumwinkelelement dΩ. aus

der gemessenen Streuintensität I(Q,ħω) in Abhängigkeit vom Impulsübertrag h und

Energieübertrag ħω mit:

Q

)( 01

→→→

−= kkQ hh

E∆=−= )( 01 ωωω hh

erhält man Informationen über die strukturellen und dynamischen Eigenschaften der Probe.

Für den Fall der elastischen Streuung (∆E=0, →→

= 01 kk ) gilt:

Θ=Θ=→

sin4sin2 0 λπkQ

___________________________________________________________________________ 54

Strukturuntersuchungen erfolgen stets aufgrund elastischer Streuung. Im allgemeinen wird der

differentielle Streuquerschnitt dσ/dΩ im elastischen Streuexperiment ermittelt. Er ist definiert

als das Verhältnis aus der Anzahl der in das Raumwinkelelement dΩ pro Zeiteinheit

gestreuten Teilchen zum Produkt aus dem einfallenden Teilchenstrom und dΩ.

In vielen Fällen besteht ein einfacher Zusammenhang zwischen der Messgrösse dσ/dΩ und

den strukturellen Eigenschaften der Probe. Der differentielle Streuquerschnitt kann allgemein

beschrieben werden als:

ktorStrukturfafNdd

s ⋅Θ∝Ω

2)2(σ

Der sogenannte Strukturfaktor charakterisiert die Struktur der Probe. der atomare Streufaktor

f(2Θ) ist abhängig von der Streusonde (Neutronen- bzw. Röntgenstrahlen) und ist ein Mass

für die Streukraft der einzelnen Streuzentren (Ns Anzahl der Streuzentren).

Abbildung 9-2 zeigt die Abhängigkeit des Streufaktors für Neutronen und Röntgenstrahlen.

Abbildung 9-2: Abhängigkeit des atomaren Streufaktors

___________________________________________________________________________ 55

Abbildung 9-3 gibt einen Überblick über die Unterschiede zwischen Neutronen und

Röntgenstrahlen.

größere Eindringtiefe, größere Probenµ ~ 0.1cm-1µ ~ 102-103cm-1Absorption

1Å: ~4000m/scGeschwindigkeit

Energieübertrag meßbar

Energieübertrag vernachlässigbar

Inelastische Streuung

Spektroskopie mit Neutronen (Phononen, Schwingung, Rotation, Diffusion)

0.0816eV12400eVEnergie bei 1Å

Leichtatome sichtbar, Elementunterscheidung (Al⇔Si, Fe⇔Co⇔Ni), Rückstreuung

„zufällig“ verteilt, θ-unabhängig

~ Z, θ-abhängig (Atomformfaktor)

Atomare Streukraft

Mit Neutronen sind Isotope unterscheidbarVariation des Streukontrasts möglich,

insbesondere H⇔D

1) „Starke Wechselwirkung“ 2) Magnet. Dipol-wechselwirkung

Elektromagnet. Feld der Strahlung wechselwirkt

mit Elektronen

Wechselwirkung

µ = -1.91 µN-Magnet. Moment

Ideale Sonde für Spin- und magnetische Strukturen

1/21Spin

Teilchen (λ = h/p)ElektromagnetischStrahlungsart

NeutronenRöntgen

Abbildung 9-3: Vergleich Röntgen-Neutronen

10 Fluoreszenzspektroskopische Methoden in der Bioanalytik

In den letzten 15 Jahren hat die Fluoreszenzspektroskopie eine weite Verbreitung bei

biologischen und biochemischen Anwendungen erfahren. Moderne Anwendungsgebiete der

Fluoreszenzspektroskopie sind z.B.:

- DNA-Sequenzing

- FISH (Fluorescence In Situ Hybridization)

- Antigen-Antikörper-Reaktionen (Immunoassays)

- Klinisch chemische Nachweisverfahren

- Zellbiologie (z.B Cytometrie)

Die Fluoreszenzspektroskopie profitiert gegenüber vergleichbaren Techniken wie

Radioassays oder ELISA-Tests (Enzyme Linked Immunosorbent Assay) vor allem durch

hohe Sensitivität, geringere Kosten und im Vergleich zu den Radioassays vor allem von der

Entsorgungsproblematik die mit radioaktiven Markern verbunden ist.

___________________________________________________________________________ 56

10.1 Definition der Fluoreszenz

Unter Fluoreszenz versteht man die spontane Emission von Licht bei der Rückkehr eines

Moleküls aus einem elektronisch angeregten Singulettzustandzustand, in welchen es durch

Lichtabsorption angeregt wurde, in den elektronischen Grundzustand. Dabei bleibt der

Elektronenspin erhalten. Die Lebensdauer τ des angeregten Zustandes beträgt um die 10 ns,

was einer Emissionsrate von 108 s-1 entspricht. Daraus folgt, daß die Lichterscheinung nach

Abstellen der Anregungsquelle sofort erlischt.

Ein Fluoreszenz(emissions)spektrum ist die Darstellung von Fluoreszenzintensität gegen die

Wellenlänge des Fluoreszenzlichtes bei Anregung mit einer konstanten Wellenlänge.

10.2 Fluorophore

Voraussetzung für Fluoreszenz ist, daß das eingestrahlte Licht von Molekülen absorbiert

werden kann und dadurch Elektronenübergänge induziert werden. Derartige Moleküle

besitzen im allgemeinen ein delokalisiertes π-Elektronensystem. Viele Biomoleküle enthalten

natürliche Fluorophore, manche sind jedoch fluoreszenzinaktiv und müssen mit

Fluoreszenzfarbstoffen markiert werden, um detektiert werden zu können. Abbildung 10-1

zeigt einige typische Moleküle mit Fluoreszenzeigenschaften.

Abbildung 10-1: Typische fluoreszierende Moleküle

___________________________________________________________________________ 57

10.3 Elektronenübergänge

Fluoreszenz fällt unter den Oberbegriff der Lumineszenz, welche allgemein die Emission von

Photonen aus elektronisch angeregten Zuständen charakterisiert. Ein weiterer Typ von

Lumineszenz ist die Phosphoreszenz. Phosphoreszenz ist die Lichtemission, die aus

Übergängen zwischen Zuständen verschiedener Spinmultiplizität resultiert. Der angeregte

Zustand ist in der Regel ein Triplettzustand und eine Rückkehr in den elektronischen

Grundzustand muß unter Spinumkehr erfolgen, damit die Spins gepaart sind. Ein solcher

Übergang ist im Grunde verboten und deswegen zeitlich verzögert. Typische Lebensdauern

betragen Millisekunden bis zu Sekunden und werden eher durch mögliche

Deaktivierungsprozesse begrenzt als durch die eigentliche Emission.

Unter der Lebensdauer τ versteht man die durchschnittliche Zeit, die ein Fluorophor (ein

Molekül, das Fluoreszenz zeigt) im angeregten Zustand verbleibt. Da die Fluoreszenz ein

zufälliges Ereignis ist, wird es wenige Moleküle geben, die tatsächlich zum Zeitpunkt t = τ

ihre Photonen emittieren. Für einen einfachen exponentiellen Abfall der Fluoreszenzintensität

gilt beispielsweise, daß 63% der Moleküle vor t = τ emittieren und 37% später als die

Lebensdauer es angibt.

Die elektronischen Prozesse, die der Fluoreszenz und Phosphoreszenz zugrunde liegen,

werden im Jablonski-Diagramm (Abbildung 10-2) dargestellt.

Abbildung 10-2: Jablonski-Diagramm

___________________________________________________________________________ 58

Die ersten elektronischen Singulettzustände sind mit S0, S1, S2 bezeichnet, entsprechend

kennzeichnet T1 den ersten angeregten Triplettzustand. Ein Fluorophor in einem bestimmten

elektronischen Zustand kann eine Vielzahl von Schwingungszuständen einnehmen. Unter

internal conversion (innere Umwandlung) versteht man einen strahlungslosen Übergang, der

zwischen zwei Zuständen gleichen Spins (S2 → S1) vom niedrigsten Schwingungszustand

eines höheren elektronische Zustands in einen energiegleichen höheren Schwingungszustand

des nächst niederen Elektronenzustand stattfindet. Intersystem crossing ist der strahlungslose

Übergang von einem angeregten Singulettzustand in einen energiegleichen Triplettzustand.

10.4 Franck-Condon Prinzip

Ein wesentliches Charakteristikum von elektronischen Übergängen, ist, daß sie vertikal sind,

d.h. ohne Änderung der Kernpositionen. Da die Atomkerne sehr viel schwerer sind als die

Elektronen (mp = 1,672 10-27 kg, me = 9,109 10-31 kg), sind elektronische Übergänge wie

Anregung durch Lichtabsorption (10-15 s), internal conversion (10-12 s) und

Fluoreszenzemission (10-8 s) sehr viel schneller als die Kerne sich an die neue elektronische

Umgebung anpassen können. Dieses Merkmal der Elektronenübergänge entspricht dem

Franck-Condon Prinzip.

Bei Raumtemperatur sind die meisten Moleküle in ihrem Schwingungsgrundzustand, d.h. die

Absorption von Licht geeigneter Wellenlänge wird zu einer vertikalen Anregung aus diesem

Schwingungsniveau führen. Es sind jedoch (vertikale) Übergänge in verschiedene

Schwingungszustände des angeregten elektronischen Zustands möglich, was eine Feinstruktur

im Absorptionsspektrum bewirken kann.

Die Wahrscheinlichkeit der jeweiligen Übergänge und damit die Intensität des

Absorptionssignales werden durch die Schwingungswellenfunktionen des angeregten

elektronischen Zustands bestimmt. Der Übergang erfolgt von der Kernlage der maximalen

Amplitude der Schwingungsgrundzustandswellenfunktion in ein Schwingungsniveau des

angeregten elektronischen Zustandes, wo eine maximale Amplitude der Wellenfunktion bei

derselben Kernlage auftritt. Derjenige Übergang, bei dem im angeregten Zustand die

Amplitude der Schwingungswellenfunktion maximal ist, hat die größte Intensität. In welches

Schwingungsniveau angeregt wird hängt damit von der relativen Verschiebung der

betreffenden Potentialkurven für den Grund- und angeregten Zustand ab. Da in anderen

Schwingungsniveaus aber auch signifikante Aufenthaltswahrscheinlichkeiten bestehen

___________________________________________________________________________ 59

können, finden auch diese Übergänge statt, wenn auch mit geringerer Wahrscheinlichkeit und

damit Intensität.

Der Lichtabsorption können nun viele Prozesse folgen. Zum einen tritt eine schnelle

strahlungslose Relaxation (innerhalb von 10-12 s) des Elektrons aus einem angeregten Zustand

in den Schwingungsgrundzustand des angeregten elektronischen Zustandes ein (internal

conversion). Aus diesem Zustand erfolgt dann die Lichtemission. Die bei der strahlungslosen

Relaxation freiwerdende Energie wird in Form von Wärme an das System abgegeben.

Anstelle einer sofortigen Lichtemission kann auch ein intersystem crossing in einen

Triplettzustand gleicher elektronischer Energie stattfinden, aus dem dann Phosphoreszenz

resultieren kann. Tritt Fluoreszenz ein, so erfolgt ein Elektronenübergang aus dem

Schwingungsgrundzustand des elektronisch angeregten Zustands in ein Schwingungsniveau

des elektronischen Grundzustands.

10.5 Spiegelbildregel

Aus diesen Betrachtungen für die Absorption und Emission eines Fluorophoren folgt, daß das

Absorptionsspektrum des Moleküls die Schwingungsniveaus des elektronisch angeregten

Zustands widerspiegelt, das Emissionsspektrum die des elektronischen Grundzustands.

Hieraus ergibt sich, daß ein Fluoreszenzemissionsspektrum oftmals ein Spiegelbild des

entsprechenden Absorptionsspektrums (S0 → S1) zu sein scheint. Dies liegt darin begründet,

daß die Schwingungsniveaus eines elektronisch angeregten Zustands sich nicht sehr von

denen des Grundzustands unterscheiden, so daß der wahrscheinlichste Absorptionsprozeß

auch gleich der wahrscheinlichste Emissionsübergang ist. Ist der Absorptionsübergang im

Spektrum relativ höherenergetisch, so ist der Emissionsübergang im Emissionsspektrum

relativ niederenergetisch. Ein Beispiel ist z.B. das Absorptions- und Emissionsspektrum von

Perylen (Abbildung 10-3).

___________________________________________________________________________ 60

Abbildung 10-3: Absorptions- und Emissionsspektrum von Perylen

10.6 Stokes-Shift

Ein wesentliches Merkmal der Fluoreszenzemission ist, daß die Wellenlänge des emittierten

Lichtes nach längeren Wellenlängen bezüglich des absorbierten Lichtes verschoben ist. Dies

liegt an Energieverlusten, die durch strahlungslose Elektronenübergänge bedingt werden.

Diesen Effekt, der nur bei Atomen oder Molekülen in der Gasphase nicht immer auftritt,

nennt man Stokes-Shift. Ein Stokes-Shift kann außer durch die strahlungslosen Übergänge

auch durch spezielle Lösungsmitteleinflüsse oder excited state Reaktionen, wo Energie

verloren gehen kann, erfolgen.

Ein weiteres Merkmal der Fluoreszenzspektroskopie ist, daß man im allgemeinen unabhängig

von der Anregungswellenlänge immer dasselbe Emissionsspektrum erhält. Dies liegt daran,

daß überschüssig aufgenommene Energie, die zur Anregung in höhere elektronische Zustände

und Schwingungsniveaus führt, schnell durch internal conversion abgegeben werden kann.

___________________________________________________________________________ 61

10.7 Quantenausbeute und Fluoreszenzlebensdauer

Die Fluoreszenz Quantenausbeute Q ist das Verhältnis der Anzahl emittierter Photonen zur

Anzahl der absorbierten Photonen. Es gilt:

ICF

F

kkkQ+

=

wobei kF die Photonenemissionsrate des Fluorophors ist und kIC die Rate der strahlungslosen

Übergänge von S1 nach S0.

Mit den Raten kF und kIC ergibt sich für die Lebensdauer des Fluorophors (die mittlere Zeit,

die ein Molekül im angeregten Zustand bleibt):

)(1

ICF kk +=τ

10.8 Fluoreszenzlöschung (Quenching) Unter Fluoreszenzlöschung versteht man die strahlungslose Desaktivierung des angeregten

Zustands des Fluorophors. Quenching setzt also die Fluoreszenz-Quantenausbeute und die

Fluoreszenzintensität herab und kann durch verschiedene Prozesse erfolgen, z.B. durch

Energietransfer, Elektronen- bzw. Protonentransfer, und chemische Reaktionen im

Anregungszustand. Man unterscheidet zwei Arten von Löschprozessen: die dynamische

Fluoreszenz-Löschung, die sich durch Kollisionsprozesse des Fluorophors mit den

Quenchermolekülen ergibt, und die statische Fluoreszenz-Löschung, die auf Komplexbildung

des Fluorophors mit den Quenchern beruht. Die Effektivität beider Prozesse ist von der

Konzentration der Löschermoleküle abhängig. In beiden Prozessen ist der direkte molekulare

Kontakt zwischen Fluorophor und Quencher erforderlich. Eine Vielzahl von Verbindungen

eignen sich als Fluoreszenzquencher. Typische, häufig verwendete Quencher sind Iodid, O2,

Acrylamid und Amine.

___________________________________________________________________________ 62

10.8.1 Dynamische Fluoreszenzlöschung (Stoßlöschung)

Beim dynamischen Quenching muß ein Quencher zu einem Fluorophor im angeregten

Zustand diffundieren und mit ihm kollidieren. Wenn dies erfolgt, kehrt der Fluorophor in

seinen Grundzustand zurück, ohne Photonen zu emittieren. Die Stößlöschung läßt sich mit der

Stern-Volmer-Gleichung beschreiben:

][1][1 00 QKQkFF

SVq +=+= τ

Hierbei sind F0 und F die Fluoreszenzintensitäten bei Abwesenheit und bei Anwesenheit des

Quenchers, kq die bimolekulare Quenchingkonstante, τ0 die Lebensdauer des Fluorophors in

Abwesenheit des Quenchers , [Q] die Konzentration des Quenchers und KSV die Stern-

Volmer-Konstante.

Quenching-Ergebnisse werden häufig als Stern-Volmer-Diagramm dargestellt. Dabei wird

F0/F gegen [Q] als linearer Plot aufgetragen. Aus der Steigung der Geraden ergibt sich KSV

bzw. kq τ0.

T1

T2

[Q]

F0/F

T2>T

1

Abbildung 10-4: Stern-Vollmer Diagramm

Ein wichtiges Kennzeichen der dynamischen Fluoreszenzlöschung ist die Abnahme

Lebensdauer mit abnehmender Fluoreszenzintensität. Die Wahrscheinlichkeit für eine

Kollision zwischen Fluorophor und Quencher ist umso größer, je langlebiger der angeregte

Zustand ist.

___________________________________________________________________________ 63

ττ 0

0

=FF

Die bimolekulare Quenching-Konstante kann durch die Smoluchowski-Gleichung berechnet

werden.

))((10004

QFQFA

q DDRRNk ++=π

γ

Dabei sind R die Stoßradien von Fluorophor F und Quencher Q, und D die Summe der

Diffusionskoeffizienten von F und Q, γ ist die Quench-Effizienz. Die Diffusionskoeffizienten

wiederum sind von der Temperatur und der Viskosität η der Lösung abhängig und durch die

Einstein-Stokes-Gleichung beschreibbar.

RkTDπη6

=

Insgesamt ist die Stern-Volmer-Konstante also temperatur- und viskositätsabhängig. Bei

höherer Temperatur steigt auch KSV.

10.8.2 Statisches Quenching

Im statischen Quenching-Prozeß bildet sich zwischen Fluorophor F und Quencher Q ein

nichtfluoreszierender Grundzustandskomplex FQ. Wenn dieser Komplex Licht absorbiert,

kehrt er sofort wieder in den Grundzustand zurück ohne Photonen zu emittieren. Für die

Komplexbildung kann die Komplexbildungskonstante formuliert werden:

]][[][QF

FQKS =

Auch das statisches Quenching läßt sich durch die Stern-Volmer-Gleichung beschreiben, in

diesem Fall ist KS aber die Komplexbildungskonstante und nicht die diffusionskontrollierte

Stern-Volmer-Konstante KSV.

Im Unterschied zum dynamischen Quenching wird KS meistens bei Temperaturerhöhung

kleiner, da dadurch die Stabilität des Komplexes sinkt. Außerdem bleibt die Fluoreszenz-

___________________________________________________________________________ 64

Lebensdauer konstant (τ0/τ = 1), weil die Komplexbildung lediglich die Konzentration an

freiem Fluorophor reduziert und die Lebensdauer der angeregten Moleküle nicht beeinflußt.

In vielen Fällen kann der Fluorophor durch Kombination von dynamischer und statischer

Fluoreszenzlöschung gequencht werden. Dann ergibt sich kein linearer, sondern ein

kurvenartiger Verlauf im Stern-Volmer-Diagramm, da die kombinierte Stern-Volmer-

Gleichung zweiter Ordnung bezüglich der Konzentration des Quenchers ist.

___________________________________________________________________________ 65

Inhaltsverzeichnis

Einführung:................................................................................................................................. 2 1. Biopolymere ........................................................................................................................... 2

1.1 Was sind Biopolymere? ................................................................................................... 2 1.2 Polyisoprene: Kautschuk, Guttapercha, Balata ................................................................ 3 1.3 Lignin ............................................................................................................................... 4 1.4 Grösse und Form der Biopolymere .................................................................................. 4

2. Kolligative und hydrodynamische Eigenschaften von Biopolymeren................................... 5 2.1 Osmose ............................................................................................................................. 5 2.2 Dialyse von Polyelektrolyten ........................................................................................... 8 2.3 Sedimentation................................................................................................................. 10 2.4 Sedimentationsgeschwindigkeit ..................................................................................... 11 2.5 Das Sedimentationsgleichgewicht.................................................................................. 13 2.6 Elektrophorese................................................................................................................ 14 2.7 Isoelektrische Fokussierung ........................................................................................... 16 2.8 Das Zeta-Potential .......................................................................................................... 18 2.9 Viskosität........................................................................................................................ 19

3 Konformationsumwandlungen von Biopolymeren ............................................................... 25 4 Konformation und Konfiguration von Biopolymeren........................................................... 30

4.1 Ungeordnete Knäuel....................................................................................................... 31 4.2 Helix- und Faltblattstruktur ............................................................................................ 32

5 Thermisch-kalorische Messverfahren ................................................................................... 33 5.1 Differenz-Thermoanalyse (DTA)................................................................................... 33 5.2 Difference Scanning Calorimetry (DSC) ....................................................................... 35 5.3 Beispiele für kalorimetrische Messungen ...................................................................... 37

6 Rastertunnel- und Rasterkraftmikroskopie............................................................................ 38 7 Sequenzanalyse von Biopolymeren ...................................................................................... 41

7.1 Sequenzanalyse von Proteinen ....................................................................................... 41 7.2 Sequenzanalyse von DNA.............................................................................................. 43

7.2.1 Sequenzanalyse von DNA nach Maxam und Gilbert.............................................. 43 7.2.2 Sequenzanalyse von DNA nach Sanger .................................................................. 44

7.3 Einzelmolekülsequenzierungskonzepte ......................................................................... 45 8 Massenspektroskopische Methoden in der Bioanalytik ........................................................ 48 9 Neutronen- und Röntgenkleinwinkelstreuung ...................................................................... 52

9.1 Prinzip des Streuexperiments ......................................................................................... 53 10 Fluoreszenzspektroskopische Methoden in der Bioanalytik............................................... 55

10.1 Definition der Fluoreszenz ........................................................................................... 56 10.2 Fluorophore .................................................................................................................. 56 10.3 Elektronenübergänge.................................................................................................... 57 10.4 Franck-Condon Prinzip ................................................................................................ 58 10.5 Spiegelbildregel............................................................................................................ 59 10.6 Stokes-Shift .................................................................................................................. 60 10.7 Quantenausbeute und Fluoreszenzlebensdauer............................................................ 61 10.8 Fluoreszenzlöschung (Quenching) ............................................................................... 61

10.8.1 Dynamische Fluoreszenzlöschung (Stoßlöschung)............................................... 62 10.8.2 Statisches Quenching ............................................................................................ 63