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14. August 2011ISSN 1436-607X

Leben mit Demenz

Magazin der Evangelisch-methodistischen Kirche 17/2011Magazin der Evangelisch-methodistischen Kirche

Wissenn Wie wirkt sich diese

Krankheit aus? Seite 8

Alltagn Wie Betroffene

leben. Seite 10

Pflegen Was Angehörigen

hilft. Seite 16

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unterwegs 17/2011 ::: 14. August 2011

::: Editorial2

kurz gesagt

So ErrEichEn SiE unS:Redaktion »unterwegs« Telefon 069 242521-150 E-Mail: [email protected]: 0711 83000-0 TI

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Für ÄrgEr Sorgt der neue Bun-desfreiwilligendienst (BFD). Angesichts vieler unbesetzter Dienstplätze hat das Bundes-ministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend nun angekündigt, Plätze des Freiwilligen Sozialen Jahrs (FSJ) nur noch finanziell zu fördern, wenn der Träger für jeweils drei FSJ-Stellen auch zwei BFD-Stellen besetzt. Die Träger des Freiwilligen Sozialen Jahres befürchten deswegen, dass durch die neuen Förderrichtlinien künstlich Teilnehmer für den Bundesfreiwilligendienst geworben werden sollen – auf Kosten des FSJ.

gEiStLichE bEWErtEn kann man auf der Internetseite »Hir-tenbarometer.de«. Unter dem Motto »Auch Gott braucht Feedback« ging das kommerzielle Bewertungs-portal für evangelische und katholische Geistliche vor wenigen Monaten online. Dahinter stecken Jungunter-nehmer aus Karlsruhe. Einer von ihnen ist Andreas Hahn. »Die Idee von Hirtenbaro-meter ist, dass auch pastora-le Arbeit Qualität haben soll«, sagt er. Deshalb wolle die Seite einen Dialog darü-ber ermöglichen, was gut laufe und was nicht. In den Kategorien Gottesdienst, Glaubwürdigkeit, Am Puls der Zeit, Jugend- und Senio-renarbeit können Nutzer bis zu sechs Punkte vergeben.

gEgEn EinSAtz Von MiLitÄr in Somalia hat sich der neue Leiter der Diakonie Katas-trophenhilfe, Martin Kessler ausgesprochen. »Die Forde-rung nach einem militäri-

schen Eingreifen der Ver-einten Nationen oder ande-rer ausländischer Truppen führt in die Irre«, sagte der 47-jährige Agraringenieur.

SPEkuLAtionEn um den Jüngs-ten Tag sind in den USA vor dem Hintergrund des Ringens um eine Abwen-dung des Staatsbankrotts aufgelebt. Auch die Ge-schäfte mit Endzeitliteratur florieren.

EinE kirchLichE ErFoLgS­gESchichtE ist der Chris-tus-Pavillion im thüringi-schen Ort Volkenroda. Rund 40.000 Menschen besuchen ihn jedes Jahr. Seit 2001 nutzen die Jesus-Bruderschaft und die mit-teldeutsche Landeskirche das ehemalige Kirchenge-bäude der Weltausstellung EXPO 2000 in Hannover für Gottesdienste, Festivals Tagungen und Konzerte. Auch das Bundesjugend-treffen der EmK fand in diesem Jahr dort statt. Manchmal beobachtet der am Pavillon tätige Pfarrer Albrecht Schödl sogar Brautpaare, die von weit-her kommen, um sich vor dem Gebäude fotografieren zu lassen. Kirchlich gehei-ratet haben sie nicht. Aber das moderne Gotteshaus begeistert auch die Kir-chenfernen. epd/idea/lassiwe

Das Schweigen ist gebrochen.Immer mehr Menschen sprechen über Demenz. Der Schriftsteller Ar-no Geiger zum Beispiel beschreibt in seinem Buch »Der alte König in seinem Exil«, wie die Alzheimer-Er-krankung die Persönlichkeit seines Vaters veränderte. Es war für ihn ein schmerzlicher Prozess, mitzuerle-ben, »wie die Sprache aus ihm he-raus sickerte«.Kein Wunder, dass wir diese Krank-heit fürchten. Sie führt dazu, dass Menschen sich auch in ihrer ge-wohnten Umgebung nicht mehr Zu-hause fühlen. Sie drohen, im eigenen Leben heimatlos zu werden.Diese Krankheit ist eine große He-rausforderung – gerade auch für die Angehörigen. Sie müssen erleben, wie der Abstand zum Erkrankten immer größer wird. Frauen verste-hen ihren Ehemann nicht mehr, Kinder ihre Eltern und umgekehrt. Deswegen müssen wir darüber re-den, denn an Demenz Erkrankte und deren Angehörige brauchen Unterstützung.Wir haben in dieser Ausgabe von »unterwegs« viele Informationen zusammengetragen. Was eigentlich ist Demenz? Was erleben die Betrof-fenen und die Angehörigen? Kann man Demenz therapieren? Wie sind Gemeinden gefordert? Wir hoffen, dass Ihnen all das weiterhilft. Denn eines ist klar: Die Demenz kann man nicht wegschweigen. Wir müs-sen reden.

Eine gute Lektüre wünscht Ihnen Michael Putzke

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Noch ein Tänzchen gegen das vergessenTanzen tut gut – das ist sogar wissenschaftlich bewiesen: durch die Bewegung werden verschiedene Bereiche des gehirns aktiviert. das kann auch Alzheimerpatienten helfen. Einrichtungen für Betroffene machen sich dies zu Nutze und bitten demente zum Tanz. renate Haller hat eine Tanzgruppe für demente und ihre Angehörigen in Wiesbaden besucht.

Die meisten Gäste haben sich hübsch gemacht. Eine ältere Dame trägt einen breitkrempigen, hellen Sommerhut, eine andere hat reichlich

Schmuck angelegt. Zum Tanz-Café des Diakonischen Werks in Wiesbaden sind rund 30 Frauen und Männer gekommen – die Frauen sind etwas in der Überzahl. Organisiert wird das Tanz-Café vor allem für Men-schen mit Demenz und deren Angehörige; willkommen sind aber auch alle anderen, die sich im Takt alter Schlager bewegen wollen.

Es ist heiß an diesem Samstagnachmittag. An der Rückseite des großen Saals, den der Wiesbadener Tanz-Club Blau-Orange zur Verfügung gestellt hat, ist eine große Tür geöffnet. Ein älteres Paar dreht dort seine ruhigen Runden zu dem Schlager »Tulpen aus Amsterdam« aus den 1950er Jahren. Eine Drei-Mann-Combo, bestückt mit Schifferklavier, Trompete und Gitarre, spielt den Evergreen. An der hohen Decke

hängen orangefarbene und blaue Luftballons. Maria und Waldemar Heck sitzen noch beim Kaffee an einem der langen Tische. Das Paar kommt gerade vom Mit-tagstisch der Alzheimer Gesellschaft, der monatlich angeboten wird. »Ich bin dankbar für jedes Angebot«, sagt Maria Heck. Ihr Mann ist seit drei Jahren dement. Sie kümmert sich rund um die Uhr um ihn und ist froh, wenn sie sich mit anderen Betroffenen austauschen kann. Denn eigentlich, sagt die 71-Jährige, sei es in ihrer Partnerschaft schon ziemlich ruhig geworden. Bei den Treffen mit anderen Betroffenen aber »gibt es kei-ne Hemmungen«.

Melodie und rhythmus bleiben im gedächtnisAlle haben ähnliche Probleme und Verständnis fürei-nander. Beim Tanz-Café ist das Ehepaar Heck zum zweiten Mal. »Ich hätte nie gedacht, dass mein Mann und ich noch einmal miteinander tanzen werden«,

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sagt Maria Heck und hat dabei Tränen der Rührung und auch der Freude in den Augen. Ihr Mann vergisst zwar, welcher Tag heute ist, ob er sich am Morgen ra-siert hat und dass seine Schulzeit schon lange hinter ihm liegt, aber Tanzen kann der 88-Jährige noch im-mer. »Die Füße laufen einfach los«, erklärt das die Gerontologin Ursula Frühauf vom Diakonischen Werk. Melodie und Rhythmus vergesse man auch durch eine Altersdemenz nicht. Vertraute Klänge weckten Erinnerungen und könnten Geborgenheit ge-ben, wo ansonsten häufig Desorientierung dominiert.

Auf der Tanzfläche hat sich inzwischen eine Polo-naise gebildet. Dem Alter angemessen langsam, aber dennoch fröhlich zieht die Schlange durch den Saal. Die Menschen wiegen sich im Rhythmus der Musik und lachen miteinander. Wer noch sitzt, wird zum Mit-machen aufgefordert, nachhaltig genötigt aber wird niemand. »Die Menschen sollen Spaß haben und sich wohl fühlen«, betont Frühauf.

Auch rock ‘n‘ roll geht nochTanzen für Menschen mit Demenz wird seit einigen Jahren in vielen Städten angeboten. Stefan Kleinstück vom Demenz-Servicezentrum Nordrhein-Westfalen in Köln nimmt für seine Einrichtung in Anspruch, die erste gewesen zu sein, die Tanzveranstaltungen regel-mäßig und vor allem öffentlich angeboten hat. »Wir

wollen Demenz doch enttabuisieren, deshalb muss das einfach in der Öffentlichkeit passieren«, sagt Kleinstück. Seit dem Welt-Alzheimertag im Septem-

ber 2007 bittet das Demenz-Servicezentrum ge-meinsam mit einer Tanzschule monatlich zum

Tanz. Alzheimerkranke verlieren ihr kognitives Ge-dächtnis, die sinnliche Wahrnehmung aber bleibe er-halten, sagt der Krankenpfleger, Sozialarbeiter und Betriebswirt Kleinstück. Sie spürten es, ob sie etwa im umgeräumten Speisesaal des Seniorenheims tanzen oder in einer neuen Umgebung.

Etwa 30 bis 40 Besucher, so Kleinstück, drehen sich in Köln regelmäßig zu den Klängen alter Schlager. Tanzlehrer Hans-Georg Stallnig hat für diese Nach-mittage ein spezielles Programm entwickelt. Los geht es immer mit einem Walzer, gefolgt von Swing, Step und Rock ’n’ Roll. Dazu gebe es ein Schlager-Quiz. Wer dabei am erfolgreichsten ist, sagt Kleinstück, wird von Stallnig zu einem Rock ’n’ Roll auf die Tanzfläche gebeten. Mit einem Tanzkurs sind die Veranstaltungen dennoch nicht zu verwechseln. Zwar werden auch immer wieder einfache Schrittfolgen gezeigt, im We-sentlichen aber tanzen die Besucher die Schritte, die sie in früheren Jahren abgespeichert haben. Denn wer in jungen Jahren keinen Spaß am Tanzen hatte, wird es im Alter wohl nur in Ausnahmefällen versuchen.

raus aus der isolationIn Wiesbaden sitzt Herbert Küttner an einem der lan-gen Tische. Der 81-Jährige verschnauft ein wenig und sieht zu, wie seine Frau Lieselotte mit Tanja Kadesch tanzt, eine der Ehrenamtlichen, die für das Diakoni-sche Werk wöchentlich eine Nachmittagsbetreuung für Demente anbieten. Die 86-jährige Lieselotte lä-chelt, hält die junge Betreuerin an beiden Händen und dreht sich mit kleinen Schritten im Kreis. »Früher ha-ben wir viel getanzt«, erinnert sich Herbert Küttner,

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»jetzt freuen wir uns über diese Gelegenheit.« Er be-treut seine kranke Frau seit zehn Jahren. Was früher war, das weiß sie sehr gut, was erst kürzlich geschehen ist, bleibt in ihrem Gedächtnis nicht mehr haften.

Auch Herbert Küttner ist 24 Stunden am Tag für seine Frau da. Die kurze Abwechslung beim Tanz-Café genießt er und ist sicher, dass auch seine Frau sie mag. Ein Blick in ihr entspanntes Gesicht bestätigt seine Worte. Kranke und Angehörige sollen gemeinsam schöne Erlebnisse haben, betont Ursula Frühauf. Vor allem die Angehörigen könnten ihre kranken Partner – wenigstens für kurze Zeit – einmal nicht als Belas-tung empfinden, sondern entdecken, dass es noch et-was gibt, was sie gemeinsam erleben können, erklärt die Gerontologin.

Durch die Krankheit ihrer Partner leben viele ge-sunde Angehörige sozial isoliert. Gesellschaftliche Ak-tivitäten werden nicht mehr angenommen, Scham über den Zustand des Partners oder Überforderung durch die Betreuung fesseln sie an das eigene Wohnzimmer. Beim Tanz-Café, so Frühauf, kann das aufgehoben werden. Die Angehörigen könnten Kontakte zu ande-ren Betroffenen knüpfen und gemeinsam mit ihren Partnern ein wenig Gemeinschaft in unbeschwerter At-mosphäre erleben. Denn ebenso wie sich die Anspan-nung der Angehörigen auf die Kranken übertrage, spürten diese auch die Entspannung. Deshalb soll es in den kommenden Jahren mehr Tanzveranstaltungen geben.

Der Spaß steht auch in Köln im Vordergrund. Zwar aktiviert die Kombination von Bewegung, Emotion

und geistiger Tätigkeit verschiedene Hirnregionen und kann das Fortschreiten der Krankheit verlangsamen, aber vor allem müssen sich die Tanzenden wohl füh-len. Ansonsten, sagt Stefan Kleinstück, werden keine positiven Gefühle geweckt.

Tanzen fordert viele Kompetenzen, sagt Hans Gutz-mann, Leiter der Klinik für Psychiatrie und Psycho-therapie am Krankenhaus Hedwigshöhe in Berlin. Das reiche von der sozialen Interaktion bis zum Trainieren des Gleichgewichts. Wer gut im Gleichgewicht sei, stürze auch weniger – ein weiterer Vorteil des Tanzens. Generell sei die Verzögerung des Krankheitsverlaufs zurzeit noch das Ziel bei der Alzheimertherapie. Und das sei mit Tanzen durchaus möglich, fügt Gutzmann hinzu. Von einem positiven Stimulationseffekt durch langsamen Walzer und Co. werde wissenschaftlich ge-sehen inzwischen ausgegangen.

Maria Heck ist selig. Fröhlich steht sie mit ihrem Mann am Tisch und schunkelt gemeinsam mit ihm und anderen Gästen zum Ohrwurm »Auf der Reeper-bahn nachts um halb eins«. »Heute Abend sind wir sicher kaputt«, sagt sie lachend, »aber das macht gar nichts.«

rENATE HAllEr ist redakteurin der »Evangelischen Sonntags-Zeitung«

in frankfurt am Main.

durch den Tanz knüpfen Menschen Kontakte

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Eine Untersuchung in Heidelberg zeigte beach-tenswerte Erfolge bei leicht bis mittelschwer an Demenz erkrankten Patienten. In einer der

weltweit größten Untersuchungen in diesem For-schungsbereich konnte durch ein intensives, dreimo-natiges Training eine Steigerung von 30 bis 50 Pro-zent an Kraft und motorischen Fähigkeiten wie Ge-hen und Aufstehen erzielt werden. Die Psyche und die Fähigkeiten der Wahrnehmung der Umwelt wurden durch das körperliche Training wesentlich verbessert, was auch in der Nachbeobachtungsphase noch an-hielt.

Spezielles training hilftBesondere Bedeutung für den Erfolg hatte ein Trai-ningsansatz, der speziell auf die Demenzkranken abge-stimmt war. Die Ergebnisse dieser Studie weisen da-raufhin, dass auch Demenzkranke wirkungsvoll be-handelt werden können.

Auffällig sind die Verbesserungen in den Fertig-keiten Wahrnehmung, die typisch für demenziell Er-krankte sind. Hier sind vor allem Fähigkeiten zu nennen, zwei verschiedene Aufgaben im Blick zu be-halten und auszuführen. Solche Defizite treten im Krankheitsverlauf früh auf und verringern wichtige motorische Fähigkeiten wie zum Beispiel Gehen dras-tisch um bis zu 50 Prozent. Das schränkt den Alltag

von Demenzkranken massiv ein und führt zu einer hohen Sturzgefährdung. Das erfolgreiche Training dieser Leistungen, die bislang als nicht trainierbar galten, stellt einen wichtigen Schritt dar. Geistige und körperliche Fähigkeiten werden zusammen trainiert. Die Forschungsergebnisse werden derzeit in die Pra-xis überprüft. Bislang existieren kaum Richtlinien zum Training bei Demenz-Patienten und zur Ausbil-dung von Trainern. Langfristiges Ziel ist die Etablie-rung eines demenz-spezifischen Trainingsangebots in der Übungsleiterausbildung auf nationaler Ebene, wie auch in Ausbildungseinrichtungen der Pflege und Therapie.

Um ein Heimtraining zu ermöglichen, wurde von der Forschungsgruppe am Bethanien-Krankenhaus ein Internetportal zum Thema »körperliches Training – Aktivierung bei demenzieller Erkrankung« entwickelt und eröffnet, welches eine kostenfreie, animierte Trai-ningsanleitung, Selbsttests zur motorischen Leistung, Hintergrundinformationen und Querverweise zum Thema Demenz anbietet.

Aktuelle Modellprojekte: Bewegung hilft bei demenzdemenz schränkt das leben massiv ein. Betroffene erleiden deutliche Begrenzungen ihrer Beweglichkeit und zeigen ein extrem hohes Sturzrisiko. In Heidelberg wurde geforscht, was für ein Training hilft. der Heidelberger Sportwissenschaftler und Biologe Klaus Hauer zeigt auf, wie geistige und körperliche fähigkeiten zusammen trainiert werden können.

forschungen ergaben, dass auch Bewegungs- und Krafttraining demenz-patienten helfen. foTo: KlAuS HAuEr

Privatdozent Dr. klaus hauer ist leiter der forschungsabteilung am Bethanien-Krankenhaus/ geriatrisches Zentrum am Klinikum der universität Heidelberg. für seine wegweisenden Arbeiten im Bereich der medizinischen versorgung älterer Menschen ist er mehrfach ausgezeichnet worden.

www.bewegung­bei­demenz.de

zur PErSon

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Titelthema: Leben mit Demenz ::: 7Wort auf den Weg ::: 7

Unsere Freundin ist spastisch gelähmt und kann sich seit Jahrzehnten nur im Rollstuhl fortbe-wegen. Dazu ist ihr Sprechen schwer verständ-

lich. Während des Dritten Reiches versuchten die Na-zis, sie nach Grafeneck zu bringen. Dort wollten sie das Mädchen als »lebensunwertes Leben« ermorden. Sie nannten das beschönigend »Euthanasie, was auf Deutsch so viel heißt wie »schöner Tod«. Der Vater des Kindes ahnte, was ihr dort bevorstand. Standhaft wei-gerte er sich, dies zuzulassen und zog es vor, seine Tochter in einem primitiven Handwagen durch das Dorf zu ziehen. Auf diese Weise blieb sie vor der Tö-tungsmaschinerie des Nazi-Terrors bewahrt und überlebte das »Dritte Reich«.

Heute wohnt sie in einem Heim in der Nähe von Stuttgart. Auf dem Grundstück dieses Heimes befindet sich ein Denkmal. Es ist ein v-förmig gespaltener Granitblock. In den Spalt sind Glasschei-ben eingelassen, auf denen die Namen vieler ermorde-ter Menschen mit Behinderungen und ihr Geburts- und Sterbedatum eingeschrieben sind. Es ist ein zu-tiefst bewegender Anblick. Unsere Freundin bat uns, die Rückseite des Denkmals zu betrachten. Dort war ein Stein in den Boden eingelassen mit der Aufschrift: »Dennoch ist vor Gott keiner vergessen.« Das war wohl der bewegendste Augenblick unseres Besuches. Ich fragte unsere Freundin, ob sie den Spruch ausge-wählt habe. Sie nickte unter Tränen. Niemand ist ver-gessen, die Opfer nicht, und die Täter auch nicht. Gott bewahrt ewig in seinem Gedächtnis auf, wer unter wem gelitten hat. Er vergisst niemanden.

irgendwann schweigt unsere ErinnerungMenschen hingegen vergessen manchmal allzu leicht. Vielleicht kennt man noch Namen, aber die Gesichter dazu nicht mehr. Vielleicht kennt man noch die Ge-sichter, aber die Namen sind vergessen. Vielleicht er-

innert man sich noch an eine Reise, aber die Einzel-heiten sind durch das durchlässige Netz des löcherigen Gedächtnisses gefallen. Was man Böses getan und ver-ursacht hat, vergisst man am liebsten. Auch der Alltag ist vom Vergessen betroffen. Als Kind schon warfen mir meine Eltern Vergesslichkeit vor. Sie hat sich bis heute gehalten. Ich glaube nicht, dass sich diese unan-genehme Eigenschaft noch einmal verbessert. Ganz im Gegenteil. Spätestens im Sterben werde ich alles ver-gessen, was ich je erlebt habe, im Guten wie im Bösen. Man kann den Tod als das radikale Vergessen auffas-sen, das alle Menschen einmal trifft. Irgendwann

schweigt die Erinnerung vollständig.Doch auch hier greift die Bot-

schaft, dass vor Gott keiner vergessen ist. »Kann auch eine Mutter ihr Kind-lein vergessen, dass sie sich nicht er-barme über den Sohn ihres Leibes? Und ob sie desselben vergäße, so will

ich doch deiner nicht vergessen« (Jesaja 49,15). Dies ist zum Volk Israel gesagt; aber im Licht des Neuen Testamentes ist es gerechtfertigt, es auf jedes einzelne Leben zu beziehen. Wenn wir uns selbst vergessen, wenn andere uns vergessen, wenn wir einer völligen Vergessenheit anheimfallen – in Gottes Gedächtnis sind wir eingebrannt auf ewig, mit unserer Freude, mit unserer Trauer, unserer Gerechtigkeit und unserer Schuld. Gott ruft uns aus dem Grabe, und alles wird wieder lebendig, was wir vergessen haben, unser gan-zes Tun und Erleben. Und alles, was wir getan und er-lebt haben, wird versöhnt sein in und durch Jesus Christus.

gott erinnert sich an jeden Menschen

Wort auf den Weg ::: 7foTo

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dIEdErICH lüKENist pastor in Stuttgart-Bad Cannstatt.

Dennoch ist vor Gott keiner vergessen. Lukas 12,6

In Gottes Gedächtnis sind wir eingebrannt –

auf ewig.

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14unterwegsinfounterwegs 17/2011 ::: 14. August 2011

Was zunächst mit Pastor Eberhard Loos und einigen Mitstreiterinnen und Mitstreitern als Kanufreizeiten an wechselnden Orten in ganz Eu-ropa anfing, hat seit 1989 einen festen Standort am Falckensteiner Strand bei Kiel gefunden: Die EmKWassersportfreunde.

Einen perfekten Urlaub kann man am Falckensteiner Strand

erleben, sagt Sven Johannsen, der Vorsitzende der Wassersportfreun-de der Evangelisch-methodisti-schen Kirche (EmK). Direkt an der Kieler Förde bieten sie schon seit 23 Jahren sechs Wochen lang ver-schiedene Wassersportfreizeiten an. Über 170 Teilnehmende, in bis zu vier verschiedenen Freizeiten erle-ben hier jedes Jahr den perfekten Urlaub. Familien, Kinder und Ju-gendliche wachen jeden Morgen

mit dem Rauschen der Wellen auf, hören und erleben Geschichten von Gott, unternehmen spannende Ex-kursionen und erlernen neue Was-sersportarten wie Kajak fahren, se-geln oder surfen.

Der Zeltplatz liegt direkt am Strand und bietet genau die richti-ge Mischung aus Natur, Meer und Zeltplatz. Ziel der Arbeit ist es, Menschen mit der Liebe Gottes vertraut zu machen. Die Wasser-sportfreunde haben entdeckt, dass sich christliche Inhalte ideal mit dem Erlebnis Wassersport verbin-den lassen: Teamwork, Selbsterfah-rung, Spaß und das Übernehmen von Verantwortung vermitteln und vertiefen die Botschaft von Gottes-liebe und Nächstenliebe.

Durch die ehrenamtliche Arbeit der über 80 Mitarbeitenden, die nicht nur ihre Ferien spenden, ist

diese Arbeit über das gesamte Jahr und in der Saison erst möglich. Auch die vielen Gebete und Geld-spenden des Freundes- und des neuen Förderkreises sind eine gro-ße Unterstützung.

Die Wassersportfreunde setzen auf gut geschultes Personal und hohe Qualität im Wassersport. So gibt es eine eigene Wasserwacht mit ausgebildeten Rettungs-schwimmern. Ausbildungen wie JuLeiCa (Jugendleitercard) und Fortbildungen in den verschiedens-ten Bereichen werden nicht nur auf den Vorbereitungstreffen angebo-ten, sondern bilden ein ganz neues Freizeitangebot. Aber Exkursionen rund um Kiel, Fahrradtouren, Ge-ländespiele, Beachpartys oder an-dere typische Zeltlagerangebote runden das Angebot ab.

www.wassersportcamp.de

Wind, Sonne und Meer. Am falcken steiner Strand kann man hervorragend Wassersport treiben.

Mit dem rauschen der Wellen aufwachen

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unterwegs info ::: 15

unterwegs 17/2011 ::: 14. August 2011

persönlich

TErMINE

Frankfurt am Main ::: EmK Christus kirche, Merianplatz 13, 20. August, 19 uhr, Konzert für alle, Sopranistin ute Bolz- fischer mit ihren gesangs-schülerinnen und -schülern, begleitet von pianistin Tatjana Jurayeva. Informationen unter www.emk-frankfurt.de

ruNdfuNK

im internet

radio m kompakt: podcast- Magazin – engagiert. radio m im gespräch: podcast-gespräche über den glauben. radio m themen: Berichte und reportagen. radio m Andachten: Kostenlos zu abonnieren:www.radio-m.deradio m bei klassik radio(bundesweit) Andachten »Carpe diem«:22. bis 27.8., kurz nach 6 uhr:mit Anja Kieser;Sonntagsmagazin »Klassik und Kirche«: sonntags, 7–8 uhr: mit Anja Kieser.

radio ArEF – sonn- und feiertags von 10-12

uhr. www.aref.de und uKW 92,9 MHz (großraum Nürnberg)

ErFJeden donnerstag,

20 uhr, Bilanz, mit Horst Marquardt.16.8., 6.20 uhr, Wort zum Tag, mit Harald Stein. 17.8., 21.30 uhr, Macht und ohnmacht eines Einzelnen, mit Horst Marquardt.27.8., 21.30 uhr, Worte haben Wirkung, mit Kurt Scherer

MDr Figaro21.8., 10–11 uhr, gottesdienst aus der friedenskirche Chemnitz, mit Christhard rüdiger.21.-27.8., 6.05 uhr, Wort zum Tag, mit dr. ulrich Meisel.

radio Sachsen­Anhalt21.–26.8., 5.50 und 9.50 uhr, 27.–28.8., 6.03 und 9.03 uhr, an(ge)dacht - Wort zum Tag, mit dr. ulrich Meisel.

radio thüringen22.-26.8., 22.57 uhr, gedanken zur Nacht, mit Sebastian und Johanna ringeis.

AufgENoMMEN

Altdorf ::: am 24. Juli Judith Hermann (25) und dr. Stefanie Saleth (41).berlin­Friedenau/Schöneberg ::: am 24. Juli Kyung Suk Weber (62).bodelshausen ::: am 24. Juli Monica Bohland, Jürgen Bohland, Ilse Zolg, Christoph Zolg und Michael Binder.crottendorf ::: am 12. Juni Josefine geng (23).Dusslingen ::: am 17. Juli Tobias Jäger und valentin grau. Leingarten ::: am 17. Juli Susanne frenz, renate Schnabel und Martin Schnabel.Mössingen ::: am 24. Juli Mirjam dauner, Annika Jäger, Brigitte pfarr und Ted reimel. Sindelfingen ::: am 17. Juli Walter Walker (83), Cornelia Sattler (52) und Jörg dieter Notter (43).Stuttgart­Feuerbach ::: am 31. Juli Carola Just (35).tuttlingen/trossingen ::: am 10. Juli Marlen Schmidtmann (19).

uhingen­Ebersbach ::: am 24. Juli Andrea Kreis (40).ulm ::: am 3. Juli Boris Koch (31) und lioudmila Kokonowskyj (45).Villingen ::: am 26. Juni Johannes Meyer (34).

WIr grATulIErEN

Eppingen ::: Emmy und dieter Herrmann zur goldenen Hochzeit.kirchberg/Wilkau­haßlau ::: Johanna Schröpfer zum 100. geburtstag.Leonberg ::: Helmut reinhardt zum 90. geburtstag.nürtingen ::: luise Schweizer zum 90. geburtstag.reichenbach ::: Irmgard und Siegfried Biedermann zur diamantenen Hochzeit.reutlingen ::: ruth und Hans Straub zur goldenen Hochzeit.Schönheide ::: Sieglinde und Eberhard Männel zur goldenen Hochzeit; Elfriede und Claus Schlesiger zur goldenen Hochzeit.

Sindelfingen ::: Hermann gerlach zum 90. geburtstag.treuen ::: gudrun und friedhold Bachmann zur goldenen Hochzeit; Marianne Bär zum 90. geburtstag.ulm ::: ursula und Karl-Heinz Hopp zur goldenen Hochzeit.unterheinsdorf ::: Maria und Werner Künzel zur goldenen Hochzeit.zschorlau ::: Helga und frieder pretzsch zur goldenen Hochzeit.

HEIMgEg ANgEN

Asperg ::: rosa Mack am 11. Juli, 100 Jahre.besigheim­ottmarsheim ::: ruth Müller am 9. Juli, 77 Jahre.Delmenhorst ::: Erna Bleckwehl am 18. Juli, 91 Jahre.Dresden­Friedenskirche ::: Christa Kunde geborene Martin am 16. Juli, 89 Jahre.hamburg­bethanien ::: diakonisse Inge Baaß am 12. Juli, 91 Jahre.

wowannwas

kirchberg/Wilkau­haßlau ::: Hildegard patzig am 23. Juli, 92 Jahre.kleinschmalkalden ::: Ilse Münch geborene Schüssler am 19. Juli, 79 Jahre.Laichingen ::: Manfred Sommer am 18. Juli, 78 Jahre.München­Erlöserkirche ::: lilo Täuber am 1. Juli, 69 Jahre.München­Friedenskirche ::: Anneliese Meinhold am 7. Juli, 87 Jahre.nürnberg­Paulusgemeinde ::: Christine Weigel am 29. Juli, 59 Jahre.rommelshausen ::: Erwin Eisele am 5. Juli, 76 Jahre.tübingen ::: Karl-friedrich otto am 16. Juli, 67 Jahre. Waiblingen/Öhringen ::: lieselotte Bläsing geborene Wibbing am 31. Juli, 88 Jahre.Werdau ::: dora Neukamm am 24. Juli, 79 Jahre.Wuppertal­Elberfeld ::: Hans lembcke am 15. Juli, 91 Jahre.

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Pflege wird bei uns kein Problem«, sagte sich Rosi Hennig mit 50. Mit erwachsenen Kindern, einem engagierten Ehemann und viel Platz im Mehrfa-

milienhaus war sie sich sicher: »Ich pflege meine Mut-ter bis zuletzt.« Im Erdgeschoss wartete die altenge-rechte Wohnung, in ihrer Stadt gibt es Nachbarschafts-hilfe und Pflegedienste, die Verwandten sagten ihre Unterstützung zu.

Mit Ende 40 entschloss sich der Journalist Dr. Rein-hard Abeln, seine Mutter zu pflegen. »Die Oma war eine Riesenstütze, als unsere Kinder klein waren«, sag-te er sich, »jetzt, da sie die 80 überschritten hat, sind wir eben für sie da.« 25 Jahre sind seitdem vergangen – die Abelns lösen das Versprechen noch immer ein, Tag für Tag, Nacht für Nacht. Die Mutter ist nun 106 Jahre alt.

Für Margit Winkler, 48, war das Thema Pflege bis vor wenigen Jahren nur beruflich präsent. Als gelernte Bankkauffrau, heute unabhängige Finanzfachfrau und Fachautorin rund ums Geld wusste sie um die Bedeu-tung finanzieller Vorsorge. Doch vor zwei Jahren be-kam ihr Mann während der Arbeit Sprachstörungen, kam als Notfall in eine Klinik. Und Pflege wurde quasi über Nacht ihr Alltag.

»Per Telefon bekamen wir von den Ärzten die schreckliche Diagnose«, erinnert sich Margit Winkler. »Er hatte ein Glioblastom, einen nicht heilbaren Hirn-tumor. Wochen, höchstens Monate, sagten sie. Keine

Hoffnung. Keine Zukunft.« Margit Winkler und ihr Mann trafen alle notariellen Vorkehrungen: Testa-ment, Patientenverfügung, Vorsorge- und Betreuungs-vollmacht. »Danach taten wir am liebsten so, als sei alles normal. Wir wollten es einfach nicht wahrhaben«, berichtet sie. Sie reisten, feierten, aßen gut, redeten viel; Margit Winkler arbeitete fast nur noch von zu-hause aus, um für Mann und Kinder da sein zu kön-nen. »Nach langem Abwägen entschied sich Norbert für ein Hospiz. Mir war es wichtig, dass seine Zeit so selbstbestimmt wie möglich ist«, berichtet sie.

Selbstbestimmt bis zum Schluss Ein Jahr nach der Diagnose starb er in den Armen sei-ner Frau. Heute sagt sie: »So schwer es war, ihn zu verlieren, so war es doch ein Trost, zu sehen: Mein Mann verabschiedet sich so, wie er es wollte. Immer wieder lerne ich Familien kennen, bei denen lief es ganz anders.« Da hatte der Patient keine Vollmachten erteilt, keine Versicherung abgeschlossen, nichts ange-spart. »Die Zeit der Krankheit, Sterben und Trauer ist für alle Beteiligten eine schwere Zeit«, meint Margit Winkler heute und: »Es bricht einem das Herz, wenn sich Kinder dann noch um Pflegekosten streiten oder darüber diskutieren, dass der Patient das so nicht ge-wollt hätte.«

Rosi Hennigs Herz wurde schwer, als sie erkannte: Die Mutti ist nicht mehr die bildungshungrige, kreati-

Spagat über generationenWenn partner oder Eltern wie Kinder werden, gerät das leben zunächst aus dem rhythmus. petra plaum stellt frauen und Männer vor, die ihre Angehörigen pflegen. Sie erzählen von den Nöten und den freuden im pflegealltag.

interviewPastor norbert rose ist Seelsorger im bethesda Seniorenzentrum in Wuppertal und bildet Angehörige zum thema »Leben mit dementiell erkrankten Menschen« aus.

Was raten Sie Menschen, die ihre Angehörigen pflegen?norbErt roSE: Ich mache Angehöri-gen immer wieder den verlauf der Krankheit klar: die patienten müssen rund um die uhr betreut werden. Sie verlieren den Tag-Nacht-rhythmus und das Zeitgefühl, es besteht flucht- und verletzungsgefahr. Manche sind dabei lieb und glücklich, andere wer-

den aggressiv. In der regel halten Angehörige die pflege nicht durch.

Viele, gerade Christen, sagen: Ich kann doch meine Eltern nicht abschieben.norbErt roSE: Christen leiden aber auch darunter, wenn ein vorher sehr frommer alter Mensch plötzlich an-züglich wird oder flucht, wenn man ihn quasi verstecken muss. und der rückzug der ganzen familie, der oft auf eine demenz folgt, verstärkt die Tendenz zu depressionen, die mit der demenz einhergehen. doch nichts ist gewonnen, wenn man sich aufopfert.

Solange Pflege zuhause klappt – was hilft den Angehörigen?norbErt roSE: den Krankheitsver-

lauf zu kennen und zu verstehen. Zu wissen, der alte Mensch verändert sich, weil sein gehirn sich verändert – nicht, weil er es will oder weil die pflegenden Angehörigen etwas falsch machen. vielen hilft die Möglichkeit, Informationen zu dementiellen Er-krankungen zu sammeln und sich mit anderen zu vernetzen. In Selbsthilfe-gruppen darf jeder offen sein, gefüh-le äußern wie: »Ich kann meine Mut-ter nicht mehr ertragen« – die anderen verstehen das. grundsätzlich kann jeder, der pflegt, froh sein, wenn er nicht allein ist. und gönnen Sie sich stundenweise Auszeiten von der pflege. Nehmen Sie sich Zeit nur für sich und tun Sie dinge, die für Sie Kraftquellen sind.

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Titelthema: Leben mit Demenz ::: 17

ve Person, die sie jahrzehntelang gewesen war. »Als 1996 die letzte ihrer drei Schwestern starb, baute mei-ne Mutter ganz schnell ab«, sagt sie rückblickend. »Der Arzt hatte Jahre vorher schon von Alzheimer ge-sprochen, wir winkten ab. Doch dann passierten im-mer mehr Sachen ...« Die Omi, die bis in die USA ge-reist war, fand ihren Friseur nicht mehr. Eines Nachts fiepte es unerträglich laut in der Wohnung der Enkelin, die mit im Haus lebte – die Omi hatte ihr Hörgerät dort in einem Blumentopf vergraben. Immer häufiger suchte die Seniorin den Streit mit ihrer Tochter, dann wieder jammerte sie: »Ich werde heute sterben.« 1998 erklärte die Seniorin plötzlich stolz: »Ich habe mir ei-nen Platz im Pflegeheim gesucht!«

»Wenn ich meine Mutter ins Heim geben müsste, wäre das ihr Tod«, sagt Reinhard Abeln bestimmt. »Sie selbst sagt, der Herrgott hat mich wohl verges-sen.« Was er erzählt, ist die Geschichte eines einge-spielten Teams. »Mutter lebt nach der Uhr. Sie schläft, isst, lebt nach der Uhr, und wir richten uns auf sie ein.« Seit sowohl er als auch seine Frau im Ruhestand sind, geht das einfacher. Obwohl: »Als Paar etwas unterneh-men, etwa den Gottesdienst besuchen – das geht nicht. Einer muss bei Mutter bleiben.«

Auszeit muss seinAußer dem Glauben und einem gewissen Grund-Prag-matismus findet Abeln Folgendes unverzichtbar in Pflegejahren: »Auszeiten. Ich brauche zum Beispiel Zeit zum Schreiben meiner Bücher und um Vorträge zu halten, meine Frau töpfert und widmet sich den Enkeln. Da entlasten wir uns gegenseitig.« Er macht Menschen, die nicht (lange) pflegen können, keinen Vorwurf: »Ohne meine Frau würde ich das nicht

schaffen. Wenn ich krank würde, könnte ich das nicht schaffen. Ob man miteinander klarkommt, hängt auch immer von der zu pflegenden Person ab.«

Davon kann Rosi Hennig ein Liedchen singen. »Wir versuchten uns zu entlasten, holten eine Hilfe ins Haus, aber meine Mutter schickte sie heim. Den Pflegedienst und die Tagespflege wollte sie auch nicht. Sie war sehr eigen in allem. Und sie wurde immer unsicherer, wenn sie an der Straße war, an Treppen ... ich bekam Angst um sie und um ihre kleine Urenkelin, die mit im Haus aufwuchs. Ich schlief immer schlechter. Irgendwann konnte ich nicht mehr.« 2001 zog ihre Mutter in das von ihr ausgesuchte Seniorenheim neben ihrer gelieb-ten Kirche.

Dass die Wahl der alten Dame keine gute gewesen war, zeigte sich, als sie eines Nachts im Nachthemd aus dem Heim ausbrach. »Danach war sie eingeschlossen – im Nachhinein weiß man, man hätte nach einem auf dementielle Erkrankungen besser vorbereiteten Heim gucken sollen«, ärgert sich Rosi Hennig. Es folgen drei Jahre des Abschiednehmens. Mit täglichen Besuchen – wobei die Omi immer öfter den Pflegerinnen ver-mittelte: »Mich besucht eh keiner.« Mit Gesprächen, mal verworren, mal klar, und mit Spaziergängen. Man weinte und lachte gemeinsam, war sich nah bis zuletzt. »Ein Schuldgefühl bleibt«, sagt Rosi Hennig, »doch ich stehe dazu, es ging nicht mehr.«

Margit Winkler hat ihre Erfahrungen zu einem Fachbuch verarbeitet. »Wir, die mittlere Generation, und die reife Generation sollten offen über das Thema Pflege reden«, sagt sie. »Wir haben mit den Kindern unseren Plan gemacht und die offenen Gespräche ha-ben uns auch gutgetan.« Wie vieles eben nicht planbar ist, das weiß sie ganz genau. fo

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über pflege sollten ältere Menschen mit ihren Kindern und Angehörigen dann reden, wenn sie noch fit genug sind, Entscheidungen zu treffen.

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Was ist eigentlich Demenz? Was zeichnet sie aus? uLrikE StunkAt: Bei der Demenz handelt es sich um einen Abbau der geistigen Leistungsfähigkeit mit zu-nehmenden Verwirrtheitszuständen, Orientierungsver-lusten des gewohnten Umfeldes der Menschen um ei-nen herum bis hin zum Verkennen der eigenen Per-sönlichkeit. Man muss es sich vorstellen, dass das Gehirn ein Puzzle ist und durch die Demenz fehlen einzelne Puzzle teile, sodass das Gesamtverständnis gestört ist, Sachverhalte einen anderen, neuen Sinn bekommen, dass sich der Demenzerkrankte in seiner aktuellen Le-benssituation nicht zurecht findet, zeitweise in der Ver-gangenheit lebt.

Was muss man tun, wenn man bei einem Angehörigen oder bei sich selbst Demenz vermutet?uLrikE StunkAt: Ich empfehle eine konkrete Diagno-sesicherung, keine Tabuisierung, wie sie leider oft ge-lebt wird. Viele Menschen verdrängen die ersten An-zeichen eines Gedächtnisverlustes, wollen dies nicht wahrhaben. Ein Arztbesuch kann wesentlich zur Klä-rung weiter helfen. Es gibt verschiedene Testverfahren, mit denen der Schweregrad einer Demenz eingestuft werden kann. Ebenso dient das Hinterfragen der bis-herigen Lebensgewohnheiten dazu, einen eventuell Flüssigkeits- oder Vitamin (B12-) Mangel festzustellen, der behoben werden kann.

Nehmen Sie Kontakt zu Selbsthilfegruppen und zu Pflegeberatungsstützpunkten auf. Es gibt Tagesbetreu-ungsangebote für dementiell erkrankte Menschen, wo eine gezielte, individuelle Beratung und Betreuung stattfinden kann. Diese Angebote sollten sich die Be-troffenen und Angehörigen anschauen und nutzen, denn sie stellen eine große Entlastung dar, die für die

Angehörigen von großer Bedeutung ist! Ebenso kann man sich bei ambulanten Pflegediensten, Seniorenein-richtungen, Krankenhäusern, Sozialdiensten und Krankenkassen / Pflegekassen informieren.

Wie sollen Gemeinden mit Demenz umgehen? uLrikE StunkAt: In jeder Gemeinde wird es dementiell Erkrankte geben, ebenso wie im öffentlichen Leben. Der offene Umgang damit ist wichtig, um auch in der Gemeinde einen würdevollen, mitfühlenden, christli-chen Umgang miteinander zu pflegen.

Es ist ganz wichtig, dass die Betroffenen ebenso wie Menschen mit Behinderungen integriert werden. Er-gänzend können Gemeinden Tagesbeschäftigungen anbieten: Gemeinsames Singen und Musizieren, Ko-chen und Backen, Ausflüge unternehmen, Hausbesu-che anbieten. Die Gemeinde sollte eine große Toleranz aufbringen, insbesondere bei auffälligem Verhalten während der Gottesdienste.

Wie können Gemeinden die Angehörigen unterstüt-zen?uLrikE StunkAt: Bemitleiden ist wenig hilfreich, eher belastend. Die Gemeinden können durch Gebete hel-fen und effektiv durch reelle Hilfsangebote unterstüt-zen: Die Betroffenen besuchen, mit anpacken, den An-gehörigen Zeit schenken, damit diese etwas Gutes für sich tun können, um den Kopf frei zu bekommen und Kraft zu sammeln.

Welche Herausforderungen gibt es in der Pflege durch die Demenz?uLrikE StunkAt: Es bedeutet einen hohen Zeitauf-wand, den Pflegende oft nicht leisten können. Pflegen-de benötigen viel Geduld und Verständnis, ein hohes Maß an Einfühlungsvermögen und kommunikative Kompetenz. Demenzerkrankte Menschen wollen oft ihre Medikamente nicht einnehmen, lehnen Hilfsange-bote ab, fühlen sich unverstanden und reagieren ag-gressiv. Dieses aggressive Verhalten kann eine Gefähr-dung für die Pflegenden darstellen. Menschen mit De-menz haben einen hohen Bewegungsdrang, laufen zu erlebten Ereignissen der Erinnerung hin. Hierbei kann es zu Stürzen und Unfällen mit Folgen kommen. Man-che Demenzerkrankte werden depressiv und ziehen

Einen mitfühlenden, würdevollen umgang pflegendemenz ist eine Krankkeit, die viele Ängste auslöst. Erste Anzeichen dieser Krankheit werden schnell verdrängt. Tabuisierung aber hilft nicht, sagt ulrike Stunkat, die selbst pflegekräfte ausbildet. Was hilft, sind eine konkrete diagnose und die Wahrnehmung von Hilfsangeboten. Auch gemeinden sind durch demenz neu gefordert. Mit ulrike Stunkat sprach Michael putzke.

ulrike Stunkat (44) ist examinierte Krankenschwester und fachlehrerin im gesundheitswesen.Sie unterrichtet an der gesundheits- und Krankenpflegeschule des pius-Hospitals in oldenburg.

zur PErSon

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Eine gesunde Ernährung kann vorbeugend gegen demenz sein.

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Titelthema: Leben mit Demenz ::: 19

Einen mitfühlenden, würdevollen umgang pflegen

sich zurück bis hin zur so-zialen Isolation. Pflege muss kreativ sein, um diese Menschen anzusprechen, zu be-rühren und für das Leben zu begeistern.

Wie sieht die Gesetzeslage aus, was die Seniorenheime betrifft? Was kann man an Unterstützung dort erwar-ten?uLrikE StunkAt: Bei Einstufung eines an Demenz er-krankten Menschen in einer Pflegestufe gibt es eine Finanzierungshilfe für die Pflege. Meiner Meinung nach reichen die finanziellen Mittel jedoch nicht aus, so dass die Angehörigen eine wesentliche Säule in der Betreuung darstellen. Die Vorgaben durch die Gesetz-gebung sind zu eng bemessen. Die Senioreneinrichtun-gen spezialisieren sich zunehmend auf die Betreuung von Demenzkranken. Es gibt »Dementenstationen«, wo die Betroffenen einen geschützten Raum bekom-men, ihrem Bewegungsdrang zum Beispiel in Rund-wegen in Kräuter- oder Sinnesgärten nachgehen kön-nen, ohne durch eine »chemische Medikamentenkeu-le« ruhiggestellt zu sein. In diesen Wohnbereichen le-ben die Menschen ihren Alltag zusammen. Sie kochen und unternehmen etwas gemeinsam, und werden indi-viduell angeregt. Die Pflegenden gehen fachgerecht mit den Menschen um, sie leben Wertschätzung, Empathie, Echtheit und Kongruenz und kommunizieren in dieser Weise mit den Betroffenen. Die Personalbesetzung ist auf diesen speziellen Stationen besser als auf den her-kömmlichen Wohnbereichen.

Wie hat sich die Ausbildung der Pflegekräfte durch die Demenz verändert?uLrikE StunkAt: In der Ausbildung der Altenpflege findet das Thema Demenz schon seit vielen Jahren ei-nen großen Stellenwert. Aufgrund des demographi-schen Wandels werden ebenso diese Inhalte in der Aus-bildung der Gesundheits- und Krankenpflege immer stärker aufgenommen und richten sich auf den geziel-ten Umgang mit Demenzerkrankten aus. Ein Teil der praktischen Ausbildung erfolgt neben dem Einsatz im Krankenhaus sowohl in der Ambulanten Pflege als

auch in Senioreneinrichtungen statt. Die Auszubildenden lernen die Bio-

graphiearbeit mitsamt individuellen Be-treuungsangeboten kennen, wie z.B. die 10-Mi-

nuten-Aktivierung zu einem Thema, die Basale Stimu-lation und die Validation als Schwerpunkt im Bereich der Kommunikation. Diese Inhalte werden im Theo-retischen Unterricht vorbereitet und geübt. Diese Ent-wicklung finde ich positiv und notwendig, jedoch herrscht leider in vielen Pflegeeinrichtungen Personal-mangel. Die politischen Instanzen müssten sich hier vermehrt engagieren!

Haben Sie selbst Angst vor der Demenz? uLrikE StunkAt: Ich muss diese Frage mit »Ja« beant-worten. Ja, ich habe Angst, diesen Abbau bewusst mit-zubekommen und zu erleben, wie sehr man von ande-ren Menschen abhängig wird. Auf fremde Hilfe ange-wiesen zu sein, den anderen zur Last zu werden und dem Willen der anderen »ausgesetzt« zu sein, eventuell aus dem gewohnten Umfeld heraus zu kommen, das finde ich beängstigend.

Was kann man tun, um Demenz zu verhindern?uLrikE StunkAt: Als Vorbeugung sehe ich eine gesun-de Lebensweise, eine ausgewogene Ernährung, die Ver-meidung von ungesundem Stress. Das Pflegen von Hobbies und sozialen Kontakten erachte ich als wich-tig. Musizieren, lesen, Gehirnjogging und ein bewuss-ter Umgang mit Computer, Fernsehen und anderen elektronischen Medien. Ebenso beugt viel Bewegung an der frischen Luft vor und sich selbst etwas Gutes zu tun, trägt grundsätzlich der Gesunderhaltung bei. Mei-ner Meinung nach ist eine positive Grundeinstellung eine hilfreiche Basis. Der christliche Glaube kann De-menz nicht verhindern, doch er bietet eine hilfreiche Unterstützung, damit umzugehen.

In diesem Sinn wünsche ich mir, dass wir offener mit-einander umgehen und Nächstenliebe nicht nur bespre-chen, sondern praktizieren. Betroffene und Angehörige möchte ich motivieren, Hilfebedarf in den Gemeinden gezielt zu äußern und Hilfsangebote anzunehmen. fo

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::: Titelthema: Leben mit Demenz

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20 ::: gemeindeportrait

So fing es anDer Bezirk Dittersdorf entstand aus einer Bewegung des geistlichen Auf-bruchs Ende des 19. Jahrhunderts. Der Bibelverkäufer August Schmidt erlebte, dass die Menschen hier im Erzgebirge offen für die gute Nach-richt waren. In Kneipen, auf der Straße und selbst in Betrieben wur-den Bibeln verteilt und die Leute zu Bibel- und Erbauungsstunden ein-geladen. So kam es 1879 zur Grün-dung der Gemeinde und schon 1885 wurde in Dittersdorf die »Christuskirche« gebaut. Heute bilden die Gemeinden Dittersdorf und Weißbach einen Gemeindebe-zirk mit etwa 140 Personen.

Mit gott zu den Menschen gehenOb zum »Tag der offenen Tür« beim Weihnachtsmarkt auf dem Parkplatz neben der Kirche, beim Kuchenstand auf dem Kirmesplatz

zu Gunsten der Aktion »Kinder helfen Kindern«, beim

»Pyramidenanschieben« zum 1. Ad-vent oder beim Zeltgottesdienst zum Freibadfest gemeinsam mit der evangelisch-lutherischen Gemeinde – wir wollen dort sein, wo sich die Menschen unserer Orte treffen. Hier wollen wir das Evangelium weitersagen.

Stimmen aus der gemeindeDer Sonntagsgottesdienst ist uns wichtig. Eine Predigt, in der wir uns wiederfinden und zeitgemäße Lie-der sprechen uns an. Evelyn und Joachim (47)

Im Beten, Singen und Hören auf Gottes Wort spüre ich seine Nähe und seinen Segen. Das gibt mir Ge-borgenheit und Kraft für meinen Alltag. Gudrun (73)

gemeinsam unterwegs Mehr als 260 Bezirke gibt es in der Evangelisch-methodistischen Kirche in deutschland. Alle haben ihre eigene prägung. um diese vielfalt zu zeigen, stellen sich in »unterwegs« regelmäßig EmK-Bezirke vor. In dieser Ausgabe geht es nach dittersdorf.

In unserer Selbsthilfegruppe »Licht-blick« treffen sich Menschen, die zu keiner Gemeinde gehören und an ihrer Alkoholkrankheit leiden. Christina (47)

Ich freue mich, dass es in unserer Gemeinde einen Mutti-Kind-Kreis gibt. Peggy (32)

Wir schätzen es, dass in unserer Ge-meinde jeder willkommen ist. Hanna und Günther (71)

Wir sind eine Gemeinde von »Ori-ginalen«, jeder ist anders, aber jeder ist von Gott geliebt. Christina und Andreas (60)

Ich finde es super, dass es in unseren Gemeinden Menschen gibt, die noch Träume haben und die nicht nur auf den hohen Altersdurch-schnitt und die abnehmenden Glie-derzahlen schauen. Ich wünsche mir Mut für kreative Wege, damit Jesus bekannt wird. Rebekka (26)

In unserer Gemeinde gibt es oft was zu lachen, das genieße ich. Wichtig finde ich, dass wir miteinander statt übereinander reden. Manchmal ist es nur ein Missverständnis und da-raus entsteht ein falsches Bild vom Anderen. Josephine (21)

nZum Bezirk gehören die gemeinden dittersdorf und Weißbach. der Bezirk hat etwa 97 Kirchenglieder, 39 Kir-chenangehörige, 9 Kirchenzugehörige und 46 freunde.n dittersdorf und Weißbach gehören zur gemeinde Amtsberg mit etwa 4300 Einwohnern, am rande des Erzge-

birges gelegen etwa 15 Kilometer südlich von Chemnitz. n gottesdienste beginnen am Sonntag in dittersdorf um 9 uhr und um 10.15 uhr in Weißbach. Am letzten Sonntag im Monat feieren die gemeinden einen Bezirksgottesdienst im Wechsel.

www.christeninamtsberg.de

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unterwegs 17/2011 ::: 14. August 2011

2121Meine Meinung :::

Sommerloch?Eine Erscheinung des modernen medialen Zeitalters – das Sommerloch – bleibt scheinbar in diesem Jahr aus. Keine Sommerpause im Jahre 2011 für brisante Nachrichten. In politik und gesellschaft will einfach keine ruhe einziehen.die Nachrichten sind voll mit Meldungen über die verschiedensten Ereignisse in der Welt. Meist nichts gutes, womit wir Tag für Tag konfrontiert werden.

Täglich hören oder lesen wir Berichte über Attentate, Bürgerkriege, gewalt, Hungersnöte, finanzkrisen, Erfolglosigkeiten im Sport, zu viele Niederschläge und zu kühles Wetter mitten im Hochsommer. Zuletzt sahen wir Bilder von den furchtbaren Anschlägen in Norwegen, den hungernden Kindern in Afrika und Berichte von der drohenden finanzkrise in den uSA. Erreichen uns all diese negativen Nachrichten überhaupt noch?

die Bilder der Hochzeit eines fürstenpaares, die geburt eines Kindes oder die schönen urlaubsfotos unserer freunde gehören zu den erfreulichen Nachrichten und finden nachhaltig Eingang in unsere Herzen. Wir sehnen uns nach den schönen und friedvollen dingen im leben.Schaffen wir uns unser eigenes Sommerloch«?! Nehmen wir eine Auszeit von all dem, was uns täglich in Atem hält. Eine Auszeit von zuhause, um neue Städte und regionen zu erkunden, ruhe und Erholung zu genießen. daraus können wir neue Kraft schöpfen. Kinder haben ferien. familien fahren in den urlaub und freuen sich über die gemeinsame freie Zeit.

Auch ich bin gern einmal unterwegs. und auch in der fremde lese ich Zeitung, höre radio, sehe fern. das Weltgeschehen kann ich nicht anhalten, aber ich kann all die traurigen Ereignisse und alles Schöne in der fürbitte vor gott bringen, denn meine Zeit und alle Zeit steht in seinen Händen – gott sei dank.

CHrISTINA poSdZICH ist laienmitglied und rundfunkbeauf-

tragte der oJK. Sie lebt in dresden.

Was meinen Sie?Diskutieren Sie mit!www.board.emk.de

Welch ein Schatz!Fulbert Steffensky, Der Schatz im Acker. Gespräche mit der Bibel, Radius Verlag Stuttgart 2010, 208 Seiten, Paperback, 15 Euro, ISBN 978-3-87173-916-3

Die Texte von Fulbert Steffensky sind für viele Christinnen und Christen unserer Zeit wichtig. Ihre gedankliche Klarheit und ver-antwortete Menschlichkeit, ihre theologi-sche Eindeutigkeit und ihre auf das Leben gerichtete Bestimmtheit machen ihn zu ei-nem der wichtigsten Denker und Autoren der deutschsprachigen gegenwärtigen Christenheit.

Sein neues Buch enthält vierzig Gespräche mit bibli-schen Texten – vorwiegend aus dem Neuen Testament: kurz, prägnant, originell, anregend und erbauend. Die meisten brauchen nicht mehr Raum als zwei Drucksei-ten. Das macht das Buch geeignet, auch als Andachts-buch verwendet zu werden. Zu den biblischen Betrach-tungen kommen zwölf nachdenkenswerte weitere Texte zu verschiedenen Themen. Bescheiden schreibt er im Vorwort: »Ich werde wohl gelegentlich einen Knochen als Schatz anbieten... Irrtümer sind nicht ausgeschlos-sen, wo man nach der Wahrheit sucht.« Natürlich hat er mit dem letzten Satz recht, aber ich habe keinen »Knochen« gefunden. Hartmut Handt

Autorinnen, Autoren. Autorinnen, Autoren ...Raimund Fellinger, Suhrkamp, Suhrkamp. Autoren über Autoren, 508 Seiten, Paperback, 15 Euro, ISBN 978-3-518-42164-2

Da hat sich der Autor zum »Sechziger Jubilä-um« des Suhrkamp-Verlags etwas Originelles einfallen lassen: Er lässt Autorinnen und Au-toren über Autorinnen und Autoren des Ver-lages und ihre Werke schreiben. Nein, genau genommen nimmt er Äußerungen seit 1954 und stellt sie hier zusammen – und dies in al-phabetischer Reihenfolge der Beschriebenen.

Unter denen ist auch der neue Literaturnobelpreis-träger Vargas Losa, aber auch bedeutende Autorinnen und Autoren der Vergangenheit und Gegenwart. Der kürzeste Beitrag ist nur neun Zeilen lang, der längste 48 Seiten. Nun liest man ein solches Buch natürlich nicht »in einem Rutsch« durch, eher ist es eine Art Nachschlagwerk, wenn man sich mit dem Werk einer Autorin, eines Autors intensiv befassen möchte oder eines ihrer Bücher liest. Es dabei zur Hand zu haben, ist sehr willkommen. Hartmut Handt

für Sie gelesen

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::: rätsel22

Eure Hände sind voll ...

Auflösung des rätsels aus dem letzten heft 16/2011

Man merkt dieser Schrift ihr Alter von fast 270 Jahren nicht an. Die Erläuterungen sind immer noch hochaktuell und treffen in

dieser neuen Übersetzung auch heute den Ton – ermutigend und herausfordernd. Und wenn Wesley schlussfolgert, dass wir

Methodisten uns „von wahren Christen – welcher Denomination sie auch angehören – durchaus nicht unterscheiden“ kann das

nach dem Lesen dieser kleinen Schrift nur bestätigt werden. Wenn sich die Methodisten den Inhalt dieses kleinen Büchleins

zu Herzen nehmen und ihre Hand zur Gemeinschaft ausstrecken, sind sie tatsächlich „schlicht und einfach Christen“, die aber

einen großen Auftrag leben. Das zieht Kreise – garantiert.

Die außerordentlich schön gestaltete Neufassung ist anregend zu lesen. Sie gehört ins Bücherregal eines jeden Methodisten, ist ein

nettes ökumenisches Geschenk und gut geeignet zur Weitergabe, wenn wieder einmal gefragt werden sollte

„Was sind Methodisten eigentlich?“

Kennzeichen eines MethodistenWarum Methodisten schlicht und einfach Christen sind

Nach dem englischen Original von 1742 neu übersetzt und bearbeitet von Manfred Marquardt

Hrsg. vom Medienwerk der Evangelisch-methodistischen Kirche Best.-Nr.: 299.311 • 5,90 €;

ab 10 Exemplaren 4,90 €/Stück; ab 50 Exemplaren 3,90 €/Stück.

Seit jeher sind Methodisten damit konfrontiert, ihren Namen zu erklären und sich des Sekten vorwurfs zu erwehren. John Wesley hat in dieser kleinen Schrift eine noch heute aktuelle Hilfestellung gegeben.

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Anzeigen ::: 23

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unterwegsHerausgegeben von derEvangelisch-methodistischenKirche in DeutschlandLudolfusstraße 2-460487 Frankfurt am MainZeitschriftenredaktionim Medienwerk der EmK:Redaktionsleiter Volker Kiemle Stellvertretender Redaktionsleiter Michael Putzke Ludolfusstraße 2-460487 Frankfurt am MainTelefon 069 242521-150Telefax 069 242521-159E-Mail: [email protected] • Anzeigen- undAbonnementsverwaltung:Blessings 4 you GmbHPostfach 31 11 41 · 70471 StuttgartTelefon 0711 83000-51 Telefax -50Anzeigendisposition:E-Mail: [email protected] gilt der Anzeigentarif 2011.Bezugspreise:Bei Bezug über die EmK-Gemeinde:im Quartal € 13,75. Bei Direktlieferung durch die Post: jährlich € 55,– + Versandkosten.Direkt gelieferte Abonnements verlängern sich jeweils um ein Jahr, wenn bis zum 30. September keine schriftliche Kündigung vorliegt. DTP-Produktion: Grafisches Atelier Arnold, 72581 Dettingen an der ErmsHerstellung: frechdruck GmbH, 70499 Stuttgart

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Agneta Ingberg ist 58, als sie die Diagnose »Alzheimer« bekommt. Jetzt weiß sie, warum sie manchmal etwas vergisst, nicht mehr mit der U-Bahn zurechtkommt oder einfach nicht die richtigen Worte findet. Sie erlebt Angst und Scham, kämpft aber tapfer und mit Humor. Muss ihr die Krankheit peinlich sein? Gibt es wirklich keine Therapie? Agnetas Freundin Birgitta Andersson lässt Sie an Agnetas Gedanken und Leben vor und nach der Diagnose teilhaben. Eine traurige und doch warme und hoffnungsvolle Geschichte ...

Geschichten zum Vorlesen für Demenzkranke.In einfachen Sätzen sind Uhrzeiten, Jahreszeiten, Farben, Wochentage und vieles mehr in ein lustiges Erlebnis gepackt. Manchmal gibt es auch etwas zum Raten, zum Mitmachen oder zum Ergänzen. Die Geschichten sind kurz gehalten, damit der Kranke nicht überfordert wird. Die Autorin erlebt viele positive Reaktionen beim Vorlesen ihrer Geschichten. Desorientierte Menschen hören plötzlich lebhaft zu, die Augen strahlen. Anschließend wird oft aus dem eigenen Leben erzählt.

Arno Geiger hat ein tief berührendes Buch über seinen Vater geschrieben, der trotz seiner Alzheimerkrankheit mit Vitalität, Witz

und Klugheit beeindruckt. Die Krankheit löst langsam seine Erinnerung und seine Orientierung in der Gegenwart auf, lässt sein

Leben abhandenkommen. Arno Geiger entdeckt, dass es auch im Alter in der Person des Vaters noch alles gibt: Charme, Witz,

Selbstbewusstsein und Würde. Arno Geigers Buch ist lebendig, oft komisch. In seiner tief berührenden Geschichte erzählt er von einem

Leben, das es immer noch zutiefst wert ist, gelebt zu werden.

Birgitta Andersson

Am Ende des Gedächt­nisses128 Seiten, Brunnen VerlagBest.-Nr.: 111.947 • 9,95 €

Ulrike Strätling

Als die Kaffee­mühle streikte128 Seiten, Brunnen VerlagBest.-Nr.: 114.123 • 7,99 €

Arno Geiger

Der alte König in seinem Exil192 Seiten Hanser VerlagISBN 978-3-446-23634-9

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unterwegs 17/2011 ::: 14. August 2011

24 ::: Portrait

Sie ist fröhlich, extrovertiert und eine gefragte Sän-gerin, die derzeit an ihrem ersten Soloalbum mit Israel Houghton und der Musikgruppe Söhne

Mannheims arbeitet. Wer Déborah Rosenkranz erlebt, kann kaum glauben, dass sie mehrere Jahre unter Ess-störungen litt und daran beinahe zugrunde gegangen wäre. Alles begann beim Handballtraining. Der heim-liche Schwarm der damals Zwölfjährigen saß auf der Bank der Sporthalle und sagte: »Déborah, ich weiß gar nicht, wie du mit so viel Fett überhaupt rennen kannst!« Diese Worte trafen.

kampf gegen die kalorienTatsächlich war die junge Déborah zu dieser Zeit ein wenig mollig, doch nun glaubte sie, sie sei zu dick, um geliebt zu werden. Der Kampf gegen die Kalorien be-gann. Die Pfunde purzelten, aber die Pastorentochter fühlte sich immer noch nicht schlank genug. Und das, obwohl sie bald nur noch 47 Kilo wog. Zeitweise »er-nährte« sie sich von einem kleinen Stückchen Apfel und ein paar Löffeln fettfreien Joghurts am Tag. Partys wurden abgesagt, aus Angst, etwas essen zu müssen.

»Ich hatte große Panik vor dem Duft von Frittierfett, weil ich dachte, dass ich zunehmen könnte, wenn ich etwas einatme«, erinnert sich Rosenkranz in ihrem Buch »So schwer, sich leicht zu fühlen«. Die Haare fie-len aufgrund der Mangelernährung aus, stattdessen wuchs ein Haarflaum auf dem Handrücken. Wegen Vi-tamin-B-Mangels zeigten sich Lähmungserscheinungen in einem Bein. »Je mehr meine Mutter darauf achtete, was ich aß, desto ausgeklügelter wurden meine Tricks.«

Als sie eines Nachts erst um zwei Uhr von einem Konzert nach Hause kam, hörte sie Stimmen im Schlaf-zimmer ihrer Eltern. Neugierig lauschte die Tochter an der Tür und hörte ihre Eltern beten und dabei herz-zerreißend schluchzen. Mitten in der Nacht lagen sie wach und beteten gemeinsam dafür, dass ihre kranke Tochter nicht stirbt. »Diese Nacht war der Wende-punkt in meinem Leben«, sagt Déborah Rosenkranz.

Plötzlich wurde der damals 14-Jährigen klar, dass sie gegen die Magersucht angehen muss. Sie begann wieder mehr zu essen. Doch dann kamen die Fressatta-cken. Sie gewöhnte sich daran, nach dem Essen zur Toilette zu gehen, den Finger in den Hals zu stecken und sich zu übergeben. »Wenn ich über der Schüssel hing, hatte ich das Gefühl, ich verletze Gott. Jedes Mal habe ich ihn beim Übergeben angefleht, mir zu helfen, von meinen Essstörungen frei zu werden«, sagt sie.

Der lange Weg vom kopf zum herzEs dauerte lange, bis die überzeugte Christin auch im Herzen wusste, dass sie in den Augen Gottes wertvoll und geliebt ist – unabhängig von ihrem Aussehen. Ne-ben ihrem Glauben an Gott half ihr dabei auch die Bestätigung, die sie durch ihren Gesang erhielt. Schon mit neun Jahren hatte sie begonnen, in der Band ihrer Gemeinde zu singen. Nach einem Musikstudium an der australischen Hillsong-Akademie arbeitete sie als Stewardess einer kleinen Fluglinie.

Eines Tages gab Déborah Rosenkranz auf Bitte der Passagiere ein Spontankonzert im Flugzeug. Schnell wurde die singende Stewardess bekannt, trat bei Stefan Raab auf und sang bei ihren Flügen immer wieder Lie-der durch das Bordmikrofon. Sie geriet an einen Ma-nager, der von ihr wollte, dass sie als Partygirl auf Mallorca zweifelhafte Liedtexte singt. Kurz vor der Unterzeichnung ihres Plattenvertrags sprang Déborah Rosenkranz unter Tränen von dem augenscheinlich reizvollen Angebot ab. Sie wollte nicht als »Baller-mann-Püppchen« Karriere machen, sondern ihren christlichen Werten treu bleiben. In einem ihrer Lieder singt sie von dem, was ihr die Kraft gegeben hat, aus dem schrecklichen Kreislauf von »kotzen, fressen, hungern« auszubrechen: »Du bist eine Perle in den Händen des Vaters. Er kann deine Leere füllen und dein Glück sein.« epdn déborah rosenkranz: »So schwer, sich leicht zu fühlen«, gerth-Medien, Asslar 2011, 160 Seiten, 14,99 Euro.

panik vor dem pommesduft

»So schwer, sich leicht zu fühlen, egal wie viel du wiegst.« déborah rosenkranz berichtet in ihrem Buch über ihr essgestörtes leben zwischen Hungern, Kloschüssel und Kühlschrank. Sie wurde als »singende flugbegleiterin« bekannt.